Diese Kaltschnäuzigkeit ist kaum zu überbieten. „Alexander Van der Bellens neueste Investition sorgt für Begeisterung bei Fachleuten und Angst bei Großbanken“, heißt es in einem „Sonderbericht“ auf Facebook mit diversen Fotos des Bundespräsidenten. Mehr noch: Der Bundespräsident soll in der ORF-Sendung Im Zentrum „von seinem neuen Vermögensschlupfloch berichtet haben, mit dem, nach eigener Aussage, innerhalb von drei bis vier Monaten jeder Millionär werden kann“, wird behauptet. Im Moment sei seine „Haupteinnahmequelle ein neues Programm zum automatischen Handel mit Kryptowährungen namens Bitcoin Era“.
Der Präsident ein abgezockter Trader? Alles ein groß angelegter Fake von einer internationalen Truppe mutmaßlicher Anlagebetrüger, die von Sofia, Belgrad, dem Kosovo und Prag aus über verschiedene Callcenter auch in Österreich operieren.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat sich bei der Jagd nach diesen gewieften Ganoven einen guten Namen gemacht und es liegt bereits die zweite Anklage wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs vor – diesmal gegen drei mutmaßliche Drahtzieher.
So wird dem mutmaßlichen Täter Ilan T., den die WKStA für einen führenden Kopf dieser Cyberbetrugsplattformen hält, die Schädigung von 4.570 Personen in Höhe von 9,74 Millionen Euro vorgeworfen.
Der Zweitangeklagte Michael G. soll 4.232 Personen um 9,39 Millionen Euro gebracht haben und die Drittangeklagte Milena K. soll für 4.403 Opfer und 9,66 Millionen Euro Schaden verantwortlich sein. Doch dieses Verfahren ist nur die Spitze des Eisbergs. Die mutmaßlichen Betrüger, die u. a. auf Facebook und Google werben, sind psychologisch bestens geschult und verleiten Normalbürger auf Onlineplattformen wie Optionstar, Cryptopoints, GoldenMarkets oder Xmarkets zum Investieren.
Kein Cent ausgezahlt
Es beginnt in der Regel mit Kleinbeträgen. „Die Anleger überweisen 250 Euro auf ein Konto und können die Depots und den positiven Kursverlauf im Internet mitverfolgen“, erzählt Anwalt Jörg Zarbl, der rund 300 Geschädigte vertritt, dem KURIER. „Es werden Gewinne suggeriert, aber es wird nichts ausgezahlt. Es wird aber auch kein Cent der Kundengelder angelegt.“ Laut Zarbl handelt es sich dabei um ein Franchisemodell, deren Basis eine spezielle Betrugssoftware ist. Die Täter geben auch das gesamte Setting an andere Ganoven weiter und machen sogar Schulungen. Zugleich helfen sie dabei, Callcenter aufzubauen und Briefkastenfirmen zu etablieren, über die die Zahlungsflüsse am Ende verschleiert werden. Beliebte Destinationen sind die Seychellen, die Britischen Jungferninseln, Mauritius, und St Vincent.
„Die eingezahlten Gelder wurden zu keinem Zeitpunkt einer Kapitalanlage zugeführt“, heißt in der Anklage. Die im Internet sichtbare Handelsplattform sowie das elektronische Kundenkonto mit dem fiktiven Guthaben waren „reine Täuschung“.
Neuer Agent
Um Kunden zu weiteren Zahlungen zu animieren, wurde ihnen telefonisch mitgeteilt, dass Verluste eingetreten sind, aber der dafür verantwortliche „Agent“ sei gekündigt worden. Nun werde ein neuer „Broker“ den Schaden „durch sichere Trades“ wiedergutmachen, aber dafür sind weitere Einzahlungen nötig. „Es kommt noch perfider. Oft treten angebliche Anwälte auf, die vorgeben, den Anlegern das investierte Geld wieder zurückbringen zu können“, sagt Zarbl. „Dazu muss der Anleger aber beträchtliche Vorauszahlungen leisten.“ Es ist tatsächlich erstaunlich, wie viel Geld sich Herr und Frau Österreicher herauslocken lassen. Schäden in Höhe von 100.000 Euro und mehr sind keine Seltenheit. „Ich habe einen Ex-Banker, der hat 300.000 Euro verloren“, sagt Anwalt Zarbl. Zu den größten Opfern zählt laut Anklage der Österreicher Johann N. mit 452.490 Euro Schaden.
Ilan T. der laut WKStA das ausgeklügelte Betrugssystem erfunden und immer weiter perfektioniert haben soll, will von den Malversationen nichts gewusst haben.
Kommentare