B&C Holding: 400-Millionen-Euro-Krimi um Firmenübernahme
„Niemand braucht sich sicher zu fühlen, kein Täter wird ungeschoren davonkommen“. Wenn jemand wie Wolfgang Hofer das sagt, ist die Lage ziemlich kritisch. Der Vorstand der B&C-Stiftung, Aufsichtsratschef der gleichnamigen Industrieholding und einer der bekanntesten und erfahrensten Wirtschaftsanwälte des Landes, fühlt sich betrogen und hintergangen. Er sieht „einen riesigen Betrugs- und Bilanzfälschungsskandal. Aber kein Wirecard auf österreichisch, denn das Geschäft der Schur ist real“.
Es geht um die Übernahme des niederösterreichischen Verpackungsherstellers Schur Flexibles im Vorjahr und den kürzlichen Ausstieg aus dem 2.200 Mitarbeiter großen Unternehmen. Das Abenteuer hat B&C laut Hofer alles in allem einen Verlust von fast 400 Millionen Euro gekostet.
Die WKStA führt ein Ermittlungsverfahren gegen fünf Beschuldigte – den ehemaligen CEO von Schur, den Finanzchef, eine Managerin und zwei Mitarbeiter (Namen der Redaktion bekannt). Wegen des Verdachts auf Untreue, Geldwäsche, Bilanzfälschung und Korruption. Elf Hausdurchsuchungen, bestätigt WKStA-Sprecherin Elisabeth Däubl. Vermutet werden laut Däubl Überweisungen vom Firmenkonto auf Privatkonten des CEO „ohne sachliche Rechtfertigung“, die Übernahme von Kosten durch das Unternehmen für private Aufwendungen, teils Scheinrechnungen sowie die Auszahlung von „unangemessen hohen Gehältern bzw. Boni an Unternehmensorgane“. Die Schadenshöhe werde noch ermittelt, derzeit werde von einem zweistelligen Millionenbetrag ausgegangen.
Starker Tobak. Hat hier tatsächlich ein gut eingespieltes Team von drei Managern ein Unternehmen ausgeplündert und auf Firmenkosten in Saus und Braus gelebt? Es gilt die Unschuldsvermutung.
Lukas Kollmann, Anwalt des ehemaligen CEO, weist die Vorwürfe strikt zurück. Es solle von der „vorgegebenen aggressiven Geschäftspolitik abgelenkt werden und eigene Entscheidungen, mit denen man nach der Übernahme nicht mehr zufrieden war, auf die ehemalige Geschäftsführung bzw. ehemalige Organe abgewälzt werden“. Schur Flexibles sei im Zuge der Übernahme monatelang von rund 140 Experten durchleuchtet worden und die Geschäftsführung laufend, zuletzt mit 30. September 2021, entlastet worden.
Hat B&C zu eilig und daher zu teuer gekauft? Auch stellt sich – wieder – die Frage nach dem Wirtschaftsprüfer, der die Bilanz testierte, in diesem Fall PwC.
„Nicht erkennbar“
„Wir haben die besten Leute für die Due Diligence eingesetzt, die wir bekommen konnten, aber das kriminelle Werk war nicht zu erkennen“, sagt Hofer. Der Verkäufer, der US-Fonds Lindsay Goldberg (LG), hatte allerdings Zeitdruck aufgebaut. Dafür wurde exklusiv mit B&C verhandelt.
Im ersten Quartal läuteten bei B&C die Alarmglocken, als man erkannte, dass das tatsächliche Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) nur weniger als 40 Millionen betrug statt ausgewiesener 80 Millionen.
Dabei hatte alles so schön begonnen. B&C war auf der Suche nach einer weiteren Beteiligung. Der damalige Stiftungsvorstand und Ex-Chef von Palfinger, Herbert Ortner, zog Schur über persönliche Kontakte an Land.
Alles sah nach einem guten Deal aus. Spezialisiert auf die Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie, namhafte Großkunden, ein Selbstläufer. 22 Werke in halb Europa, 540 Umsatzmillionen. Doch das mit 680 Millionen verschuldete Unternehmen fuhr laut dem Ex-Management jährlich Verluste zwischen 10 und 20 Millionen ein und stand an der Grenze zur Überschuldung.
Der ehemalige CEO, selbst mit 1,6 Prozent beteiligt, verdiente inklusive hoher Boni und Sonderzahlungen prächtig, mehr als viele ATX-Vorstände. 2019 2,5 Millionen, 2020 fast drei Millionen und 2021 schließlich 12 Millionen, inklusive fünf Millionen Verkaufserlös für seinen Anteil.
Im November 2021 erhielt er von B&C noch einen neuen Fünf-Jahres-Vertrag. „Aber doch nicht in diesen Dimensionen“, schäumt Hofer. „Die überbordenden Zusatzleistungen und Boni wurden in der Due Diligence nicht offengelegt, waren uns also nicht bekannt“. Offengelegt wurde ein Vertrag mit marktkonformen Bezügen, B&C gehe davon aus, dass es sich bei den Boni um zum großen Teil auch von LG unautorisierte Zahlungen, sprich Entnahmen, des Ex-CEO und seiner Mittäter handelte.
Zwei Mietwohnungen vom Feinsten in London samt Personal für 250.000 Euro monatlich seien angeblich für den geplanten Börsegang gedacht und von B&C genehmigt worden. „Absurd, glauben Sie ernsthaft, es gehört zu den Usancen von B&C, so Geld zu verprassen?“, donnert Hofer.
Jetzt gehört Schur den Gläubigerbanken und dem US-Fonds Apollo. B&C versucht, zumindest einen Teil des Schadens über zwei Garantie-Versicherungen zurückzubekommen. Hofer: „Wir kämpfen entschlossen für die Wiedergutmachung. Unsere Kenntnislage stimmt uns zuversichtlich“ .
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