KV-Verhandlungen: So ist der Stand in den einzelnen Branchen
Dass es ein heißer Herbst bei den Kollektivvertragsverhandlungen wird, das hat sich angesichts der seit Monaten hohen Inflation schon länger abgezeichnet. Wie heiß der Herbst tatsächlich ist, zeigt sich spätestens heute: Seit 00:00 streiken die Eisenbahner in Österreich, ein Großteil der Zugverbindungen - darunter jene der ÖBB - stehen im ganzen Land still.
Der KURIER hat sich angesehen, wie weit man bei den KV-Verhandlungen in den einzelnen Branchen ist.
Metaller
71 Stunden an Verhandlungen benötigten danach die traditionell richtungsweisenden Metaller, bis am 14. November alle Teilbereiche dem Abschluss der metalltechnischen Industrie (rund 135.000 von 200.000 Beschäftigten) zugestimmt hatten. Der Mindestlohn steigt um 7 Prozent auf 2.236 Euro, die Ist-Löhne um 7,4 Prozent. Einmalzahlungen spielten keine Rolle, obwohl sie bis 3.000 Euro steuerfrei wären. Kostenpunkt allein bei den Metall-Technikern: Bis zu 700 Millionen Euro.
Handel
Hier wird für den 2. und 3. Dezember mit Streik gedroht, sollte am kommenden Dienstag nicht doch noch eine Einigung erzielt werden. Eine Streikfreigabe hat sich die Gewerkschaft bereits vom ÖGB geholt. Es geht um 415.000 Angestellte und 15.000 Lehrlinge. Die Gewerkschaftsvertreter verlangen 8,5 Prozent mit einem Mindestbetrag von 200 Euro, sodass niedrige Einkommen eine zweistellige Erhöhung bekommen. Im Schnitt würde das Gehaltsplus 9,37 Prozent betragen. Das ist den Arbeitgebern viel zu viel. Die Arbeitgeber schlagen eine steuerfreie Prämie vor, die den Beschäftigen großteils noch heuer ausbezahlt werden soll und bieten 5 Prozent Erhöhung auf die kollektivvertraglichen Mindestgehälter. Die Gewerkschaft lehnt Einmalzahlungen ab und will angesichts der hohen Inflation ordentliche Gehaltssprünge sehen.
Bahn
Am gestrigen Sonntag sind die Verhandlungen vorläufig gescheitert am heutigen Montag findet ein österreichweiter Warnstreik statt. Dieser dauert 24 Stunden an. Die Arbeitgeber hatten 8,4 Prozent Lohnplus geboten, das war den Arbeitnehmervertretern zu wenig.
Brauereien
Auch die Brauereimitarbeiter haben für Montag Warnstreiks angekündigt. Sie lehnen das jüngste Angebot der Arbeitgeber über 6,5 Prozent Gehaltserhöhung als zu niedrig ab. Dessen ungeachtet haben die Arbeitgeber ihren Mitgliedsbetrieben empfohlen, einseitig "freiwillig" die Löhne und Gehälter rückwirkend mit 1. Oktober um 6,5 Prozent erhöht als "akonto" auszuzahlen. Damit sollen "die Beschäftigten nicht noch länger auf eine Teuerungsabgeltung warten müssen".
Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 9. Dezember angekündigt.
Sozialwirtschaft
Bei den privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufen ist am 17. November nach einer Demo und Betriebsversammlungen eine Einigung gelungen. 130.000 Beschäftigte bekommen acht Prozent für alle beziehungsweise 10,2 Prozent mehr für die Bezieher niedriger Einkommen. Die 35-Stundenwoche konnte nicht durchgesetzt werden.
AUA
Der Gehaltsverzicht aus dem AUA-Sparpaket wurde weg verhandelt. Für das Bordpersonal gibt es eine Einigung, wonach die Beschäftigten in Kabine und Cockpit 10,4 Prozent drauf bekommen. Bei den kaufmännischen Angestellten wird zum 1.1.2023 das effektive Einkommen um acht Prozentpunkte angehoben. Ab 2024 werden die Gehaltstabellen zur Gänze aufgelöst und Ist-Gehälter um 7 % angehoben, ab 2025 um weitere 5,428 %. Lehrlinge bekommen mit 1.1.2023 durchschnittlich um 40 % mehr. Betriebsversammlungen gab es in Schwechat, Graz und Innsbruck beim Flughafen-Sicherheitspersonal, für Freitag ist eine solche am Flughafen Salzburg angekündigt.
Ordensspitäler
In sechs Wiener Ordensspitälern gab es am Mittwoch Warnstreiks. Die Arbeitnehmer wollen 500 Euro brutto drauf bzw. einen Mindestlohn von 2.000 brutto. Die Arbeitgeber wollen lieber sozial gestaffelte Einmalzahlungen. Eine Krankenpflegerin mit 10 Dienstjahren würde damit nur 53 Euro bekommen, wettert die Gewerkschaft.
Telekom
Bei der Telekom ist die Herbstlohnrunde noch voll im Gang. Die Arbeitnehmer wollen ein Gehaltsplus von 10,6 Prozent, wie das zunächst auch die Metaller gefordert hatten. 80 Prozent der 10.000 Beschäftigten sind zu einem Streik bereit. Zu diesem wird es möglicherweise kommen, wenn die heutige Verhandlungsrunde ergebnislos bleibt. Vier Verhandlungsrunden blieben bisher ohne Ergebnis.
Postbus
Beim Postbus will die Gewerkschaft sogar 11,65 Prozent sowie einen Sockelbetrag von 300 Euro. Das Arbeitgeber-Angebot von 7 Prozent sei „realitätsfremd“.
Reinigung
Hier stocken die Verhandlungen, die Arbeitnehmer wollen 2.000 Euro brutto als Mindestlohn, die Arbeitgeber sind nur zu 1.814 Euro bereit (ein Plus um 7,9 Prozent). Es geht hier um 55.000 großteils weibliche Beschäftigte bei einer Teilzeitquote von 70 Prozent.
Netto 2023: plus 4,4 Prozent
Wifo-Experte Benjamin Bittschi zieht trotz des kollektiven Krachs eine positive Zwischenbilanz. Er sagte zum KURIER: „Für uns Ökonomen ist entscheidend, dass trotz all des Säbelrasselns bei den Metallern, Beamten und in der Sozialwirtschaft Einigungen geglückt sind. Es gab meist eine soziale Komponente und die Abschlüsse lagen auch leicht über der zugrunde gelegten Inflation. Insofern funktioniert die Sozialpartnerschaft. 2023 werden die Netto-Löhne auch dank der staatlichen Hilfspakete und der Abgeltung für die kalte Progression um 4,4 Prozent steigen.“
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