Das Netzwerk der Aufsichtsrätinnen
Männer können wesentlich besser netzwerken als Frauen. Schon aus der Tradition der männlichen Karriereschmieden heraus. „Geh, hast nicht einen Aufsichtsrat für mich?“, nach diesem Muster wurden und werden in Österreich immer noch Aufsichtsratspositionen vergeben. Dabei spielen Eitelkeiten und Prestige sowie politische Zugehörigkeiten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wer sich Aufsichtsratsmandate wie Orden anheften kann, ist am gesellschaftlichen Parkett ganz einfach wichtig.
Langsam ändern sich die Verhältnisse, die Besetzung der begehrten Mandate wird zusehends professionalisierter und diverser. 28 Prozent aller heimischen Aufsichtsräte werden laut einem Deloitte Report von Frauen besetzt (2021), Österreich liegt international auf Platz 14. Den Spitzenplatz hält Frankreich mit 43 Prozent. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass weltweit erst 19,7 Prozent der Aufsichtsratsjobs mit Frauen besetzt sind. 2016 waren es 15 Prozent, „also weniger als fünf Prozent Zuwachs in fünf Jahren“, bedauert Julia Zdrahal-Urbanek, Managing Partnerin bei Alto.
Weltweit größten Organisation für Aufsichtsrätinnen
Die Headhunterin tat sich im Herbst mit einer Runde engagierter Managerinnen und Unternehmerinnen zusammen, gemeinsam gründeten sie das Österreich-Chapter von „Women Corporate Directors“ (WCD), der weltweit größten Organisation für Aufsichtsrätinnen. Und das erste Netzwerk dieser Art in Österreich.
WCD versteht sich nicht als Vermittlungsagentur für Jungmanagerinnen. Die Aufnahmekriterien sind streng. Der Klub ist exklusiv, einflussreich und politisch unabhängig. „Nur auf Einladung und man muss bereits im Aufsichtsrat eines namhaften Unternehmens sein“, erklärt Karin Artner, Partnerin bei KPMG, weltweit Hauptsponsor des Netzwerks. Beim Kick Off in Österreich repräsentierten die anwesenden Aufsichtsrätinnen mehr als 80 Milliarden Umsatz.
Präsidentin ist die ehemalige ÖBAG-Chefin Christine Catasta, die nach dem Abgang von Thomas Schmid als Troubleshooterin einsprang. Sie ist Aufsichtsrätin bei Schwergewichten wie Verbund, Erste Group, AUA, BIG und Telekom Austria. "Das internationale Netzwerk von WCD eröffnet uns einen einzigartigen Gedankenaustausch. Es gibt uns Einblick in globale Themen der Aufsichtsratstätigkeit – eine Erfahrung von der wir in Österreich sehr profitieren.“, erklärt sie.
Ein Problem für viele Frauen ist, auf sich aufmerksam zu machen. „Es braucht Mut, sich in die erste Reihe zu stellen. Wir brauchen Macherinnen, die Entscheidungen treffen“, sagt Anastassia Lauterbach, die bereits das WCD-Chapter in Deutschland gründete. Die Europa-Chefin der Managementberatung Exco und Ex-Managerin der Deutschen Telekom pochte als Aufsichtsrätin von Wirecard (ab 2018 bis zum Ende) immer wieder auf effektivere Kontrollen und Governance. Was den Vorstand herzlich wenig interessierte, inzwischen weiß man, warum.
Bescheidene Entlohnung
„Sich nicht nur berichten lassen, ein Aufsichtsrat muss auch ein Sparring-Partner für den Vorstand sein“, rät Artner. „Sich Zeit nehmen und über das Unternehmen informieren“, sagt Gerlinde Layr-Gizycki, Geschäftsführerin des Beraters Inamera. 300 bis 400 Stunden im Jahr wären pro Aufsichtsratsmandat zu investieren, „ohne außerordentliche Ereignisse oder Krisen“, schildert Lauterbach. Bei der Billig-Airline Easyjet beispielsweise gab es 76 Meetings im Jahr.
Die Entlohnung in Österreich ist nach wie vor bescheiden. Während in den USA 120.000 bis 200.000 Dollar bezahlt werden, im United Kingdom 60.000 bis 100.000 Pfund, seien in Österreich 20.000 bis 40.000 Euro üblich, rechnet Artner vor.
Großteil für Quote
Das Netzwerk ist sehr praxisbezogen, jedes Mitglied kann direkt auf die Expertise des weltweiten Pools zugreifen. „Taucht ein Problem auf, kann ich alle anderen Aufsichtsrätinnen fragen, wie sie es gelöst haben“, berichtet Zdrahal-Urbanek.
Die beherrschenden Themen im Netzwerk seien derzeit Governance, ESG, Cyber Security, digitale Transformation und technologische Disruption (Zerstörung überholter Geschäftsmodelle). „Best Practices bei Vorstandsvergütung, Nominierung und Risiko-Management im Kontext politischer Turbulenzen werden ebenso diskutiert“, erläutern die Gründerinnen im KURIER-Gespräch.
Zum Start wurden 50 Aufsichtsrätinnen in Österreich befragt. 84 Prozent von ihnen stiegen aus einer Vorstands- oder Geschäftsführerposition in diese Rolle ein. Als entscheidend nannten fast 60 Prozent relevante Erfahrung im Business Sektor, 54 Prozent eine Vertrauensbeziehung zu den auswählenden Personen und 39 Prozent Netzwerke. 87 Prozent sprachen sich übrigens für eine Quote aus. Denn je mehr Frauen im Aufsichtsrat, desto höher wird der Frauenanteil im Unternehmen.
Zukunft.Frauen Alumnae Club
Layr-Gizycki initiierte außerdem „Zukunft.Frauen Alumnae Club“. Sie leitete dieses Netzwerk für weibliche Führungskräfte unter dem Dach von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung über acht Jahre. Erfolgreich, anfänglich waren 10 Managerinnen und Unternehmenerinnn an Bord, heute sind es 350 Mitglieder.
Fakten
Organisation
Vor 20 Jahren gegründet, ist Women Corporate Directors nach eigenen Angaben die weltweit größte Mitgliederorganisation für Aufsichtsrätinnen. Die 2.600 Mitglieder sind in mehr als 8.500 Aufsichtsräten in 80 Länder-Chapters tätig. Ziel ist, weltweit mehr Frauen in großen Unternehmen zu etablieren, Diversity zu fördern und Corporate Governance zu stärken. WCD-Mitglieder vertreten u.a. Konzerne wie Apple, Coca Cola, LVMH, Microsoft, Shell, Volkswagen, Nike, Black Rock, aber auch NGOs wie Amnesty International. Kürzlich Generationenwechsel in der Führung, globale CEO ist die kanadische Finanzmanagerin Jennifer Reynolds
Österreich
Mitglieder sind Aufsichtsrätinnen von Telekom Austria, AUA, Bawag, Belvedere, B&C Industrieholding, Casinos Austria, Verbund, Raiffeisen Bank International, Strabag, Wien Energie, Erste Group etc.; Aufnahme nur auf Einladung, politisch unabhängig
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