Aufsichtsrat von Wien Energie und Stadtwerken: "Geschlossene Gesellschaft"
„Von einem professionellen Aufsichtsrat weit entfernt. Das gesamte Konstrukt ist ein Konglomerat aus ,family and friends’. Hier fehlt etwas ganz Wichtiges, nämlich Unabhängigkeit – ein Wort, das man bei den Wiener Stadtwerken offenbar sehr schwer buchstabieren kann“. Aufsichtsratsexperte Josef Fritz, Partner von Board Research, geht mit den Strukturen und Besetzungen bei Wien Energie und der Konzernholding darüber, den Wiener Stadtwerken, hart ins Gericht.
Mit dem Auffliegen der desaströsen Handelsgeschäfte der Wien Energie richtet sich der Fokus auch auf die Kontrollgremien. Beide Aufsichtsräte sind fast nur mit Vertretern aus dem Magistrat und dessen Firmen-Imperium besetzt. Wenn sie schon nicht aus dem Rathaus-Umfeld kommen, haben sie eine starke Nähe zur SPÖ.
Dass Peter Weinelt dem Aufsichtsrat der Wien Energie vorsitzt, ist selbstverständlich ok. Er ist schließlich einer der Geschäftsführer der Stadtwerke, des Mutterkonzerns, karrieremäßig aufgewachsen in der Wien Energie. Seine Stellvertreterin ist Renate Niklas, und das ist bemerkenswert. Die ehemalige Personalchefin der Wiener Linien (Stadtwerke) ist die Chefin über die Bestattung und Friedhöfe GmbH, die ebenfalls zu den Stadtwerken gehört. Ihr Aufsichtsrats-Vorsitzender wiederum ist, erraten, Peter Weinelt.
Weitere Kapitalvertreter sind Christian Gantner, Chef der städtischen ebs Kläranlage. Johannes Jungbauer, ehemals Mitarbeiter für Public Affairs bei der Wien Energie, heute Referent der Stadt. Doris Pulker-Rohrhofer, Geschäftsführerin des Wiener Hafens, der zur Wien Holding gehört, dem zweiten großen Konzern der Stadt, ebenfalls eine GmbH. Der Energieplaner der MA 20, Bernd Vogl. Doris Wendler, Vorständin der Wiener Städtischen, auch Aufsichtsrätin der Wien Holding, gilt als SPÖ-nahe.
Dieser Aufsichtsrat entspreche keiner aktuellen Corporate Governance, meint die Unternehmensrechtlerin Susanne Kalss (WU Wien). Sie plädiert für „mindestens zwei bis drei Unabhängige, die Wien Energie braucht natürlich auch Marktkenner aus dem Energie- und dem Handelsgeschäft. Der Aufsichtsrat soll die Geschäftsführung ja kritisch-konstruktiv begleiten“. Etwa Stresstests und Risikomanagement hinterfragen. Erst der Bund setzte jetzt den deutschen Energie-Experten Joachim Rumstadt hinein.
Aufsichtratschef des Mutterkonzerns Stadtwerke ist Dietmar Griebler, neuer Magistratsdirektor. Seine Vize kommt aus der Wirtschaftskammer Wien, Abteilungsleiterin Andrea Faast. Sieht auf den ersten Blick unabhängig aus, wäre da nicht die Nähe zwischen dem schwarzen Kammer-Chef Walter Ruck und Bürgermeister Michael Ludwig. Dass jetzt zwei Abgeordnete des ÖVP-Wirtschaftsbundes bei der Gemeinderatsabstimmung zu Ludwigs Alleingang über die 1,4 Milliarden für die Wien Energie fehlten, war kein Zufall.
Die AK ist mit Thomas Ritt, Konsumentenpolitik und Wohnen, vertreten.
Die ehemalige EY-Geschäftsführerin Elfriede Baumann sitzt außerdem in den Aufsichtsräten der ÖBB Holding und der Rail Cargo. Sie gilt als SPÖ-nahe und wurde von der Partei für die Nachfolge von Rechnungshof-Chef Josef Moser nominiert. Zweiter Wirtschaftsprüfer im Gremium ist Andreas Staribacher, Ex-SPÖ-Finanzminister.
Weiters wären noch Jutta Löffler, Rathaus-Managerin und Vize-Büroleiterin von Finanzstadtrat Peter Hanke. Christoph Maschek folgte mit Anfang Juli Griebler als Finanzchef im Rathaus. Die ehemalige Anwältin und Geschäftsführerin der Vamed, Karin Rest, war die Vertraute von Ex-Stadträtin Renate Brauner, die sie als Vorsitzende in die Wien Holding und den Flughafen beförderte.
Peter Doralt, der Elder Statesman unter den Gesellschaftsrechtlern, will die fachliche Qualität der Aufsichtsräte nicht beurteilen, hält es aber für „gesünder, wenn mehr Externe vertreten wären. Diese Nähe schafft eine gewisse Abhängigkeit, die bei Konfliktfällen nicht ideal ist“. Fritz spricht von „Schönwetter-Besetzungen“.
Stadtrat Hanke wollte sich auf die Anfrage des KURIER nicht persönlich äußern. Sein Sprecher erklärt dazu: „Der Aufsichtsrat der Stadtwerke ist fachlich ausgewogen besetzt – siehe zum Beispiel: WKW, AK, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberaterin mit Schwerpunkt Energie“.
„Versuchung“
Doralt war selbst neun Jahre im Aufsichtsrat der Wien Energie, er begleitete im Auftrag der damaligen SPÖ-Stadträtin Brigitte Ederer die Ausgliederung der Stadtwerke. Diese waren eine Abteilung des Rathauses, der Gemeinderat hatte die Tarifhoheit und setzte den Strompreis fest. Das wäre in einem von der EU liberalisierten Energiemarkt nicht länger möglich gewesen. Doralt empfahl damals die Gesellschaftsform einer AG, „aus Unabhängigkeitsgründen“.
Seit 2018 ist der Konzern mit knapp 15.400 Mitarbeitern und 4,3 Umsatzmilliarden allerdings eine GmbH, die SPÖ beschloss die Umwandlung, die Opposition tobte. Zuständig war Uli Sima. „Die Versuchung, politischen Einfluss zu nehmen, ist natürlich wesentlich größer“, konstatiert Doralt. Im Gegensatz zu einer AG sind GmbH-Geschäftsführer weisungsgebunden. Heißt, der Stadtrat kann direkt zum Telefon greifen und anordnen. Was bei einer Aktiengesellschaft so nicht funktioniert, deren Vorstände sind wesentlich freier. Derzeit sei keine Umstrukturierung geplant, sagt dazu der Hanke-Sprecher.
Dass auch Wien Energie trotz beachtlicher Größe eine GmbH ist, stört Doralt nicht, da es sich um eine Konzerntochter handle. Fritz dagegen meint: „Wenn ich nicht kontrolliert werden und alle politischen Freiheiten haben will, dann bin ich in der GmbH zu Hause, aber nicht in der AG“. "Unternehmen dieser Größenordnung sind als GmbH nicht fürhbar", meint dazu ein Top-Manager aus der Privatwirtschaft.
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