Volle Züge: "Wenn der Kunde öfter stehen muss, ist er weg"

Wien Hauptbahnhof
Laut ÖBB kann nicht jeder immer bequem im Zug sitzen. Branchenvertreter sind über die Aussage verärgert.

Für Aufregung sorgte jüngst eine Aussage der neuen Vorständin für den ÖBB-Personenverkehr, Sabine Stock, dass nicht jeder im Zug bequem sitzen könne und ein Ausbau von Reservekapazitäten zu teuer sei. Thomas Scheiber, Obmann des Fachverbandes der Schienenbahnen in der WKO, betrachtet das Thema jedoch differenzierter: „Dass man im Nahverkehr nicht immer einen Sitzplatz bekommen kann, muss man in Kauf nehmen.“

"Nicht zumutbar"

Im Regional- und Fernverkehr sei das jedoch nicht zumutbar, meint Scheiber. „Wir können nicht sagen, dass wir den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern wollen, dann aber ein minderwertiges Angebot bringen.“ Den neuen Kunden, die in den vergangenen Monaten und Jahre gewonnen werden konnten, müsse Komfort geboten werden, um sie nicht wieder zu verlieren.

Dafür müsse man mehr Ressourcen zur Verfügung stellen.  „Es stimmt, dass es wirtschaftlich am teuersten ist, Reservefahrzeuge punktuell einzusetzen, die dann viel herumstehen“, sagt Scheiber. Doch müssten generell die Kapazitäten erhöht werden, um noch mehr Leute auf die Schiene zu bringen.

Einfach einen oder zwei Waggons in Spitzenzeiten an einen Zug anzuhängen, funktioniere nicht. Das wäre viel zu aufwendig, diese müssten je nach Bedarf von A nach B gebracht werden, immer wieder eruiert werden, wo sie stehen, wenn man sie braucht – da müsse man systematischer denken. Man könnte stattdessen einen höheren Takt fahren oder einzelne Züge zusätzlich einschieben. Beim Status quo sei jedenfalls die Gefahr eines Imageschadens der Bahn gegeben.

Mitfahrgarantie

Bei den ÖBB bestehe nicht nur die Frage, ob man einen Sitzplatz bekomme, sondern auch, ob man bei übervollen Zügen wieder aussteigen müsse, sagt Thomas Posch, Geschäftsführer der privaten Westbahn. Posch bezeichnet das als „No-go“, das es bei der Westbahn nicht gebe. Stattdessen biete man eine „Mitfahrgarantie“.
„Wir haben das Angebot entsprechend der Nachfrage erhöht, unsere Garnituren fahren intensiver“, so der Westbahn-Chef.

Die Züge würden zum Beispiel über Nacht gewartet, damit man die gesamte Flotte am nächsten Tag einsetzen könne. Man habe das Angebot erhöht, um ohne Zugräumungen über den Sommer und Herbst zu kommen. Jedem einen Sitzplatz zu garantieren, sei nicht möglich, doch sollte Stehen die Ausnahme sein. Bei Einzelereignissen, wie einem Rolling-Stones-Konzert, sei es klar, dass ein Zug voll sein könne.

Doch dass man jedes Wochenende stehen müsse, einfach nur, weil am Wochenende ein höheres Aufkommen sei, sei nicht verständlich, sagt Posch im Hinblick auf den großen Konkurrenten. „Wenn der Kunde keinen Komfort hat und öfter stehen muss, dann ist er weg“, so Posch.

Mehr Züge

Konkret sagte Stock in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „trend“, dass trotz übervoller Züge nicht allzu große Erwartungen an den geplanten Ausbau der Bahnkapazitäten gestellt werden sollten. Es könne nicht jeder erwarten, immer bequem einzeln auf einem Zweierplatz zu sitzen. Die Gesellschaft müsse Bahnfahren neu lernen und flexibler werden. Reservekapazitäten seien sehr teuer und man baue ja auch nicht die Westautobahn achtspurig aus, nur damit alle gleichzeitig in den Sommerurlaub fahren könnten.

Bei den ÖBB fühlte man sich mit den wiedergegebenen Aussagen Stocks missverstanden. „Unser Ziel ist, dass jeder, der die Bahn benützten möchte, dies auch kann. Es kann aber zu Spitzenzeiten zu vollen Zügen kommen, daher bitten wir auch auf weniger frequentierte Verbindungen auszuweichen“ heißt es seitens eines ÖBB-Sprechers.

Schon heute würden an starken Feiertagswochenenden deutlich mehr Züge eingesetzt werden. Die ÖBB seien gerüstet und würden bis 2030 um 30 Prozent mehr Sitzplätze anbieten. Bahnfahrer, die ein ÖBB Kundenkonto haben, können über den  Sommer vier gratis Reservierungen in Anspruch nehmen. Eine Reservierung kostet ohne Konto drei Euro.

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