Finanztransaktionssteuer: Seit 10 Jahren erfolgreich weglobbyiert
Es ist ein Jubiläum, das angesichts der enormen finanziellen Herausforderungen der EU-Staaten wohl niemanden in Feierlaune bringt. Vor genau 10 Jahren, am 9. Oktober 2012, einigten sich elf EU-Länder inklusive Österreich beim EU-Finanzministerrat in Luxemburg auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT). Bereits Anfang 2014 sollte sie Geld in die Staatshaushalte spülen. Doch die Steuer gibt es bis heute nicht, vor allem weil gewisse Interessensgruppen dies erfolgreich verhinderten.
Die globalisierungskritische Nicht-Regierungsorganisation Attac hält am "Jahrestag" der FTT eine kritische Rückschau. Von der Absicht, den Finanzsektor an den milliardenschweren Folgen der Finanzkrise zu beteiligen, sei nichts mehr übrig geblieben, heißt es. Jahrelanges massive Lobbying des französischen und deutschen Bankensektors sowie großer Investmentbanken, unter ihnen die Big 3, Citigroup, Goldman Sachs und Morgan Stanley hätten die Umsetzung bis dato erfolgreich torpediert.
Deutschland rückte ab
Auch die Gruppe der elf "willigen EU-Staaten" ist inzwischen Geschichte. Der wichtigtste Unterstützer dieser Gruppe, Deutschland, schwenkte erst im Vorjahr um. SPD-Chef Olaf Scholz, der zuvor noch viel Überzeugungsarbeit in Brüssel leistete, opferte das Jahrhundertprojekt zur Überraschung vieler Getreuer im Zuge der Koalitionsverhandlungen für die Ampel-Regierung. Zuvor sprach sich die SPD, aber auch die Grünen noch für einen allfälligen Alleingang Deutschlands aus. Die FDP war dagegen, Deutschland verfolgt die Idee einer Besteuerung von Finanzgeschäften derzeit nicht.
50 Milliarden Euro Einnahmen
Die Idee einer neuer Finanzierungsquelle für den EU-Haushalt war durchaus ambitioniert. Die FTT sah durch die Besteuerung etwa von Wertpapier-Transaktionen jährliche Einnahmen von bis zu 50 Milliarden Euro vor, davon etwa 1,5 Milliarden für Österreich. Hochspekulative Finanzinstrumente wie Derivate blieben jedoch unbehelligt, weshalb die große Gruppe der "Zocker" kaum betroffen wäre. Viele EU-Staaten äußerten daher Zweifel an der Steuer. Kritiker erklärten, sie würde "die falschen" Anleger treffen, die Kapitalversorgung der Wirtschaft hemmen und die Zukunftsvorsorge am Kapitalmarkt ausbremsen.
Kein Thema mehr in Österreich
Übrig blieben elf "willige Länder", darunter auch Österreich als einer der Treiber eine EU-weiten Lösung. Aber die türkise Regierung unter Finanzminister Gernot Blümel verlor rasch das Interesse, auch weil große Länder wie Frankreich, Belgien und Italien nationale Alleingänge beschlossen. Anfang 2020 wurde das Thema quasi ad acta gelegt. Zuletzt griff in Österreich KTM-Chef Pierer das Thema in einem Interview wieder auf. "Ich bin ein Fan der Finanztransaktionssteuer und einer Besteuerung der Finanzindustrie und von Krypto-Assets. Da sage ich: Her mit den Steuern! Vermögen, das in Familienunternehmen gebunden ist, zu besteuern, zerstört unweigerlich Arbeitsplätze", sagte Pierer.
Vorrang für Gewinn-Interessen
Mario Taschwer von Attac Österreich zieht eine ernüchternde Bilanz: „Die Finanztransaktionssteuer ist ein trauriges Beispiel dafür, wie die Regierungen den Profit-Interessen von Banken Vorrang gegenüber den Interessen der Allgemeinheit einräumen“. Eine umfassende Finanztransaktionssteuer würde kurzfristige Spekulationen unattraktiv machen, die Märkte stabilisieren, Finanzkrisen vorbeugen und reale Investitionen fördern.
In Zeiten von Teuerung und Energiekrise sei eine solche Finanzsteuer nötiger denn je. „Eine Finanztransaktionssteuer wäre ein effektives Mittel, um die verrücktspielenden Preise auf den Energiebörsen zu stabilisieren. Der Anreiz, Energie-Terminkontrakte zu immer höheren Preisen zu kaufen und zu verkaufen, würde reduziert. Das würde auch die Preissteigerungen dämpfen“, erklärt Taschwer. Die Einnahmen der Steuer könnten zudem für Investitionen in erneuerbare Energien verwendet werden. Attac fordert daher dringend, die FTT wieder auf die politische Agenda zu setzen.
Finanzbranche dagegen
Die heimische Kapitalmarktbranche bleibt bei ihrem klaren Nein zur FTT. Eine solche Steuer würde heimische Unternehmen und Kleinanleger belasten und die Rendite für Vorsorge-und Ansparmodelle senken. "Die gesamte private Altersvorsorge würde infolge unter einer solchen Aktiensteuer leiden. In Zeiten, in denen die zweite und dritte Säule immer wichtiger wird, ist dies genau der falsche Weg", heißt es einem gemeinsamen Papier, das am Freitag vorgestellt wurde. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass eine FTT für einen kleinen bis mittelgroßen Kapitalmarkt wie Österreich die Handelsvolumina und die Liquidität reduzieren würden.
Das gemeinsame Papier wird von der Österreichische Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (ÖVFA), Aktienforum, Wiener Börse, WKÖ-Fachverband der Pensionskassen, Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften (VÖIG), sowie der Interessensgruppen CFA Society Austria und CIRA unterstützt. Eine starke Lobbying-Gruppe.
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