Die staatliche Geldquelle ist versiegt, 100 Millionen Euro weg: Seit Mai sprang die staatliche Förderbank aws ein und verdoppelte die Summe, wenn ein Start-up frisches Eigenkapital von Investoren in Höhe von mindestens 10.000 Euro bis zu 800.000 Euro erhielt. Doch der Covid-Start-up-Hilfsfonds ist bereits ausgeschöpft, wie das zuständige Wirtschaftsministerium bestätigt. Und er wird auch nicht neu aufgelegt.
Da eine Besserung der wirtschaftlichen Lage nicht in Sicht ist, fürchten viele heimische Start-ups jetzt, bald auf dem Trockenen zu sitzen. Denn auch der im Mai angekündigte Venture-Capital-Fonds zur Ankurbelung von dringend benötigtem Risikokapital ist immer noch nicht fertig. „Die Implementierung des Venture-Capital-Fonds ist in den Endzügen, wir sind zuversichtlich, dass wir den Fonds zügig zur Verfügung stellen können“, heißt es dazu im Wirtschaftsministerium.
Um private Investoren zu motivieren, den Fonds mit frischem Geld zu speisen, soll die aws eine Kapitalgarantie in Höhe von bis zu 50 Prozent des Fondsvolumens übernehmen. Ziel ist es, Risikokapital in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro aufzubringen, um eine krisenbedingt verzögerte Umsetzung von Geschäftsmodellen zu ermöglichen. Das Engagement privater Geldgeber soll sich aber derzeit in Grenzen halten, ist zu hören. Niemand will in unsicheren Zeiten wie diesen unnötiges Risiko eingehen.
Außer im Medizinbereich werde derzeit wenig investiert, bestätigt Thomas Gabriel, Start-up-Experte bei der Beratungsgesellschaft EY in Österreich. Diese Abflachung dürfte sich bis zum Ende des Jahres weiter fortsetzen. Wichtig sei jetzt, dass der Finanzierungsmarkt nicht vollständig austrockne. „Das heimische Start-up-Ökosystem steht vor der größten Bewährungsprobe seiner Geschichte“, ist er überzeugt. „Jede Maßnahme, um die nächsten Monate zu überbrücken, bis die Investments hoffentlich wieder anspringen, ist willkommen.“
„Heuer ging ja fast kein Unternehmen pleite. Mit Ende der Kurzarbeit III und dem Ablauf der Stundungen wird sicher ein großer Exodus kommen“, glaubt auch Maggie Childs, Gründerin und Vorstandsmitglied des Netzwerks AustrianStart- ups. Sie plädiert dafür, gescheiterten Gründern eine zweite Chance für die Post-Covid-Zeit zu ermöglichen. Dafür schlägt sie eine Art „Neustart-Paket“ für einen unkomplizierten Übergang vom „alten“ ins „neue“ Unternehmen vor, sofern dadurch Arbeitsplätze erhalten werden können.
Das Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass allen Start-ups auch die regulären aws-Förderungen der wie z.B. Seed-Financing oder Start-up-Garantien zur Verfügung stehen. Ebenso können sie Corona-Hilfen wie Kurzarbeit oder staatliche Garantien beantragen. Für 2021 wurde ein Digitalisierungsfonds angekündigt.
Kapital sei sehr wohl vorhanden, viele Investoren hätten größere Investments schlicht auf das nächste Jahr verschoben, glaubt Gabriel. Er rät, die aktuelle Finanzierungsproblematik zum Anlass für ernsthafte Diskussionen über eine Gesamtstrategie für die Start-up-Szene zu nehmen.
Schwerpunkte setzen
„Es wäre sinnvoll, sich strategisch auf bestimmte Schwerpunkte zu fokussieren und Cluster einzurichten, welche die Herausforderungen der österreichischen Industrieunternehmen abbilden“, so der Experte. Ein Schulterschluss zwischen öffentlicher Hand, Unternehmen, Kapitalgeber und Start-ups sei dafür unbedingt nötig.
Kritisch wird bei Technologie-Start-ups der jüngste Deal mit Microsoft gesehen. Die Investitionsprämie, die der US-Konzern für den Bau seiner Cloud-Center in Österreich in Anspruch nehmen kann, hätte besser in Austro-Start-ups investiert werden sollen.
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