Erste-Bank-Chefin: "Bitcoins sind extrem spekulativ und nicht nachhaltig"
Erste-Bank-Chefin Holzinger-Burgstaller über Geldanlage und Wege aus der Krise. Mit einem Ende der Krise rechnet sie noch heuer.
KURIER: Besitzen Sie Bitcoin?
Gerda Holzinger-Burgstaller:
Nein. Übrigens: Bitcoin und Co. sind Krypto-Assets. Das sind keine Währungen.
Investiert die Erste in Krypto-Assets?
Nein. Wir sind da extrem zurückhaltend. Ich sehe das auch nicht für die Zukunft. Allein aus Gründen des Nachhaltigkeitsgedankens. Das Mining, also die Erzeugung dieser Kryptos, verbraucht extrem viel Strom. Dazu kommt, dass Mining über die ganze Welt verstreut stattfindet. Aber man weiß nicht, wer das macht. Das heißt: Es ist alles sehr intransparent. Und es ist ein extrem breites Feld. Es gibt ja schon Tausende Krypto-Assets.
Bitcoin steigt und steigt …
Ja. Aber Krypto-Assets sind extrem spekulativ. Jeder, der in solche Assets investiert, muss bereit sein, einen Totalverlust in Kauf zu nehmen. Dieses Risiko muss man klar kommunizieren.
Und wenn ein Kunde danach fragt?
Eine Anlageberatung zu Krypto-Assets bieten wir derzeit nicht an. Wir sehen das auch nicht als Massenphänomen. Die überwiegende Mehrheit unserer Kunden setzt auf Sicherheit. Kryptos sind nur für sehr risikofreudige Menschen.
Sind Kryptos nicht auch Verbrecherwährungen?
Wie zuletzt im EU-Parlament diskutiert wurde, scheinen laut diversen Studien speziell bei Bitcoin die Hälfte aller Transaktionen keinen legalen Hintergrund zu haben.
Im Internet diskutieren Krypotfans aber ernsthaft darüber, ob Bitcoin nicht einmal eine Art neuer Goldstandard werden könnte?
Warum bei tausenden Kryptoassets ausgerechnet eine das werden sollte, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber noch einmal: Das sind neue hochspekulative Assets. Nicht mehr, nicht weniger.
Zur realen Welt: Die Europäische Zentralbank rechnet mit steigender Inflation. Die Zinsen bleiben aber tief. Was heißt das für Sparer?
Ich glaube nicht, dass wir langfristig eine sehr hohe Inflation sehen werden. Die Bankkunden haben allerdings das Problem, dass sie beim Sparen nachhaltig keine gute Rendite erzielen können; egal ob die Inflationsrate 1,2 oder 1,5 Prozent beträgt. Man muss sich sehr genau überlegen, welche Produkte es für den Vermögensaufbau gibt. Das Sparbuch ist das sicher nicht.
Was empfehlen Sie konkret?
Wir werden das derzeitige Zinsniveau noch lange sehen. Daher nicht die Gelder am Konto oder Sparbuch liegen lassen. Sondern sie veranlagen. Je nach Risikotyp sollte man in Fondsprodukte gehen, um das Risiko zu streuen. Mit dem Fondssparen kann man auch kleine Beträge laufend in Fondsprodukte investieren. Das reduziert auch die Abhängigkeit vom richtigen Einstiegszeitpunkt.
Sie verrechnen seit geraumer Zeit Unternehmern Negativzinsen. Warum?
Diese sogenannte Verwahrgebühr gibt es mittlerweile fast in der gesamten Eurozone. Wir haben da sehr spät nachgezogen. Aber wir haben nun einmal eine Kostenbelastung durch die Überliquidität. Das ist ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag im Jahr alleine für die Erste Bank. Aber bei Privatkunden achten wir immer darauf, dass man bei Sparprodukten etwas verdient, auch wenn es ganz kleine Beträge sind.
Die Direktbank ING zieht sich aus Österreich zurück. Interesse, deren Kunden zu übernehmen?
Was wir in der Analyse gesehen haben, ist, dass die ING für sehr viele Kunden eine Zweitbank ist. Die Hausbank ist also woanders. Ich gehe davon aus, dass sich diese Einlagen entsprechend den Marktanteilen wieder verteilen werden.
Verliert die Erste eigentlich Kunden an Digitalbanken?
Kaum. Wir haben trotz Krise im vergangenen Jahr 70.000 neue Kunden gewonnen und stehen als Erste Bank jetzt erstmals bei rund einer Million. Wir wissen, wenn Kunden eine Bank wechseln wollen, landen sie sehr oft bei uns. Unterm Strich gewinnen wir weit mehr neue Kunden als wir verlieren.
Zur Krise: Wie viel Prozent Ihres Kreditportfolios schreiben Sie ab?
Wir sind in der Erste Bank bei einer Rate von 1,6 Prozent an Not leidenden Krediten im Portfolio. Das ist eine sehr gute Ausgangslage für das, was noch auf uns zukommt. Wir haben vor allem in jenen Branchen vorgesorgt, wo es eine spezielle Abhängigkeit von Corona gibt. Also Gastronomie, Tourismus und Dienstleistung. Industrie und Bauwirtschaft sind ja relativ gut durch 2020 gekommen.
Wie groß sind in Bezug auf den Tourismus Ihre Sorgen?
Da die Erste Bank im Osten Österreichs tätig ist, sind wir nicht so tourismusabhängig wie vielleicht Banken im Westen. Wir haben Stundungen und Überbrückungskredite gewährt und sind zuversichtlich, dass – unter der Annahme einer guten Sommersaison – wir sehr gut aus der Krise kommen.
Und falls es keine gute Sommersaison gibt?
Wir müssen natürlich alle Szenarien beleuchten. Momentan ist es so, dass mit den großzügigen Hilfen die meisten Unternehmen gut dastehen. Falls die Krise noch länger anhält, lautet das Thema Eigenkapitalstärkung. Vielleicht kombiniert mit steuerlichen Anreizen, weil Eigen- und Fremdkapital noch immer unterschiedlich besteuert werden. Vielleicht gelingt es uns, einen kleinen Anteil der Volumina, die auf Giro- und Sparkonten liegen, dafür nutzbar zu machen. Dann überstehen wir auch eine schlechte Sommersaison.
Sagen Sie: Wann ist die Krise vorbei?
Ich bin zuversichtlich, dass wir noch heuer einen Aufschwung sehen werden. Vor einem Jahr hätte keiner geglaubt, dass wir in Europa Mitte März vier zugelassene Impfstoffe haben.
Nur gibt es halt bisher zu wenig davon.
Natürlich hätte einiges besser laufen können. Aber ich denke, im zweiten Quartal wird die Durchimpfung beschleunigt werden. Wenn die Wirtschaft dann auch wieder eine Perspektive hat, nach der sie planen kann, wird es rasch besser werden.
Versucht die Erste so wie Palfinger Impfstoffe am freien Markt zu besorgen?
Nein. Wir folgen dem nationalen Impfplan. Im zweiten Quartal dürften unsere Beschäftigten hoffentlich an der Reihe sein.
Was machen Sie mit Mitarbeitern, die sich nicht impfen lassen?
Wir setzen zunächst einmal auf Aufklärung. Eine Impfpflicht kann und wird es natürlich nicht geben. Und ich denke, dass wir eine überwiegende Mehrheit davon überzeugen können, sich impfen zu lassen.
Und Sie?
Wenn ich an der Reihe bin, nehme ich dann gerne jeden Impfstoff, den ich erhalten kann.
Erste Bank errichtet virtuelle Großfiliale
Am Wiener Erste-Campus nahe dem Hauptbahnhof entsteht gerade die erste virtuelle Großfiliale des Instituts. Das Ziel: Rasche und unkomplizierte virtuelle Beratung für Privat- und Geschäftskunden. „Und zwar auf einem sehr hohen technischen Niveau“, wie Vorstandsvorsitzende Gerda Holzinger-Burgstaller sagt.
Wegen Corona habe man bereits im Vorjahr die digitale Beratung verstärkt, so die Erste-Chefin. „Wir haben speziell bei Kleinstunternehmern festgestellt, dass sie gerne virtuell mit uns kommunizieren, wie etwa per Video. Es gibt sicher noch viel mehr Kunden, die unser digitales Angebot annehmen werden.“ Viele Menschen würden heute ihre Bankgeschäfte ja am Tagesrand erledigen und möchten sich obendrein den Weg in eine Filiale ersparen. Deshalb werde die digitale Filiale auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten „on air“ sein. „Da werden wir uns nach den Bedürfnissen der Kunden richten“, sagt Holzinger-Burgstaller.
Ob das rund um die Uhr erforderlich sein wird, bezweifelt sie. Am Wiener Graben im ersten Bezirk, hatte die Erste-Filiale vor dem jetzigen Umbau auch am Samstag offen. „Wir dachten zunächst, dass es da einen richtigen Run geben wird. Aber generell hat sich gezeigt, dass Samstagsöffnungszeiten bei Banken nicht so stark angenommen werden.“
Schulungen Der Start für die digitale Großfiliale ist für Sommer geplant. Die bis zu 70 Mitarbeiter der Remotefiliale, darunter auch Lehrlinge, die noch gesucht werden, werden bereits intensiv auf ihre neue Rolle und die spezielle Beratung geschult.
Generell ist das Institut immer auf der Suche nach neuen Hightech-Fachkräften. Schließlich will man auch die Features im Online-Banking (Stichwort „George“) erweitern. „Dort wird es sicher einen Aufbau an Mitarbeitern brauchen“, sagt Holzinger-Burgstaller.
In anderen Bereichen werde es hingegen weniger Arbeit geben. „Wir versuchen oft innerhalb des Hauses umzuschichten. Wir haben 2020 in der Erste Bank Group in Österreich 860 Stellen besetzt. Das ist etwas weniger als in den Vorjahren und unterm Strich eine leichte Reduktion an Stellen.“
Ein großes umfassendes Sparpaket wegen der Corona-Krise wird es laut Holzinger-Burgstaller aber nicht geben. Und bei allem Trend Richtung Digitalisierung werde es auch die klassische Filiale immer geben, wie die Erste-Chefin betont. Deren Anzahl werde freilich der Kunde bestimmen. „Da und dort wird es in Zukunft wohl zu Schließungen kommen.“
Gerda Holzinger-Burgstaller
ist seit 1. Jänner 2021 Vorstandschefin der österreichischen Erste Bank. Die Absolventin der Wirtschaftsuni Wien war davor bereits fast zwei Jahrzehnte lang in der Finanzbranche tätig, davon 14 Jahre bei der Ersten, wo sie ab 2011 leitende Positionen innehatte.
Erste Bank
ist das Leitinstitut der „Österreichischen Sparkassengruppe“. Sie zählt rund 15.000 Mitarbeiter und vier Millionen Kunden – davon allein die Erste eine Million.
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