„Das Ding hat gefährlich scharfe Kanten, das andere zu kleine Teile, die Kleinkinder verschlucken und die Rassel ist so gebaut, das sie im Hals stecken bleiben kann“: Es braucht schon den Blick eines Fachmanns wie Lars Vogt, um bei dem Spielzeug, das sich vor ihm auftürmt, die Gefahren zu entdecken.
Doch für europäische Spielzeughersteller sind diese Gefahren von enormer Bedeutung. Schließlich gibt es auf dem gemeinsamen EU-Markt strenge Regeln. Hält die Rassel, oder der Baukasten denen nicht stand, kommt das Ding nicht ins Regal – oder die Firma, wenn etwas passiert, vor Gericht.
„Für dieses Zeug dagegen, ist in Wahrheit niemand verantwortlich“, ärgert sich der Experte, der in Brüssel Europas Spielzeugindustrie vertritt. Es stammt von den chinesischen Online-Plattformen Temu und Shein, die den europäischen Markt mit grotesk billigen Preisen überrollen, für Kleidung, Elektronik und eben Spielzeug.
Bei ihren Testkäufen haben sich die Spielzeug-Experten bei den Plattformen mit einer Auswahl eingedeckt. Die Ergebnisse sind erschreckend: Den EU-Normen entspricht kein einziges Spielzeug und 90 Prozent davon sind als gefährlich einzustufen.
Das Problem aber ist: Wer ist zuletzt für diese Verstöße verantwortlich? Auf den Online-Plattformen findet man nach einigem Suchen die Adressen der europäischen Vertretung des jeweiligen chinesischen Herstellers. Eine solche ist nämlich gesetzlich vorgeschrieben.
Briefkastenfirmen
Einer Überprüfung aber halten diese Adressen nicht stand. Viele davon sind offensichtlich nicht mehr als Briefkästen, Dutzende davon an derselben Adresse – und auf der antwortet niemand auf Anfragen. Eine angeblich europäische Adressen machten die Tester schließlich in Kalifornien aus.
Bei der EU ist man inzwischen auf das Problem aufmerksam geworden. Auf mehrfache Weise versucht man Chinas Online-Riesen unter Kontrolle zu bekommen. Der vor wenigen Monaten in Kraft getretene Digital Service Act DSA macht sie zu sogenannten „sehr großen Plattformen“. Damit müssen sich Temu, oder Shein bei ihrer Werbung an Spielregeln halten, dürfen also zum Beispiel nicht mehr vortäuschen, dass ein Produkt demnächst ausverkauft ist.
Außerdem sind sie zumindest grundsätzlich dafür verantwortlich, was sie vertreiben. Wenn sie also von der Behörde eines EU-Staates – in Österreich etwa der Konsumentenschutz – auf eine Gefahr aufmerksam gemacht werden, müssen sie das Produkt vom Markt nehmen. Doch das klingt einfacher, als es in Wahrheit ist.
Vermittler statt Verkäufer
Denn die meisten Behörden in der EU, sind der ständig wechselnden Angebotsflut auf den Plattformen nicht gewachsen. Überprüfungen sind, wenn überhaupt , nur stichprobenmäßig möglich. Und da die Plattformen nicht als Verkäufer, sondern nur als Vermittler auftreten, sind tatsächliche Schadenersatzforderungen kaum umzusetzen.
Das zweite Schlupfloch für die Chinesen ist eine Jahrzehnte alte Regelung, die Pakete aus China mit einem Wert von unter 150 Euro zollfrei in die EU lässt. Was einst dem Entwicklungsland helfen sollte, ist heute Einfallstor für die Billigwaren. 2028 aber will Brüssel endlich damit Schluss machen.
Kann man damit die Online-Billigschleudern unter Kontrolle bekommen? Nach Ansicht der Spielzeug-Experten braucht es dafür noch viel mehr politischen Druck - und wohl viel Geduld. Die Testkäufer jedenfalls, die es auch mit einer Beschwerde bei Temu versucht haben, konnten vorerst nur einen sehr bescheidenen Erfolg verbuchen. Sie bekamen die paar Euro für das Spielzeug zurück.
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