Eine Finanzsteuer auf Raten

Die atmosphärischen Störungen sind ausgeräumt – Michael Spindelegger und Wolfgang Schäuble nach dem Arbeitstreffen in Berlin.
Ein Stufenplan soll einen Kompromiss ermöglichen – Österreich übernimmt die Federführung.

Im Dezember hatte sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble noch laut über seinen österreichischen Amtskollegen Michael Spindelegger gewundert. Der hatte zu einem heiklen Finanzministertreffen in Brüssel einen Vertreter geschickt, um im Parlament in Wien auftreten zu können. "Ich bin ja auch erst eingeschworen worden." Aber gut. Das sei "Tu felix Austria", grummelte Schäuble. Nach einem einstündigen Arbeitstreffen am Mittwoch in Berlin streute er Spindelegger Rosen. "Ich bin meinem Kollegen dankbar, dass er die Federführung für die Finanztransaktionssteuer übernommen hat." Eine heikle Aufgabe. Vor Jahren haben sich elf Staaten geeinigt, diese Steuer auf spekulative Finanzgeschäfte einzuführen. Seither treten sie auf der Stelle. Am Montag, 10. März, suchen die 11 Finanzminister vor dem Treffen der Eurogruppe in Brüssel erneut einen Kompromiss. Im Raum steht eine stufenweise Einführung. Schäuble will jedoch, dass "möglichst viele Finanzprodukte" erfasst werden. Für ihn sind das nicht nur Aktien und Anleihen, sondern auch Derivate (komplexe Finanzgeschäfte, die spekulativ genützt werden können.) "Uns eint der Wille, wir wollen beginnen", sagte Spindelegger.

Was genau ist die Finanztransaktionssteuer?

Für jedes Finanz- und Wertpapiergeschäft soll ein geringer Prozentsatz als Steuer eingehoben werden. Dadurch werden Sparer oder langfristige Investoren kaum belastet. Spekulanten, die sehr rasch viele Transaktionen tätigen, würden stark getroffen. Der Börsenspruch "Hin und her macht Tasche leer" erhält neue Bedeutung.

Was soll besteuert werden?

Das ist heftig umstritten. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, Aktien und Anleihen mit 0,1 Prozent und Derivate mit 0,01 Prozent zu besteuern. Damit hätten Frankreichs Großbanken ein Problem, die extrem viele Derivategeschäfte betreiben. Für sie wird eine Art Rabattabschlag überlegt.

Wann wird die Steuer eingeführt?

Österreich und Deutschland wollen, dass es noch vor der EU-Wahl im Mai eine politische Einigung gibt. Möglicher Starttermin wäre 2016. Womöglich gibt es einen Stufenplan, wo die Steuerbasis sukzessive ausgeweitet wird.

Wer macht mit?

Weil es unter den 27 EU-Ländern keine Einigkeit gab, preschen 11 Länder vor: Die "großen Vier" Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien sowie Österreich, Belgien, Griechenland, Estland, Portugal, Slowakei und Slowenien.

Wie viel bringt das?

In der breitesten Variante könnte die Steuer laut EU-Kommission 34 Mrd. Euro pro Jahr in die Kassen der elf Staaten spülen, davon 12 Mrd. Euro in Deutschland. In Österreich hat die Regierung ursprünglich auf 500 Mio. Euro gehofft. Die Schmalspurvariante (Börseumsatzsteuer) bringt nur einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag.

Wer ist dagegen?

Großbritannien und Luxemburger fürchten um ihren Finanzplatz. Schweden hatte mit einem Alleingang schlechte Erfahrungen.

Kann die Steuer umgangen werden?

Das soll verhindert werden. Geplant ist deshalb, dass die Steuer anfällt, wenn der Käufer, Verkäufer oder das gehandelte Finanzprodukt aus einem der elf Staaten kommt. Somit könnten die Geschäfte nicht so einfach verlagert werden.

Deutschland hat 2013 Waren im Wert von 199 Milliarden Euro mehr exportiert als importiert. Das ist nicht nur der größte Exportüberschuss der deutschen Geschichte, sondern auch der größte weltweit. Dieses Exportwunder wird aber seit geraumer Zeit innerhalb der EU kritisiert, weil es zu Lasten schwächerer Länder der Gemeinschaft gehe. Es droht sogar ein Vertragsverletzungsverfahren. Die Kritik wird in der neuen Analyse zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der Eurozone verschärft.

Die EU rät der Regierung in Berlin zum Gegensteuern. "In Deutschland gibt es regelmäßig einen Überschuss, der zwar auf eine extrem starke Wettbewerbsfähigkeit, aber zugleich auf geringe Investitionen im Inland hinweist", sagte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn bei der Vorlage der Analyse. Es gehe ihm nicht darum, Deutschland einseitig zu kritisieren. "Ich würde mir wünschen, dass jedes Land so gut bei den Ausfuhren ist wie Deutschland", sagte Rehn. Angesichts der Größe der deutschen Wirtschaft sei eine Korrektur aber notwendig. Die deutsche Bundesregierung müsse vor allem die Binnennachfrage ankurbeln. "Zentrale politische Herausforderungen sind daher höhere Investitionen", heißt es in dem Bericht.

Experten des deutschen Wirtschaftsministeriums räumten in einer schriftlichen Stellungnahme ein, dass "exzessive und dauerhafte Ungleichgewichte" für die Stabilität der Eurozone schädlich seien. Man wolle zum Abbau der Ungleichgewichte beitragen.

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