Krieg als „Katalysator“ für die Blockchain-Technologie
Kryptos. Für die einen ist es die Zukunft, für die anderen ein schwer zu fassendes Thema, wieder andere sehen in dezentralem Geld Gefahr. Fix ist: An dem Thema kommt man momentan schwer vorbei, allein der Ukraine-Krieg hat die Kryptos wieder in aller Munde gebracht, auch der Laien.
Der Krieg in der Ukraine hat laut Katharina Gehra, Chefin und Co-Gründerin bei Immutable Insight, in Bezug auf Kryptos vor allem eines bewirkt: Er war ein „Katalysator für die Blockchain-Technologie“, sagt sie zum KURIER. „Der Wert von global transferierbaren, 24 Stunden und 7 Tage die Woche verfügbaren Assets, die ich unabhängig von einer Bank oder von einem Depot bei einem Fondsverwalter zugreifen kann, hat eine ganz substanzielle Qualität“, sagt die Krypto-Expertin. „Die hat kein anderes Asset in dem Maße. Nicht einmal Gold! Fragen Sie die fliehenden Ukrainer, wie viel Gold sie bei sich hatten.“
Dabei ginge es keinesfalls um Verschwörungstheorien, sondern eine nüchterne Erkenntnis: „Wenn ich morgen fliehen muss, was hilft mir in einer solchen Situation noch?“ Diese habe auch das Geschäft ihres Unternehmens Immutable Insight angekurbelt, ein Blockchain-Analyseunternehmen, das auch Wertpapier-Produkte anbietet.
An Kryptos kommt man nicht vorbei
Aktuell überlegen mehrere afrikanische Staaten, Bitcoin als Zahlungsmittel einzuführen. Die Zentralrepublik in Südafrika ist bereits schon so weit, der Präsident hat erst diese Woche ein entsprechendes Gesetz unterzeichnet. El Salvador in Zentralamerika hat diesen Schritt bereits gesetzt. Dass das nach wie vor überrascht, könne eigentlich nur mit „westlicher Naivität“ erklärt werden, sagt Gehra. Denn: Von der Weltbevölkerung, die 7,9 Milliarden Menschen ausmacht, leben rund 600 Millionen Menschen in einer Region, in der die Währung ein Triple-A-Rating hat. „Das bedeutet, dass über 7 Milliarden Menschen nicht in eine Region mit Triple-A-Währung hineingeboren wurden. Und das bedeutet auch: Sie haben Währungen, in denen es wahnsinnig teuer ist, in eine andere Währung wie den Dollar zu wechseln.“
Denn diese Menschen seien in den jeweiligen Währungen immer „die Nehmer des Wechselkurses. Sie verlieren immer am Spread, während andere gewinnen. Wir sind per definitionem die White Privileged in diesem System.“ Die Blockchain-Technologie umgehe diese strukturellen Ungleichheiten im globalen Wirtschaftssystem. „Für benachteiligte Staaten darin ist es „cleverer, weil wirtschaftlich vorteilhafter“, auf Bitcoin zu setzen – und das ja auch nicht exklusiv, sondern zusätzlich zu einer bestehenden Währung. Es werden also wohl weitere Staaten diesen Schritt gehen.
„Es ist die dümmste Idee, auf einer Blockchain Geld zu waschen.“
Gängige Vorurteile über Kryptos halten sich hartnäckig, etwa, dass sie anfällig für Kriminalität und allgemein unsicher sind. Ein Vorurteil, dass Gehra gleich vom Tisch wischt: „Es ist die dümmste Idee, auf einer Blockchain Geld zu waschen.“ Zwar habe es in der Vergangenheit tatsächlich betrügerische Aktivitäten gegeben, für die etwa Bitcoin benutzt wurde. Das ging aber deutlich zurück, sagt Gehra – heute würden rund 0,35 Prozent aller Transaktionen als betrügerisch deklariert. Dem stünde gegenüber, dass nach wie vor 2,2 bis 2,5 Prozent des Bruttoweltprodukts gewaschen würde.
„Deswegen ist die Anfälligkeit für Kriminalität ein gern genommenes Mythos.“ Warum sich das Vorurteil hartnäckig hält? Weil es von den bestehenden Systemen geschürt werde, sagt Gehra. Und zwar unter anderem von denen, die keine Konkurrenz haben wollen. Regionale Händler hätten ja auch nicht gewollt, dass Amazon groß wird. Und was, wenn man sich jetzt intensiver mit Kryptos als potenziellem Anlageobjekt auseinandersetzen will?
Tipps für Krypto-Neulinge
Für alle Neulinge in der Krypto-Welt empfiehlt Gehra „wie bei allen anderen Anlagethemen auch“ sich entweder selbst sehr intensiv mit der Materie zu beschäftigen und Wissen anzueignen oder Expertinnen und Experten das Veranlagen zu überlassen. Sie rät zu breiter Diversifikation und im Speziellen bei Kryptos da sein Geld anzulegen, wo „man in Infrastruktur investiert und die Marktpreisrisiken abgesichert werden“. Sie selbst habe ihr privates Geld zu einem Großteil in Sustainliquid angelegt.
Ein Minimum an Geld, das es fürs Investieren in Kryptos braucht, gibt es mittlerweile so gut wie nicht mehr, sagt Gehra. „Unser Produkt oder auch andere sind ab 25 Euro pro Monat sparplanfähig. Es gibt praktisch keine Untergrenze mehr.“
Die Zukunft der Krypto-Welt
Was 2022 für die Krypto-Welt bereithält, fasst Ben Dean vom ETF und ETP-Anbieter Wisdom Tree zusammen: „Unseren Erwartungen zufolge wird 2022 ein spannendes Jahr im Kryptobereich. Hohe Mittelzuflüsse im Jahr 2021 sollten den Weg zu einem vielfältigeren und vor allem auch ausgereifteren Ökosystem ebnen. Trendbereiche wie Non-Fungible Tokens (NFTs), Metaverse und Gaming werden voraussichtlich sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“ Regulierung und institutionelle Anwendungen seien zwei Faktoren, die das Jahr „zum Erfolg oder Misserfolg für die Krypto-Welt“ machen könnten, sagt Dean.
Begriffe aus der Krypto-Welt
Bitcoin: Der Bitcoin ist die älteste und bekannteste Kryptowährung, weitere bekannte sind etwa Dogecoin und Ether.
Sustainliquid: Ein börsengehandeltes Wertpapier des Start-ups Immutable Insight, ein ETI, mit dem in die Infrastruktur der Blockchains investiert wird, laut eigenen Angaben ökologisch und technologisch abgesichert. Dabei soll es im Vergleich zu Direkt-
investitionen in Kryptowährungen ein geringeres Anlagerisiko geben.
Blockchain: Das System hinter Kryptowährungen, eine dezentrale Datenbank.
Zur Person Katharina Gehra
Die 38-Jährige hat VWL studiert, war u.a. Vorstandsreferentin bei der Commerzbank und CEO von Interritus Limited. Sie ist Aufsichtsratsmitglied bei der Fürstlich Castell’schen Bank und war Aufsichtsrätin bei der Kommunalkredit Austria. Der Finanzausschuss im deutschen Bundestag hat sie als Blockchain-Expertin angehört.
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