Degressives Arbeitslosengeld könnte mehr Arbeitslose bringen

Symbolbild.
Arbeitsmarktexperte Mahringer glaubt, dass Betriebe bei höherer Nettoersatzrate zu Beginn kürzer beschäftigen und häufiger kündigen.

Die geplante Reform des Arbeitslosengeldes müsse gut durchdacht werden, um mögliche negative Folgen für Arbeitsmarkt und für die Staatskasse zu verhindern. Nur mit Einzelmaßnahmen werde das nicht funktionieren, warnte WIFO-Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer am Dienstag bei einer Podiumsdiskussion der Arbeiterkammer Wien zum Thema "Arbeitslosigkeit: Armut ist nicht zumutbar“.

Mahringer verwies etwa darauf, dass ein nach der Dauer der Arbeitslosigkeit bemessenes, degressives Arbeitslosengeld (hoher Anfangsbezug, danach stufenweise Absenkung, Anm.) nicht weniger, sondern mehr Arbeitslose bringen könnte. „Die kurzfristige Arbeitslosigkeit könnte sich erhöhen, weil Firmen mehr auf Kurzzeitbeschäftigung setzen“, so Mahringer. Früheren Erhebungen zufolge ist jeder dritte Arbeitslose nicht länger als drei Monate beim AMS gemeldet. 

AMS als Zwischenparkplatz

Schon jetzt würden bei Auftragsschwankungen immer mehr Betriebe ihr Personal kurzfristig, mitunter nur zwei Wochen, „beim AMS zwischenparken“ und dann wieder aufnehmen, berichtet AK-Arbeitsmarktexpertin Silvia Hofbauer von einen zunehmenden  Trend am Arbeitsmarkt. „Das ist mittlerweile geübte Praxis und passiert ganz sanktionslos“. Während Arbeitnehmer bei einer Selbstkündigung vier Wochen auf das Arbeitslosengeld warten müssten, könnten Betriebe jederzeit Personal kündigen und wieder einstellen. „Da braucht es mehr Fairness“.

Ein höheres Arbeitslosengeld zu Beginn bei anschließend starker Absenkung nach längerer Arbeitslosigkeit könnte in Summe für den Staat sogar höhere Kosten verursachen. Laut Mahringer müsste bei einer „scharfen Degression“ die öffentliche Hand bei Langzeitarbeitslosen mit Sozialhilfe und Mindestsicherung gegensteuern, damit diese nicht unter die Armutsgrenze fallen. Die Existenzsicherung sei immerhin das – auch ökonomisch vernünftige - Ziel des Arbeitslosengeldes.

Schon jetzt seien 13 Prozent der Arbeitslosen auch Mindestsicherungsbezieher, die Zahl dürfte bei einer Senkung des Arbeitslosengeldes weiter nach oben gehen. Es sei auch nicht nachhaltig, wenn Langzeitarbeitslose irgendeine Arbeit annehmen müssten, um zu überleben, sie bräuchten vielmehr eine passende Arbeit. Dazu müssen aber auch Betriebe bereit sein, Menschen über 50 Jahre oder mit gesundheitlichen Einschränkungen einzustellen. 

Zuverdienstgrenzen

Gut überlegen sollte man sich auch die Neuregelung der Zuverdienstmöglichkeiten bei den Arbeitslosen. „Ein Zuverdienst kann grundsätzlich Brücke in den Arbeitsmarkt, aber auch eine Sackgasse sein“, sagt der Experte und schlägt etwa vor, die Höhe des Zuverdienstes von der Höhe des Arbeitslosengeldes abhängig zu machen. Gudrun Höfner von it-works, einem gemeinnützigen Träger in der Jobvermittlung, hält die aktuelle Zuverdienstmöglichkeit für „eher hinderlich“ für die Jobvermittlung.

„Die geringfügigen Jobs haben oft einen höheren Stundenlohn als bei einer Vollzeitbeschäftigung und zeichnen daher ein falsches Bild vom erreichbaren Einkommen“. Außerdem würden geringfügig Beschäftigte oft nur sehr kurzfristig bei Auftragsschwankungen benötigt und seien daher oft keine längerfristige Perspektive. 

Gegen Abwärtsspirale

Die AK wünscht sich neben einer Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des Letztgehalts generell eine Modernisierung der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose. Anders als vom Wirtschaftsflügel der ÖVP gefordert soll es aber nicht in Richtung Verschärfung, sondern in Richtung Anpassung an neue Lebensverhältnisse gehen. Um die Abwärtsspirale aufzuhalten, bräuchte es „eine bessere Vermittlung in gute Arbeitsverhältnisse  und einen klaren Berufs- und Entgeltschutz, um den Lebensstandard zu erhalten“, sagt Hofbauer. Wer etwa nach einer vom AMS vermittelten schlechter bezahlten Arbeit erneut arbeitslos wird, sollte nicht weniger Arbeitslosengeld erhalten als vor dieser Tätigkeit (Bemessungsgrundlagenschutz).

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