Der röstfrische Kaffee im Supermarkt, die Sommerreifen beim Autohändler, die T-Shirts im günstigen Dreierpack beim Diskonter: Bis Produkte wie diese bei den Konsumenten in der EU landen, sind sie durch viele Hände gegangen.
Waren diese Hände Kinderhände in einer Textilfabrik in Südostasien, oder auf einer Kaffeeplantage in Lateinamerika? Wurden jene, die mit diesen Händen anpackten, fair bezahlt, oder hatten sie zuvor Regenwald abgeholzt, oder sogar Menschen vertrieben?
➤ Leitartikel: Lieferkettengesetz legt Unternehmen an die Ketten
Lieferanten weltweit
Heikle und oft schwer beantwortbare Fragen, die sich Europas Unternehmen aber in Zukunft stellen sollten. Ihnen sollte das geplante EU-Lieferkettengesetz die Verantwortung für Umweltschutz, Arbeitsrecht und Menschenrechte aufbürden: Bei all ihren Lieferanten weltweit – und bei den Lieferanten der Lieferanten, bis hin zu den Rohstoffen ihrer Produkte.
"Bürokratische Lawine"
„Gut gemeint, aber nicht umsetzbar“, „bürokratische Lawine“: So warnten auch die Vertreter der heimischen Industrie vor dem EU-Gesetzesprojekt, das aber in Brüssel längst als beschlossene Sache galt. Jetzt aber könnte aus Deutschland im letzten Moment doch das Aus für das Lieferkettengesetz kommen. Das zumindest berichten führende deutsche Medien wie das Handelsblatt, oder die FAZ.
Blockade in Berlin
Im Dezember hatten sich die EU und ihre Mitgliedstaaten auf das Gesetz geeinigt. Viele der heftig umstrittenen Details aber waren offen geblieben und wurden seither weiter verhandelt – und zwar zwischen Brüssel und den jeweiligen Hauptstädten, allen voran Berlin. Denn ausgerechnet dort wurde der politische Widerstand immer stärker. Die liberale FDP, die von Anfang an gegen das Gesetz gewettert hatte, hat ihren Widerstand in der Regierung zuletzt zur Blockade ausgebaut.
"Für Unternehmen nicht tragbar"
Das Gesetz sei für Deutschlands Unternehmen nicht tragbar und würde diesen im globalen Wettbewerb schaden: „ „Am Ende wären die einzigen Gewinner dieses Gesetzes Länder wie China, Russland oder Indien.“
Noch hat sich die Ampelkoalition unter SPD-Kanzler Olaf Scholz offiziell nicht entschieden. Doch zwei Wochen vor der entscheidenden Abstimmung im EU-Rat im Februar sieht es politischen Beobachtern zufolge danach aus, dass sich Deutschland seiner Stimme enthält. Das würde zwar die notwendige Mehrheit noch nicht zu Fall bringen, aber andere EU-Staaten würden sich an der deutschen Haltung orientieren, etwa Österreich, oder Italien.
"Bürokratiemonster"
Kommt es dazu, wäre eines der ehrgeizigsten Gesetzesprojekte der EU in den vergangenen Jahren zumindest vorerst gescheitert. Weitere Verhandlungen müssten folgen. Da aber Belgien, das derzeit den EU-Vorsitz hat, die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken will, werden die wohl auf die lange Bank geschoben.
"Praxistauglicherer Ansatz"
Es brauche ohnehin einen „wesentlich praxistauglicheren Ansatz“, teilt Karlheinz Kopf von der Wirtschaftskammer die Bedenken, „für die Unternehmen ein massiver bürokratischer Mehraufwand“. Vor einem „Bürokratiemonster“, warnt auch Christoph Neumayer von der Industriellenvereinigung. Er sieht „unerfüllbare Informations- und Prüflasten“ für die Unternehmen. und „Europa würde so gerade in zukunftsweisenden Sektoren zunehmend ausgebremst“.
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