Flugchaos: "Schatz, ich komm' heut nicht mehr"
AUA-Chefin Annette Mann sagt in einem Interview, dass sie "nach 20 Jahren Airline nicht mehr so wahnsinnig viel überraschen kann". Ob sie vom derzeitigen Flugchaos überrascht wurde, ist im Detail nicht überliefert. Für das geplante Flugprogramm hätte man bei der AUA genug Personal. Nicht aber für kurzfristige Unvorhersehbarkeiten. Wie etwa Corona-Krankenstände.
Ich durfte am Mittwoch Teil dieses Flugchaos' sein.
Es war abenteuerlich, es war ärgerlich, es war enttäuschend, hat viel Zeit gekostet und viele Nerven. Das Schlimmste daran: man wird völlig allein gelassen, weil offenbar alle Beteiligten heillos überfordert sind. Chaos eben.
Konkret lief das so:
Mittwoch, 7:25 Uhr, OS 301, VIE - CPH, also von Wien nach Kopenhagen.
Gut hin
Alles läuft überraschend gut und nach Plan, am Flughafen Schwechat sind zwar um 6 Uhr früh schon lange Menschenschlangen bei der Sicherheitskontrolle, aber was soll's. Viele Menschen wollen oder müssen fliegen. So wie ich auch. In Kopenhagen wird ein neues Auto präsentiert. Citroen stellt den C4 X vor. Ein Auto, das es bei uns nur elektrisch geben wird. Deshalb hat man als Präsentationsort Kopenhagen gewählt - eine Vorreiter-Stadt für alternative Mobilität.
Die Maschine hebt pünktlich ab und kommt auch nach 1:40 Stunden pünktlich in Kopenhagen an. Ich melde nach Hause: alles gut, von Flugchaos keine Spur. Ein klarer Fall von zu früh gefreut.
Nicht gut retour
Nach unserem Termin beschließen wir, eher früher als später zum Flughafen in Kopenhagen zu fahren. Sicher ist sicher. Mehr als zwei Stunden vorher dort zu sein, scheint in diesen Zeiten angebracht. Wir sind also um 15 Uhr am Flughafen in Kopenhagen. Und die Schwierigkeiten beginnen.
Auf der Anzeigentafel scheint unser Flug OS 304 lange Zeit ohne Gate auf. Informationen kommen, heißt es. Man hält uns hin. Und die Zeit vergeht. Das Flugzeug sollte um 17:35 Uhr abheben, die Maschine ist aber noch nicht da. Wir sollen neue Informationen um 17:30 Uhr kriegen. Ich melde nach Hause: Es wird später. Eventuell viel später. Meine 3-jährige Tochter, die damit rechnet, dass ich sie abends zu Bett bringe, wartet.
Aber dann beginnt das lange Warten erst.
Die Anzeigetafel springt um. Neue Abflugzeit: 21:30 Uhr. Meldung nach Hause. "Schatz, ich komme leider viel später".
Wir sitzen in der Lounge, weil eine Kollegin Senator-Status hat und mich mitnehmen kann. Wir warten weiter. Die Anzeigetafel springt irgendwann auf Abflugzeit 22:30 Uhr um. Wir warten weiter.
Und bekommen eine Nachricht von der AUA: Wir dürfen uns mit einem Voucher etwas zu Essen kaufen. 130 DKK, umgerechnet 17 Euro, in einem Restaurant am Flughafen ausgeben. Das sollte die einzige Bekümmerung sein, die wir an diesem Tag je von der AUA bekommen.
Kein Flug mehr
Um 21:30 Uhr dann eine Nachricht aufs Handy: Ihr Flug wurde storniert. Kurz und knapp, nach sechseinhalb Stunden Wartezeit am Flughafen in Kopenhagen.
Wir laufen zum Gate einer anderen AUA-Maschine nach Wien. Diese Idee hatten dreißig andere Fluggäste auch. Nervosität bei allen Passagieren. Jede und jeder will nach Hause. Die AUA-Maschine schließt vor unseren Augen die Tür und rollt davon. Angeblich gab es Plätze in der Maschine, aber genau weiß das niemand.
Was jetzt? Wir stehen da, haben für den Tagestrip nichts dabei, das uns durch die Nacht bringt: kein Hotelzimmer, keine Zahnbürste, keine Wäsche. Die Schalter am Flughafen sind geschlossen, es ist 22 Uhr. Ich rufe zu Hause an: "Schatz, ich komme heute nicht mehr. Unser Flug wurde gestrichen."
Niemand da
Wir verlassen das Flughafen-Gebäude, weil dort niemand weiterhelfen kann. Von der AUA gibt es keine Information, was zu tun ist. Es gibt keine Nachricht, wie es weitergeht. Es gibt nichts. Und das ist eigentlich das Schlimmste an der Situation: Niemand ist ansprechbar, die Schalter sind zu, die Hotlines unerreichbar.
Der Pressechef von Citroen zückt seinen Laptop und startet die Eigeninitiative. Wir brauchen eine Unterkunft für die Nacht und wir müssen alle irgendwie nach Wien zurück. Bei mir hängen Betreuungspflichten dran, meine kleine Tochter wartet und wird auch morgen früh enttäuscht sein, dass ich nicht da bin, wenn sie aufwacht. Den Hund gibt's. Mein Mann schichtet seine Termine um, wir organisieren den nächsten Tag neu. Meine Arbeit staut sich. Meine Kollegin darf nicht auf Pressereise gehen, sie muss mich vertreten, weil wir Redaktionsschluss für die Samstags-Ausgaben haben.
Die Eigeninitiative des Citroen-Pressechefs sieht so aus: Er zückt die Unternehmens-Kreditkarte und verbindet sich mit seinem Reisebüro. Dann bucht er ein Hotel für die Nacht, in Kopenhagen. Nicht am Flughafen, weil die sind unverschämt teuer. Dann geht es darum, die Flüge für den nächsten Tag zu organisieren. Umbuchen geht nicht, weil alle AUA-Flüge am nächsten Tag voll sind. Also muss neu gebucht werden: Sämtliche Verbindungen in Europa werden überprüft, oft scheitert es an vollen Anschlussflügen. Es ist ein Suchspiel quer durch Europa. Dann ist ein Flug gefunden: kurz nach 8 Uhr am nächsten Tag, Business-Class, Flug nach Hamburg nach Wien. Ich sollte zu Mittag in Wien sein.
Neu kaufen
Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Wenn es nicht die Kreditkarte des Unternehmens gäbe, mit dem wir unterwegs waren, wäre das alles unmöglich gewesen. Dann wäre es eine Nacht auf dem Flughafen geworden, dann gäbe es keine Umbuchung am nächsten Tag, weil ja alles voll ist. Dann würde man am nächsten Tag irgendwie versuchen, über Hotlines eine Lösung zu finden.
So aber, mit Status und Geld, konnten wir in einem Hotel übernachten und einen neuen Flug kaufen: knapp 1.300 Euro kostet das Ticket extra. Wir fahren mit einem Taxi zum und am nächsten Tag vom Hotel. Meine Duty-Free-Einkäufe (Gin für den Mann) schenke ich dem Hotel-Angestellten, weil ich ja im Handgepäck nichts dabei haben darf.
Über Umwege
Am nächsten Tag ist um 6 Uhr morgens schon sehr viel los am Flughafen in Kopenhagen. Wir sind früh genug dort, schaffen es durch alle Kontrollen, ich kaufe die Gin-Flasche im Duty Free ein zweites Mal, die Propeller-Maschine hebt pünktlich nach Hamburg ab.
Auch dort ist enorm viel los auf dem Flughafen. Die dort arbeitenden Angestellten, wie alle auf allen Flughäfen, arbeiten am Limit, sind überfordert mit der Passagier-Zahl, überall lange Schlangen und nüchterne Blicke. Man sieht den Angestellten die Überlastung an. Ich leide mit ihnen. Das System Fliegen ist in ganz Europa gekippt: die Airlines und die Flughäfen bewältigen die Passagier-Zahl nicht. Schon jetzt, in der Woche vor dem Ferienbeginn. Das ist ein Drama für den gesamten Flugverkehr, für alle Angestellten in der Branche, für die Fliegerei insgesamt, die an sich eine schöne Sache wäre, aber durch Missmanagement zerstört wird.
Ich bin um 12:30 Uhr in Wien.
Mit 16 Stunden Verspätung.
Heute ist Freitag, seit Mittwoch hat sich von der AUA niemand gemeldet. Sich niemand entschuldigt für die Unannehmlichkeiten, für die Mühe, für den Ärger. Sich niemand erkundigt, wo wir sind und wie es uns geht. Es scheint allen egal zu sein. Kompensation für die Extra-Kosten? Das ist eine andere Sache. Sie wird wohl genauso mühsam wie die Fliegerei aktuell.
Fliegen unter diesen Umständen? Muss man tunlichst vermeiden. Wenn man es trotzdem muss, weil die Reise gebucht oder der Business-Trip unabänderlich ist, rate ich zu Folgendem:
- Seien Sie auf sehr lange Wartezeiten und Verschiebungen gefasst.
- Nehmen Sie mit, was Sie für eine Nacht extra brauchen könnten: Zahnbürste, Wäsche, Ladegeräte.
- Reisen Sie möglichst nur mit Handgepäck. Auch die Gepäckabfertigung ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Am Flughafen in Kopenhagen gibt es eine halbe Halle voller Koffer. Also besser nichts einchecken und den Trolley bei sich haben.
- Eignen Sie sich eine innere Ruhe an: das hilft einem selbst und in der Situation. Ich habe erkannt, dass man auf Flughäfen mit einem forschen Ton nirgendwo hin kommt. Weil alle Angestellten mit den Nerven am Ende sind. Was aber schon geht: mit einem "Bitte" und einem höflichen Ersuchen kommt man an. Mit Verständnis für die Situation bekommt man manchmal sogar ein Lächeln retour.
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