Familien Porsche und Piëch greifen bei VW ins Steuer
Der deutsche Autobauer VW steht vor großen Herausforderungen. Kein Wunder also, dass sich die Familien Porsche und Piëch, die über die Porsche Automobil Holding SE das Sagen bei Europas größtem Autokonzern haben, wieder stärker einbringen werden. Zur Nachrichtenagentur Reuters sagte ein Insider, dass „sie die strategischen Vorgaben stärker im Blick haben wollen“. Dazu werden die Familien den Wolfsburger Konzern nun an die kurze Leine nehmen. Das funktioniert aber nur, wenn der Betriebsrat und das Land Niedersachsen, das 20 Prozent der Stimmrechtsaktien hält, mitspielen.
„Der Betriebsrat und das Land Niedersachsen haben die Mehrheit im VW-Aufsichtsrat“, sagt der deutsche Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer zum KURIER. „Die Familien Porsche und Piëch können viel sagen und sich stärker einbringen, aber sie werden immer die Zustimmung der anderen Aufsichtsräte brauchen.“ Der Betriebsrat werde darauf achten, welche Pläne Auswirkungen auf die Werke in Deutschland haben. „Das alte Problem von VW ist, dass sie keine Änderungen in Wolfsburg umsetzen können, die bei den Beschäftigten weh tun“, sagt Dudenhöffer. „Stellenstreichungen in Wolfsburg kann die Gewerkschaft IG Metall nicht mittragen, weil sie dann die Mehrheit bei der nächsten Betriebsratswahl verlieren würde.“
Konfrontationen
Um bei VW eine neue Ära einzuleiten, haben die Familien Porsche und Piëch VW-Chef Herbert Diess aus dem Verkehr gezogen, der nicht nur mit dem Betriebsrat auf Kriegsfuß stand, sondern auch Entscheidungen im völligen Alleingang traf.
„Diess war sehr konfrontativ zum Betriebsrat und hat sich diesen zum Feind gemacht“, sagt Dudenhöffer. „Er hat auch öfters überraschende Dinge in der Öffentlichkeit gesagt, die nicht abgestimmt waren. Darüber waren die Familien Porsche und Piëch not amused.“
Mit September wird Porsche-Chef Oliver Blume auch den Chefposten bei VW übernehmen. Er ist ein Vertrauter des Familienclans. Blume gilt als Teamplayer. „Er ist sehr zurückhaltend im Auftreten und hat eine starke Mannschaft hinter sich“, sagt Dudenhöffer. „Der geplante Börsengang des Sportwagenbauers Porsche wird von seinem Finanzvorstand Lutz Meschke umgesetzt werden.“ Sobald der Börsengang durch ist, dürfte Meschke als Porsche-Chef nachrücken.
Indes muss Blume nun die Transformation von VW zu einem Mobilitätsdienstleister fortsetzen und Probleme lösen. Dazu zählt die Software-Tochter Cariad, die eine einheitliche Software-Plattform für alle Pkw-Marken des Konzerns formen soll. Und Software zum Beispiel für autonomes Fahren ist sehr komplex. „Das hat bisher bei keinem Autobauer geklappt. Wie ich Blume einschätze, wird er stärker Kooperationen mit Tech-Unternehmen eingehen“, sagt Dudenhöffer. „Man braucht schnelle Rechner und eine entsprechende Software, mit der man in Zukunft beim Autofahren Zeitung lesen können wird.“
Abo-Modell
Außerdem hat sich VW entschlossen, in die Produktion von Batteriezellen für E-Autos einzusteigen. „Das ist die zweite große Aufgabe“ sagt der Professor. Die dritte Aufgabe ist die Übernahme des Autovermieters Europcar (230.000 Fahrzeuge). Da künftig weniger Autos gekauft werden, so die Annahme, sollen Pkw in einem Abo-Modell vermietet werden. Dudenhöffer: „Bei so einem System braucht man kein klassisches Autohaus und keinen Autoverkäufer mehr.“
Kommentare