Corona-Krise: Geld vom Staat wird nicht reichen
800 Millionen Euro kostet eine Woche Gesundsheitskrise die österreichische Wirtschaft im Lockdown. Das hat das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo berechnet.
Und jetzt kommen beunruhigende Nachrichten aus Südafrika. Dort wurde eine neue Virusmutation entdeckt. Politik, Wissenschaft und Finanzmärkte reagieren nervös.
"Casflows vernichtet"
Bernd Spalt, Chef der Erste-Group hofft, dass die Coronakrise nicht erneut weltweit ausufert. Denn durch die Krise werden „Geschäftsmodelle ausgebremst, Casflows vernichtet und Umsätze eingedampft.“
Zu den Kosten der Coronakrise kommt noch die Bekämpfung der Erderwärmung. Das kostet Unsummen. Die 750 Milliarden Euro für das europäische „Aufbauprogramm“ reichen da bestenfalls mittelfristig.
Spalt: „Wir sollten uns nicht der Hoffnung hingeben, dass man alles über die öffentliche Hand des Steuerzahlers finanzieren kann.“ Es brauche private Investoren.
Und wie soll das gehen? Dazu lud Karoline Edtstadler in ihrer Funktion als EU-Ministerin namhafte Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft ins Bundeskanzleramt zu einem Gespräch über die Zukunft Europas ein.
„Oberste Priorität der EU ist es, dass sich Europa von der beispiellosen Wirtschaftskrise, die das Coronavirus verursacht hat, erholt. Entscheidend wird dabei sein, dass die EU-Kapitalmärkte weiterentwickelt werden und der Zugang zur Marktfinanzierung gewährleistet ist“, sagt Edstadtler.
Startups brauchen frisches Kapital
Vor allem geht es gerade jetzt darum, dass kleine und mittlere innovative Unternehmen leichter Geld von privaten Investoren bekommen können. Das gilt speziell für Startups. Die brauchen vor allem eines: Risikokapital.
Das ist Geld, dass Investoren jenen Unternehmen borgen, deren Geschäftsmodell als riskant gilt aber zugleich hohes Wachstumspotenzial aufweist.
Aber das sogenannte Venture-Capital ist in Europa im Vergleich zum angloamerikanischen Raum so gut wie kaum vorhanden, konstatiert Monika Köppl-Turyna, Direktorin beim Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria.
Die Gründer und Chefs der österreichischen Kryptowährungsbörse Bitpanda, Eric Demuth und Paul Klanschek, bestätigen das. „Wir haben dieses Jahr an die 400 Millionen Euro vom Kapitalmarkt geholt. Europäische Venture Capital-Fonds waren da keine dabei. Man redet aussschlißlich mit angloamerikanischen Fonds, ostasiatischen und vielleicht noch israelischen.“
Kapitalmarktunion umsetzen
Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann fordert daher, dass die EU endlich die seit 2015 geplante Kapitalmarktunion verwirklicht. So könne für die Wirtschaft die starke Abhängigkeit von den nationalen Banken in den Unionsmitgliedstaaten reduziert und die grenzüberschreitende Finanzierung erhöht werden.
Vor allem aber solle die Kapitalmarktunion endlich das Eigenkapital innovativer Unternehmen stärken, sagt Ingrid Hengster, Vorstandsmitglied der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Hengster fordert auch, dass die Politik endlich eine Reform in Sachen Finanzbildung angehe. Risiko und Kapitalmarkt würden nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland viel zu sehr durch die negative Brille gesehen.
Für Erste-Group-Chef Spalt ist das fatal. „Denn es werden Risiken in Kauf genommen werden müssen, wenn wir die umwelttechnologischen Herausforderungen bewältigen wollen.“
Etwas mehr Risiko in der Geldanlage: das gilt auch private Kleinanleger. Immerhin 300 Milliarden Euro stecken in Österreich laut Nikolaus Jilch von der Denkfabrik Agenda Austria in Bargeld, auf Sparbüchern oder am Konto. Geld das seiner Ansicht nach auf sinnvollere Anlagemodelle warte.
Die aktuelle Unruhe an den Börsen wegen der Südafrika-Corona-Mutation ist in Sachen Risiko freilich keine Unterstützung.
Wobei die steigende Inflation eine Veränderung im Anlegerverhalten zu bewirken scheint. Demuth und Klanschek von Bitpanda bestätigen Analysteneinschätzungen, wonach durch die Inflation vor allem jüngere Menschen ihre Dollar- und Eurobeträge in Kryptoassets umwandeln.
"Europa ganz hinten"
Apropos Digitalisierung: Dass Europa hier weit hinter Amerika und Asien liegt, beunruhigt die Runde. Um noch aufzuholen, würde es auch hier sehr viel rasch verfügbares Kapital benötigen.
Bei Christian Pirkner schrillen bereits die Alarmglocken. Er ist Chef und Gründer von Bluecode. Bluecode macht es möglich mobil und bargeldlos über eine Handy App zu bezahlen. „Beim bargeldlosen Zahlen sind wir in Europa global gesehen ganz hinten. Da brauchen wir rasch einen Plan B für die technische und rechtliche Abwicklung.“
Edstadtler will das mit nach Brüssel nehmen. „Wir müssen bei der Digitalisierung und Harmonisierung des Kapitalmarktes Tempo machen.“
Zunächst aber muss die aktuelle Krise bewältigt werden. Wäre da nicht eine Impfpflicht für die ganze EU angesagt? Edstadtler verneint. „Die Gesundheitsagenden sind nationale Sache. Und das soll auch so bleiben. Aber Sie werden sehen, dass unser Modell noch für einige Länder Vorbild sein wird.“
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