Arbeitslosenplus in Österreich größer als in Deutschland

Themenbild: AMS Wien für Jugendliche / Arbeitslosigkeit / Arbeitsmarkt
Rekordwert: Noch nie gab es so viele Menschen in Österreich ohne Job. Der Höhepunkt scheint vorerst erreicht zu sein.

Die Coronakrise hat in den vergangenen eineinhalb Monaten den Arbeitsmarkt in Österreich deutlich stärker getroffen als in Deutschland. In Österreich stiegen die Arbeitslosenzahlen im April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 58 Prozent auf 571.000, in Deutschland um 19 Prozent auf 2,644 Millionen.

Der stärker Anstieg in Österreich hänge "sehr stark" mit dem coronabedingten, frühzeitigen Ende der Tourismus-Wintersaison in Österreich zusammen, sagte Wifo-Arbeitsmarktökonom Helmut Mahringer zur APA. Bei den Kurzarbeitsanträgen gebe es in Österreich und Deutschland eine verhältnismäßig ähnliche Entwicklung. Österreichs Betriebe haben bisher für 1,25 Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet, in Deutschland für über zehn Millionen. Hierzulande leben 8,8 Millionen Menschen, im nördlichen Nachbarland 83 Millionen.

IHS-Ökonom Helmut Hofer sieht die unterschiedliche Arbeitsmarktentwicklung im Rahmen der Coronakrise in Österreich und Deutschland aufgrund folgender Punkte: Der Tourismus und Bau spiele für Österreichs Wirtschaft eine größere Rolle und der österreichische Arbeitsmarkt sei "etwas flexibler" sowie Entlassungen leichter möglich.

Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft macht in Österreich 15,4 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) aus. In Deutschland sind es nur 8,6 Prozent, geht aus Daten des Branchenverbands World Travel & Tourism Council (WTTC) hervor.

Der Rekordwert vom März wurde im April mit 571.477 Arbeitsuchenden (inklusive Schulungsteilnehmern) noch einmal übertroffen. Noch nie gab es in der Zweiten Republik so viele Arbeitslose. Der KURIER wirft einen Blick auf die Detailergebnisse und gibt eine Vorschau auf die kommenden Monate.

Abflachung:

Der auch historisch größte Zuwachs erfolgte bereits im März. Da schnellte die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Februar um gar 41 Prozent auf 563.000 in die Höhe. Im April betrug der Anstieg dann nur noch 1,6 Prozent. Den Höhepunkt gab es am 13. April mit insgesamt 588.205 Betroffenen. Bis Monatsende erfolgte also ein leichter Rückgang. Laut Arbeitsmarktservice (AMS) gab es dafür zwei Gründe: Zum einen hätten Betriebe Mitarbeiter, die schon gekündigt wurden, zurückgeholt und in Kurzarbeit geschickt. Zum anderen gab es in der Baubranche, der Arbeitskräfteüberlassung und im Handel wieder Neuanstellungen.

Neuer Höhepunkt:

Trotz der jetzigen Abflachung glaubt AMS-Chef Herbert Buchinger nicht, dass der Höhepunkt der Krise am Arbeitsmarkt erreicht ist. Im Sommer werde die Arbeitslosigkeit saisonbedingt etwas zurückgehen, um im Herbst wieder anzusteigen. Dann werde die Corona-Arbeitslosigkeit mit der Winterarbeitslosigkeit zusammentreffen. „Da ist das Risiko sehr groß, dass selbst die April-Zahlen noch einmal leicht überschritten werden.“

Kurzarbeit:

Das AMS hat 91.460 Anträge für Corona-Kurzarbeit mit einer Bewilligungssumme von fast 8,8 Milliarden Euro genehmigt. Weitere rund 13.000 Anträge seien in Bearbeitung. Insgesamt sind an die 1,25 Millionen Arbeitnehmer betroffen. Eine Verlängerung der für zwei mal drei Monate angesetzten speziellen Corona-Kurzarbeit erwartet Buchinger nicht. Kurzarbeit werde aber auch im Herbst weitergehen. So würden viele Betriebe, etwa in der Kfz-Industrie oder Zulieferer, wohl noch länger unter der schwachen Konjunktur leiden. Laut ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian wird es eine Arbeitsgruppe der Sozialpartner geben, die sich mit der Weiterentwicklung des Kurzarbeitsmodells befassen wird. „Das Instrument hat sich bewährt. Wir wollen evaluieren, was gut funktioniert hat und was nicht.“

Branchen:

Die Arbeitslosigkeit stieg vor allem bei Beherbergung und Gastronomie, wo das Plus zum Vorjahr sogar 130 Prozent auf 118.725 Personen betrug. Die zweite sehr stark getroffene Branche ist der Bau, wo sich die Zahl der Arbeitslosen auf 37.963 Personen fast verdoppelt hat. „Das Problem sehe ich im Tourismus. Ich glaube nicht, dass sich da etwas großartig tut in den nächsten Monaten“, sagt IHS-Ökonom Helmut Hofer.

Längerfristiges Szenario:

Für Buchinger war die Krise im ersten Schub eine angebotsseitige, mit fortschreitender Dauer ist jetzt auch noch die Nachfragekrise dazu gekommen. „Die Menschen konsumieren weniger, es gibt weniger Gastro, es wird weniger Kleidung gekauft, es gibt keine bis wenige Reisen. Der Sommerurlaub ist fraglich. Wir werden hinten und vorn nachfrageseitig Probleme haben. Wenn das jetzt auch noch in eine Finanzkrise geht, dann kommt ein dritter Faktor dazu.“ Erholung werde es wohl erst mit einem Impfstoff geben. „Das schlimmste Szenario ist, dass wir drei bis fünf Jahre brauchen, um das alles zu reparieren.“

Sockelarbeitslosigkeit:

Buchinger fürchtet, dass es nach der Krise dauerhaft eine höhere Arbeitslosigkeit gibt. „Wenn viele Arbeitskräfte freigesetzt werden, dann sind auch viele dabei, die schwierig zu integrieren sind. Und gerade diese Personen finden dann nicht so leicht wieder Arbeit. Auch nicht in einem Aufschwung.“ Und der Druck, der jetzt auf den Unternehmen laste, werde eine Reihe von Rationalisierungsmaßnahmen auslösen.

Arbeitslosengeld:

Nach Aufstockung der Notstandshilfe rückwirkend mit Mitte März auf Höhe des Arbeitslosengeldes fordert Katzian erneut ein höheres Arbeitslosengeld. Er verweist darauf, dass das auch Kaufkraft bringe. Laut Katzian „hat die Regierung gesagt, ’wir überlegen das’“.

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