Frankreich – le grand problème
„Eine Zeitbombe im Herzen Europas.“ So betitelte das britische Magazin The Economist in seiner jüngsten Ausgabe einen 14-seitigen Spezialreport über Frankreich. So explosiv ist die Lage in der Grande Nation zwar nicht. Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, gerät aber zunehmend in Gefahr, sich unter die Sorgenkinder einzureihen.
Fehlende Reformen, ein massiver Verlust an Wettbewerbsfähigkeit – das sind Voraussetzungen, die keine Bestnoten verdienen. So urteilte in der Nacht auf Dienstag die US-Ratingagentur Moody’s, die Frankreich das Spitzenrating AAA entzog. „Aa1“ hat Frankreich jetzt im Zeugnis stehen. Sollte der Reformkurs weiter stocken, droht eine weitere Verschlechterung. Schon im Jänner hatte die Ratingagentur S&P Frankreich (zeitgleich mit Österreich) das AAA aberkannt.
Die US-Agenturen sollten nicht immer wieder Öl ins Feuer der Schuldenkrise im Euroraum gießen, sagen die Kritiker. Selbst Verschwörungstheoretikern wird die deutsche Bertelsmann-Stiftung allerdings unverdächtig vorkommen. Die Stiftung ist dabei, ein europäisches Gegengewicht zu den drei großen US-Ratingagenturen aufzubauen. Am Dienstag wurde das Ergebnis eines Testlaufs präsentiert, in dem fünf Länder, darunter Frankreich, bewertet wurden. Auch hier bekam Frankreich mit AA+ nur die zweitbeste Note. Auf die steigende Schuldenlast und die Herabsetzung des Pensionsalters könnte bald eine schlechtere Note folgen, warnten die Experten der Stiftung.
Die nackten Daten sind tatsächlich alarmierend. Heuer wird Frankreich ein Wirtschaftswachstum von gerade einmal 0,2 Prozent schaffen. Nächstes Jahr wird das Plus mit 0,4 Prozent auch nicht berauschend sein. Die Arbeitslosigkeit ist längst über die Marke von zehn Prozent geklettert, die Jugendarbeitslosigkeit lag zuletzt bei horrenden 23,4 Prozent.
Der Berg an Staatsschulden wird nächstes Jahr bereits 93,8 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen.
Regierungsberater rund um den ehemaligen EADS-Chef Louis Gallois forderten erst kürzlich einen „Wettbewerbsschock“, um die Industrie des Landes zu stärken. Das Land gönne sich zu hohe Sozialabgaben, einen zu starren Arbeitsmarkt und eine zu wirtschaftsfeindliche Steuerpolitik.
Mit der Zurückstufung der Bonität habe Frankreich nur „eine kleine Mahnung“ bekommen, reagierte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble offiziell gelassen. Hinter den Kulissen macht man sich über die Entwicklung beim wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands aber große Sorgen. Bei den sogenannten Wirtschaftsweisen sieht man nicht Griechenland, Spanien oder Italien derzeit als das größte Problem der Eurozone – sondern Frankreich.
Bei den Verhandlungen über neue Hilfsgelder für Griechenland kommen die Kassenhüter der Eurozone weiter nur schleppend voran. Vor einem Sondertreffen der Eurozone Dienstag Nachmittag in Brüssel war von einem Durchbruch keine Rede. Stattdessen hieß es aus Verhandlerkreisen, man werde sich wohl Stück für Stück weiterhanteln. Eine Variante: Man könnte vorerst nur die Finanzlücke bis 2014 schließen – dafür sind 13,5 Milliarden Euro nötig. Die „große Lösung“, wie Griechenland die kommenden Jahre liquide gehalten werden soll, könnte demnach vertagt werden.
Strittig war vor dem Treffen der Finanzminister, an dem auch Christin Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) teilnahm, vor allem die Frage, bis wann Griechenland seine Staatsschuld unter 120 Prozent des BIP drücken muss. Der IWF beharrt auf dem ursprünglichen Plan, 2020, während die Euro-Zone eine Erstreckung auf 2022 in Erwägung zieht. „Darüber werden wir heute Nacht noch diskutieren“, sagte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Er gab sich vorsichtig optimistisch: „Über einige Details müssen wir uns noch verständigen. Klar ist: Griechenland hat geliefert.“
Einen neuerlichen Schuldenschnitt für Griechenland, bei dem die Euro-Staaten auf Forderungen verzichten, schließen mehrere Staaten, darunter Österreich, aus.
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