Bargeld überlebt auch in digitaler Welt

Bargeld überlebt auch in digitaler Welt
Einige Ökonomen treten für die Abschaffung ein, die Bevölkerung und Banken plädieren für Bares.

Plastikkarten statt Scheine und Münzen. Dem deutschen Ökonomen Peter Bofinger schwebt eine Welt ohne Bargeld vor. Damit könnte man Zeit an den Kassen sparen. Vor allem aber würden die Märkte für Schwarzarbeit und Drogen austrocknen, so Bofinger im Spiegel-Interview. Der US-Ökonom Kenneth Rogoff legte am Montag im Handelsblatt nach: Bargeld gehöre abgeschafft. Erster Schritt sollte das Aus für große Geldscheine sein.

Bargeld überlebt auch in digitaler Welt
Was wie Utopie klingt, wird in manchen Ländern schon nach und nach zur Realität. In Dänemark etwa müssen Einzelhändler, Tankstellen und Restaurants ab kommendem Jahr kein Bargeld mehr annehmen. Ab 2017 will die dänische Zentralbank dann überhaupt keine Banknoten mehr drucken. In Italien dürfen Transaktionen über 1000 Euro nur noch unbar über die Bühne gehen, in Frankreich soll diese Grenze ebenfalls auf einen Tausender gesenkt werden. In Griechenland wird über ein Limit von 70 Euro diskutiert.

Der KURIER hat wesentliche Vor- und Nachteile von Bargeld zusammengetragen.

+ Anonymität
Jede digitale Transaktion hinterlässt Spuren. Auch ganz ohne Verschwörungstheorie darf davon ausgegangen werden, dass es einen schwunghaften Handel mit sensiblen Daten gibt. Wer nicht will, dass bestimmte Zahlungen oder Einkäufe vollkommen gläsern sind, zahlt lieber bar.

+ Wahlmöglichkeit
Solange es Bares gibt, kann es auch abgehoben werden. Damit hat der Bankkunde die Möglichkeit auszuweichen, wenn sein Institut ins Schlingern kommt oder plötzlich Strafzinsen verrechnet. Mit dem sprichwörtlichen Geld unter der Matratze kann man Negativzinsen entgehen.
Mehr Überblick Durchschnittlich 67 Euro haben die Österreicher in bar bei sich. Schuldnerberater betonen regelmäßig: Mit Bargeld behält man den Überblick über seine Ausgaben deutlich besser als mit Plastikgeld.

+ Geschenke & Co.

Natürlich könnte die Oma eine Prepaid-Karte mitbringen, wenn sie ihr Enkerl besucht. In der Regel wird sie aber lieber den einen oder anderen Schein ins Sparschwein stecken wollen. Der Gitarrist in der Fußgängerzone, der für Spenden spielt, wird keine elektronische Geldbörse besitzen, die man füttern kann.

- Kriminalität
Drogenhandel und Prostitution sind Beispiele für „Märkte“, auf denen nur Bares Wahres ist. Ob sie ohne die nötigen Scheine austrocknen würden, ist fraglich. Vermutlich würden sich andere „Währungen“ finden (wie Zigaretten nach dem 2. Weltkrieg).

- Schwarze Kassen
Ob Schmiergeld oder Zahlungen an Schwarzarbeiter – in diesen Bereichen ließe sich Bargeld nur schwer ersetzen. Vor allem Schwarzarbeit könnte tatsächlich zurückgedrängt werden.

- Kosten
Bargeld ist verhältnismäßig teuer – in der Produktion, im Handling und in der sicheren Verwahrung. Laut einer Studie haben die volkswirtschaftlichen Kosten von Bargeld im Jahr 2013 insgesamt 1,2 Mrd. Euro ausgemacht. Die Kosten für das Bankomatkartensystem lagen bei 150 Mio. Euro.

- Sicherheit
Für Taschendiebe oder Einbrecher ist erbeutetes Bargeld leicht zu verwerten. Banken ohne Bares müssen keine Bankräuber fürchten – allerdings dürfte Cyberkriminalität zunehmen.

„Bargeld hatte und hat seine Berechtigung, auch wenn bargeldloses Bezahlen auf dem Vormarsch ist. Aber es sollte jeder Einzelne selbst entscheiden, welchem Zahlungsmittel er den Vorzug gibt. Eine Bevormundung der Bürger durch zwangsweise Abschaffung allen Bargelds ist ebenso unangebracht wie der Generalverdacht ‚alles Bargeld ist Schwarzgeld‘“, so der Kommentar von Willibald Cernko, Bank-Austria-Chef und Präsident des Bankenverbandes.

Nationalbank-Direktor Kurt Pribil hat mehrere Argumente für Bargeld zur Hand: Zum einen spreche der stetig wachsende Bargeldumlauf nicht dafür, dass eine bargeldlose Gesellschaft baldige Realität werde. Zum anderen gebe das Euro-System mit der derzeitigen Einführung der neuen Euro-Banknotenserie ein klares Bekenntnis zur Zukunft des Bargeldes ab.

Die Schein-Welt in Zahlen

-) 1,02 Billionen Euro Soviel Geld in Form von Banknoten sind im Umlauf. Die Münzen haben einen Gegenwert von 25 Mrd. Euro.
-) 80 Prozent der Transaktionen in Österreich erfolgen mit Bargeld. In Schweden ist es nur noch halb so viel.
-) 35 Prozent der Erwachsenen in Österreich zahlen nie mit Bankomatkarte.
-) 102,5 Millionen Stunden wendeten die heimischen Konsumenten im Jahr 2013 fürs Zahlen mit Bargeld auf, 8,2 Millionen Stunden für Bezahlung mit Karte. Laut Studie könnte man mittels Kartenzahlung durchschnittlich neun Stunden Zeitaufwand pro Jahr sparen.
-) 9 Millionen Bankomatkarten waren im Vorjahr in Österreich ausgegeben. Mit ihnen wurden 559 Millionen Transaktionen im In- und Ausland durchgeführt.

Nur noch Omas und Bankräuber bräuchten Münzen und Geldscheine, so die obskure Begründung völlig abgehobener "Top-Ökonomen" ohne jegliches Gespür für das Alltagsleben. Stimmt schon, theoretisch kann heute schon jeder Kleinstbetrag unbar bezahlt werden. Die Technik dafür ist längst da.

Trotzdem zahlt die große Mehrheit der Österreicher am liebsten bar. Aus guten Gründen. Bargeld steht als Zahlungsmittel jedem Menschen zur Verfügung, ohne Vertrag, ohne Bindungsfrist, ohne Datenspur. Wer das Bargeld abschafft, schafft ein Stück Freiheit ab. Die Freiheit, anonym bezahlen zu können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Die Freiheit, im Falle von Strafzinsen, mein Geld vom Konto abheben zu können. Die Freiheit, Kontrolle über die eigene Geldbörse zu haben.

Schuldvermutung

Derzeit wird ja gerade die Unschuldsvermutung in einer Schuldvermutung gegenüber dem Bürger umgewandelt. Die Konten werden gläsern, jeder Schein scheint verdächtig. Dabei ist das Argument, weniger Bargeld führe zu weniger Steuerbetrug oder Kriminalität, schlicht unglaubwürdig. Die sichere Steueroase ist für globale Verschleierungskünstler nur einen Mausklick entfernt. Kriminelle laufen heute nicht mit Geldsäcken herum, sondern hacken sich in IT-Systeme von Banken, saugen Kreditkartendaten ab oder verrechnen nie georderte Abos am Handy. Wer garantiert, dass sie nicht auch ganze Zahlungsverkehrssysteme lahmlegen und Überweisungen im Nirvana versickern lassen. Was dann?

Abschaffungs-Fans seien gewarnt: Die wenigen unbaren Vorteile für Banken und Staaten stehen in keinerlei Verhältnis zur Einschränkung von Freiheit und dem Mehr an Kontrolle und Überwachung.

Kommentare