EZB erhöht Zinsen - wird ein Wohnungskauf nun unfinanzierbar?
Um die Inflation zu bekämpfen, erhöht die EZB die Leitzinsen weiter - zum neunten Mal in Folge und auf 4,25 Prozent. Ein konkretes Beispiel zeigt, was das bedeutet, wenn man sich eine Wohnung kaufen will.
Die Europäische Zentralbank hat heute den Leitzins in der Eurozone abermals erhöht - um 0,25 Prozentpunkte. Damit liegt der zentrale Zinssatz, zu dem die Geschäftsbanken sich Geld bei der EZB leihen können, bei 4,25 Prozent. An diesem sogenannten Hauptrefinanzierungssatz orientieren sich Banken bei der Kreditvergabe, etwa für private Baukredite.
Mit dem neuen Zinsschritt hat die EZB unter ihrer Präsidentin Christine Lagardeseit Juli 2022 ihre Leitzinssätze bereits zum neunten Mal in Folge erhöht. Das ist der schnellste Erhöhungszyklus in der EZB-Geschichte.
Vom EZB-Ziel – eine Inflation von zwei Prozent - ist die Teuerung in der Eurozone freilich noch weit entfernt. Im Juni ging die Inflation im Euroraum auf 5,5 Prozent zurück. Allerdings dürfte sie im Gesamtjahr 2023 immer noch bei 5,4 Prozent liegen. In Österreich geht die Inflation zudem nur langsam zurück und liegt noch immer bei acht Prozent.
Höhere Zinsen gelten als Mittel gegen die Teuerung, da sie die Nachfrage dämpfen und damit zeitverzögert auch den Preisauftrieb. Zugleich können steigende Zinsen das Wirtschaftswachstum hemmen. Aktuell ist bereits ein deutlicher Rückgang der Kreditnachfrage von Haushalten und Firmen zu beobachten.
In Österreich ist das besonders beim privaten Hausbau und Wohnungskauf bereits länger zu beobachten. So sind die relativen Kosten für einen Wohnungsneukauf in Österreich seit dem Vorjahr regelrecht explodiert.
Musste ein durchschnittlicher Doppelverdienerhaushalt zur Tilgung eines Kredits für eine 90-m²-Neubauwohnung in Wien jahrzehntelang um die 40 Prozent des Monatseinkommens aufwenden, sind es jetzt fast 70 Prozent. Das zeigt eine aktuelle Analyse vom Tarifvergleichsportal durchblicker.
„Ein neues Eigenheim in Österreich ist damit innerhalb eines Jahres de facto unfinanzierbar geworden“, sagt Andreas Ederer, Immoexperte bei durchblicker. Selbst in der oberen Einkommenshälfte wären es im Mittel bereits 53 Prozent des Monatseinkommens.
Problem: Weil die strengen Kreditvergaberichtlinien aktuell maximal eine Schuldentilgungsquote von 40 Prozent zulassen, erhält damit derzeit in Österreich fast niemand mehr einen neuen Wohnungskredit, so Ederer weiter. Schon bisher dürfte die Nachfrage laut Experten seit dem Sommer des Vorjahres um zwei Drittel eingebrochen sein.
Das Rechenbeispiel
Für die Untersuchung hat sich durchblicker konkret die Preise für eine 90-m2-Wohnung in Wien-Landstraße und die damit verbundenen Kreditfinanzierungsraten von 1997 bis heute angesehen. Das wurde dem monatlichen Nettoeinkommen eines durchschnittlichen Doppelverdienerhaushalts gegenübergestellt.
Hat man besagte Wohnung bereits 2021, also noch vor der Explosion der Inflation, erworben, zahlte man damals für einen variabel verzinsten Kredit pro Monat 1.740 Euro zurück. Inzwischen liegt die Rückzahlungsrate monatlich knapp bei 3.000 Euro und ist damit rund 1.200 Euro oder rund 70 Prozent höher als zum Abschluss des Kredits.
„Wer sich die Wette auf baldige sinkende Zinsen nicht mehr allzu lange leisten kann, sollte deshalb jetzt noch rechtzeitig auf einen Fixzinskredit umsteigen“, so Ederer. Das Verhältnis zwischen Krediten zu variablen Zinsen und Fix-Zins-Krediten liegt in etwa 50 zu 50.
Aktuell liegen die günstigsten Konditionen laut durchblicker für einen Fixzinskredit mit zehn Jahren Laufzeit bei 3,600 Prozent, für 15 Jahre bei 3,750 Prozent, für 20 Jahre bei 3,700 Prozent und für 25 Jahre bei 3,750 Prozent. Für variabel verzinste Kredite werden derzeit bereits höhere Zinsen verrechnet.
„Fixzinskredite kosten aktuell also weniger als der variable Kredit. Das bedeutet für die betroffenen Haushalte eine unmittelbare Entlastung. Vor allem, wenn es sich um die eigene Wohnung handelt, sollte man jetzt kein Risiko mehr eingehen. Wenn die Zinsen im zweiten Halbjahr noch stärker steigen, könnte für viele ein Umstieg auf einen Fixzinskredit immer schwieriger werden. Im schlimmsten Fall droht dann der Verlust des Eigenheims“, sagt Andreas Ederer.
Bei durchblicker geht man davon aus, dass die variable Verzinsung von Immobilienkrediten bis Jahresende an der 5-Prozent-Marke kratzen wird. Anders als in anderen Euro-Ländern haben sich die Immobilienpreise in Österreich davon bisher unbeeindruckt gezeigt. Für eine 90-m²-Wohnung im dritten Bezirk in Wien zahlt man mit rund einer dreiviertel Million Euro aktuell sogar immer noch mehr als vor einem Jahr und drei Mal so viel wie vor 25 Jahren.
"Immobilienverkäufer haben profitiert"
Das verfügbare Nettoeinkommen eines durchschnittlichen Doppelverdienerhaushalts hat sich im Vergleich dazu seit 1997 um nur 89 Prozent auf rund 4.250 Euro bzw. in der oberen Einkommenshälfte im Mittel um 93 Prozent auf 5.570 Euro erhöht.
Dass diese Kreditnehmer umgekehrt von der langen Nullzinsphase profitiert hätten, lässt Ederer nicht gelten. Immerhin hätten sich die Immobilienpreise mit der Nullzinsphase in wenigen Jahren verdoppelt und verdreifacht. „Unsere Rechnung zeigt, dass von den Nullzinsen vor allem die Immobilienverkäufer profitiert haben. Die Kreditbelastung für die Haushalte ist in Relation zu ihrem Einkommen relativ gleichgeblieben", betont Ederer.
(kurier.at, wu)
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Aktualisiert am 27.07.2023, 14:28
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