Wladimir Putin setzt EU mit Gaspreis unter Druck
Der Großhandelspreis für Gas hat sich seit Jahresbeginn etwa vervierfacht, weil die Nachfrage in Asien so groß ist, dass es sich Russland leisten kann, die Europäer hängen zu lassen und keine neuen Lieferverträge abschließt. Und auch die Amerikaner lassen aus, weil sie ihr Flüssiggas aus Fracking lieber zu Höchstpreisen nach Asien verschiffen.
Energieexperten wie Michail Krutichin von der Agentur Rusenergy in Moskau sprechen in Spiegel und Handelsblatt ziemlich offen von „russischer Erpressung“. Denn durch die Ukraine wird wegen der Krimkrise nur noch wenig Gas geschickt. Und die Leitungen, in denen Gas durch Weißrussland und Polen fließt, müssen gerade jetzt saniert werden.
Warum kein Gas fließt
Wladimir Putin pokert hoch und meinte am Donnerstag in Sotschi am Schwarzen Meer: „Die Gaslieferung kann morgen beginnen.“ Aber eben nur über die umstrittenen Ostseepipelines. Für Nord Stream 2, an der auch die OMV beteiligt ist, fehlt noch die Betriebsgenehmigung. Kritiker sind gegen Nord Stream 2, einige EU-Abgeordnete sprechen von einem „Kuhhandel“, der Europa von Russland total abhängig mache.
Die Befüllung des zweiten Stranges von Nord Stream 2 mit Gas werde Mitte bis Ende Dezember abgeschlossen sein. Die erste Röhre ist bereits mit Gas befüllt worden. Es könnte also bald losgehen, wenn sich Europa auf die Forderungen des Machthabers in Moskau einlässt.
Putin macht die Energiepolitik der EU für die Krise verantwortlich. Die Anti-Monopolmaßnahmen der EU wurden in Moskau als russlandfeindliche Attacken interpretiert. Und obwohl der Staatskonzern Gazprom beteuert, alle Lieferverträge einzuhalten, könne man derzeit leider nicht mehr liefern.
Auf dem europäischen Gasmarkt fehlen nun 70 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Denn Russland liefert heuer nur unwesentlich mehr als im Corona-Krisenjahr 2020, als die Nachfrage abrupt eingebrochen war und die Preise in den Keller fielen. Dabei ist der Energiehunger seit Jahresbeginn explodiert, auch weil wegen Windstille weniger Energie aus Windkraft gewonnen werden konnte. Doch Russland liefert heuer weniger Gas als in den Boomjahren 2018 und 2019.
In Rumänien fürchtet man, dass heuer viele Menschen nicht heizen können. Die Regierungen in Spanien und Frankreich wollen Geringverdiener mit Heiz-Gutscheinen unterstützen. Auch in Italien wird Mario Draghi die hohen Energiekosten mit staatlicher Hilfe ausgleichen.
„Putin will, dass Europa einknickt“, sagt der Energieexperte Michail Krutichin. Der Kremlchef macht „administrative Hürden“ für die Energiekrise verantwortlich. Denn das dritte Energiepaket der EU sieht eine Trennung zwischen Netz- und Pipelinebetreibern sowie den Lieferanten von Strom und Erdgas vor. Genau das ist aber nicht im Sinn den Staatskonzerns Gazprom, der sowohl die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG besitzt, als auch das durchzuleitende Erdgas fördert. Auch der zweite russische Großkonzern Rosneft, der vom Putin-Vertrauten Igor Setschin geleitet wird, darf sich nicht auf die Forderungen der Europäer einlassen.
Vorteil Österreich
Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen hat die EU ein Verbot über Langzeitverträge von Gaslieferungen, in denen die Preise langfristig festgelegt sind, ausgesprochen. Genau diese Verträge hat allerdings Österreich seit dem Staatsvertrag. Und daher ist die Versorgung hierzulande laut OMV und Kanzler Alexander Schallenberg gesichert. Außerdem habe Österreich früher als andere auf erneuerbare Energien gesetzt.
In Deutschland sieht die Sache hingegen schon anders aus, da die Energiewende nach Meinung vieler Experten miserabel vorbereitet worden sei und der Ausstieg aus der Atomkraft zu früh komme. Bei den Koalitionsverhandlungen ist man noch uneins über Nord Stream 2.
Putin hat Zeit
Laut der Ratingagentur Fitch kann Wladimir Putin heuer mit 125 Milliarden Dollar allein an Steuereinnahmen aus der Ausfuhr von Erdöl und Erdgas rechnen. Das seien 50 Milliarden Dollar mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Gazprom konnte seine Gewinne schon im ersten Halbjahr um 50 Prozent steigern.
Die russische Bevölkerung hat nichts davon, denn das Durchschnittseinkommen liegt wieder auf dem Niveau von 2011. Der Kaufkraftverlust ist enorm.
Doch Putin, der die meiste Zeit des Jahres fernab von Moskau in seinem Palast in Sotschi lebt, stichelt lieber gegen Europa.
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