Deutschland schwächelt: Jetzt kommen zehn magere Jahre

Jörg Krämer, Chefvolkswirt und Bereichsvorstand der Commerzbank AG
Hausgemachte Probleme seien mitverantwortlich, dass Österreichs Top-Handelspartner zurückgefallen ist, sagt Commerzbank-Ökonom Jörg Krämer.

Bisweilen verlässt Gesprächspartner bei Interviews die Courage, sie schwächen ihre Aussagen ab. Nicht so Jörg Krämer: Der Chefökonom der deutschen Commerzbank formuliert gern auf den Punkt.

KURIER: Muss man sich Sorgen um Deutschlands Wirtschaft machen?

Jörg Krämer: Ja, schon. Weniger wegen der aktuellen Konjunktur – die wird sich wieder fangen, wenn das Coronavirus ausgeschwitzt ist. Ich sorge mich, weil die deutsche Industrieproduktion seit zwei Jahren schlechter läuft als im Rest des Euroraums. Die Erosion an Wettbewerbsfähigkeit in den zurückliegenden zehn Jahren rächt sich nun.

Worin ist Deutschland denn zurückgefallen? Bei den Lohnstückkosten?

Nicht nur. Die Straßen, Schienen und Wasserwege haben an Qualität eingebüßt, die digitale Infrastruktur ist ungenügend. Arbeitsmarktreformen wurden zurückgerollt. Die Bürokratie hat zugenommen. Bei den Stromkosten haben wir die Dänen als Europameister abgelöst. Die Steuern auf Gewinne lagen vor zehn Jahren im Mittelfeld, jetzt sind wir in der Spitzengruppe. Deutschlands Standortqualität ist EU-weit am stärksten zurückgefallen, weil viele, insbesondere die Osteuropäer und Balten, viel mehr getan haben als wir.

Probleme der Autoindustrie, Klimakosten, US-Strafzölle, Coronavirus haben Sie noch gar nicht erwähnt. Braut sich da ein Sturm zusammen?

Die deutsche Wirtschaft schaut auf zehn sehr, sehr gute Jahre zurück. Das hat aber zu viel Selbstzufriedenheit geführt. Die kommenden zehn Jahre werden schwierig – wegen der hausgemachten Probleme und Gegenwind in Form von Protektionismus.

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