"Bessere Abdeckung als Österreich"
Um zu erklären, warum Staaten wie El Salvador sich zu diesem Schritt entschlossen haben, muss man ausholen. Johannes Grill, Präsident von Bitcoin Austria, war einige Monate nach der Einführung des Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel im mittelamerikanischen El Salvador. Dass hier die Internetverbindung zu wenig stabil und die Bevölkerung zu wenig technologieaffin ist, kann Grill nicht bestätigen. "El Salvador hat wahrscheinlich eine bessere Internetabdeckung als Österreich." Für wenige Dollar bekäme man dort eine Simkarte mit Internet-Paket.
Chivo-Wallet
Gezahlt wird in El Salvador über die staatliche Chivo-Wallet, erklärt Grill. Bei den ATMs, also Geldautomaten, könnten auch mit dem Bitcoin-Wallet Dollars behoben werden. "Es gibt dort die komplette Infrastruktur. Die Menschen können zwischen Bitcoin und US-Dollar hin- und herswitchen."
Die Ansicht, dass das Bitcoin-Projekt in El Salvador gescheitert sei, kann er nicht nachvollziehen. "Warum soll es gescheitert sein? Weil nicht jeder Straßenhändler Bitcoinzahlung anbietet?" Die meisten Einwohnerinnen und Einwohner von El Salvador hätten die staatliche Chivo-App, zum Start hätte es dafür einen Bonus gegeben. Ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts würde von der Bevölkerung El Salvadors generiert, die im Ausland lebt und Geld nach Hause schickt, so der Krypto-Experte.
"Win-Win-Situation"
Diese würden sich die Gebühren bei herkömmlichen Anbietern von Auslandszahlungen ersparen. Ein Staat, der sowieso keine eigene Währung hat, könne aus der Währung auch keine Vorteile ziehen. "Wenn El Salvador neue Staatsanleihen ausgeben will oder einen Kredit braucht, dann müssen die vom freien Markt, anderen Staaten, fremden Zentralbanken gekauft werden. Und außerdem: Wer borgt einem quasi Entwicklungsland Geld? Diese verlieren nichts, es ist eine Win-Win-Situation", sagt Grill.
In Österreich ist es auf absehbare Zeit unrealistisch, dass Bitcoin offizielles Zahlungsmittel wird. Zum einen, weil innerhalb der Eurozone als einziges Zahlungsmittel der Euro akzeptiert wird. Zum anderen, weil Österreich erst im Zuge der ökosoziale Steuerreform definiert, dass Bitcoin als Anlageobjekt und weniger als Zahlungsmittel angesehen wird. Seither wird Bitcoin mit 27,5 Prozent besteuert.
"Westliche Naivität"
Auch Katharina Gehra, Chefin und Co-Gründerin des Blockchain-Analyseunternehmens Immutable Insigths, sieht große Zukunft für den Bitcoin als Zahlungsmittel. Dass es nach wie vor überrascht, wenn Staaten wie die Zentralafrikanische Republik Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel akzeptieren, könne eigentlich nur mit „westlicher Naivität“ erklärt werden, sagt Gehra. Denn: Von der Weltbevölkerung, die 7,9 Milliarden Menschen ausmacht, würden rund 600 Millionen Menschen in einer Region leben, in der die Währung ein Triple-A-Rating hat. "Das bedeutet, dass über 7 Milliarden Menschen nicht in eine Region mit Triple-A-Währung hineingeboren wurden. Und das bedeutet auch: Sie haben Währungen, in denen es wahnsinnig teuer ist, in eine andere Währung wie den Dollar zu wechseln."
Denn diese Menschen seien in den jeweiligen Währungen immer "die Nehmer des Wechselkurses", ist sie sich sicher, und: "Wir projizieren aus unserer soziologischen Abhängigkeit heraus, dass unser System die Norm für den Rest der Welt ist." Die Blockchain-Technologie umgehe diese strukturellen Ungleichheiten im globalen Wirtschaftssystem. "Für benachteiligte Staaten darin ist es „cleverer, weil wirtschaftlich vorteilhafter", auf Bitcoin zu setzen – und das ja nicht exklusiv, sondern zu einer bestehenden Währung. Es werden also wohl weitere Staaten diesen Schritt gehen, so ihre Vermutung.
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