Digitalisierung bitte warten: Neue IT-Probleme beim AMS
Beim Arbeitsmarktservice (AMS) wachsen sich die seit Jahren latenten IT-Probleme zur Großbaustelle aus. Eine Großbaustelle, die die dringend benötigte Digitalisierung der österreichischen Arbeitslosenverwaltung womöglich auf Jahre hinaus verzögern dürfte.
Nachdem die Datenschutzbehörde kürzlich den umstrittenen AMS-Algorithmus – offiziell Arbeitsmarktchancen-Assistenzsystem – untersagte, gibt es einen weiteren Rückschlag beim Aufbau einer modernen IT-Infrastruktur.
Wie der KURIER erfuhr, liegt die Implementierung eines völlig neuen Datenanalysesystems (Business-Intelligence-Lösung) zur zeitnahen Auswertung und Verarbeitung sämtlicher Arbeitslosendaten auf Eis. Das AMS hat das im Vorjahr beim Bundesrechenzentrum (BRZ) in Auftrag gegebene Projekt schon nach Phase 1 wieder gestoppt und das BRZ nicht mehr mit der Umsetzung der Phase 2 beauftragt.
Zu komplex
Der Grund: Das BRZ war aufgrund der Komplexität nicht in der Lage, das seit 20 Jahren bestehende alte System durch ein komplett neues zu ersetzen und zog sich damit den Ärger der AMS-IT-Verantwortlichen zu. Statt der ursprünglich vorgesehenen Umsetzungszeit bis Mai 2021 stellte das BRZ nun plötzlich ein Projektende erst bis Jänner 2024 in Aussicht.
Damit ginge das neue System, das eine noch aktuellere, automatisierte Dokumentation aller relevanten Arbeitsmarktdaten ermöglicht, fast drei Jahre später als geplant in Betrieb. Das AMS zog daher kurzerhand die Reißleine und sieht das Vertrauen ins BRZ nicht mehr gegeben.
"Das AMS hat entschieden, vor Beauftragung der Phase 2 eine fundierte Evaluierung und Analyse der bisher erarbeiteten Ergebnisse und der geplanten weiteren Vorgehensweise, Architektur und Zeitpläne durchzuführen", heißt es dazu auf Anfrage des KURIER. Bis Jänner 2021 will man sich dafür Zeit lassen, eine endgültige Entscheidung darüber könnte aber erst im Juli 2021 fallen.
IBM bleibt im Spiel
Überlegt werden mehrere Szenarien: Um eine Neuausschreibung zu vermeiden, die das Projekt ebenso um zwei bis drei Jahre verzögern dürfte, soll der in Ungnade gefallene IT-Outsourcing-Partner IBM weiterhin mit dem Betrieb des alten Systems, konkret des Data Warehouse, betraut werden. Auch die Beauftragung eines völlig neuen IT-Dienstleisters wird erwogen. Letztlich könnte das bestehende System so lange wie möglich selbst weiterbetrieben und nach und nach erweitert werden.
Am grundsätzlichen, schrittweisen Wechsel des IT-Dienstleisters von IBM zum BRZ wollen beide Partner trotz des gestoppten Projekts weiter festhalten, wird betont. Der gesamte, jetzt stockende Umstellungsprozess umfasst immerhin mehr als ein Dutzend Projekte.
"Wir sind in gutem Einvernehmen mit dem AMS", sagt BRZ-Sprecherin Daniela Feuersinger. Sie verweist auf Corona-bedingte Kapazitätsprobleme, die zu den Projekt-Verzögerungen geführt hätten.
Das Budget für die IT-Übergangsphase ist ob der Verzögerungen wohl nicht mehr zu halten. Phase 1 des Business-Intelligence-Projektes schlug bisher mit 15 Millionen Euro zu Buche. Für die Phase 2 wurden weitere 28 Mio. Euro veranschlagt.
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