Canon-Chef: "Das Druckgeschäft ist noch immer größer als der Streamingmarkt"
Canon kennt man vor allem von Kameras und Druckern. Beide Geschäftsfelder haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert, sie machen aber noch immer einen Gutteil des Geschäfts des japanischen Konzerns aus.
Welche Auswirkungen Smartphones auf das Kamerageschäft gehabt haben und warum das Druckgeschäft nach wie vor floriert, erzählt Canon-Austria-Geschäftsführer Hermann Anderl im Gespräch mit dem KURIER.
KURIER: Das Geschäft mit Druckern brummt. Das papierlose Büro hat sich offenbar nicht durchgesetzt. Warum?
Hermann Anderl: Der Bürodruck ist sicherlich kein steigender Markt, aber viele andere Druckbereiche sind das. Druck umgibt uns auf vielfältige Art und Weise - vom Buchdruck, bis zum Rechnungs-, Postwurf- und Plakatdruck. Selbst Amazon druckt Etiketten. Das Druckgeschäft ist global gesehen wertmäßig noch immer wesentlich größer als der gesamte Streamingmarkt. Unsere Produktpalette deckt viele Bereiche ab - vom kleinen Bürodrucker bis zum Etikettendrucker.
Wird privat auch noch viel gedruckt?
Während der Corona-Pandemie ist das Geschäft durch das Homeoffice um den Faktor 2 gestiegen. Wegen der Chipkrise und der Lieferkettenproblematik konnten wir die Nachfrage gar nicht befriedigen. Jetzt sind wir wieder dort, wo wir davor waren. Im privaten Druckumfeld rechnen wir mit schwach einstelligen Wachstumsraten. Auch durch Spezialanwendungen, etwa Fotodrucker für zu Hause.
Smartphone-Kameras sind in den vergangenen Jahren immer besser geworden. Wie hat sich das auf ihr Kamerageschäft ausgewirkt?
Der Kompaktkameramarkt ist durch das Smartphone eliminiert worden. Durch das Smartphone sind aber auch so viele Leute wie noch nie mit Fotografie in Berührung gekommen. Dadurch hat sich eine neue Konsumentengeneration gebildet, die von den Möglichkeiten des Smartphones inspiriert nach Speziellem und nach Besonderem suchen. Wir nennen sie Prosumer, also professionelle Konsumenten.
Hermann Anderl ist seit 2020 Geschäftsführer von Canon Austria. Davor leitete er seit 2013 Canon CEE, die Canon-Vertriebsorganisation für Mittel- und Südosteuropa, Zentralasien und den Kaukasus.
In Österreich beschäftigt Canon und 800 Mitarbeiter. Neben Canon Austria, Canon CEE und Canon Medical ist man auch mit der 49-Prozent-Beteiligung Therefore Corporation in Österreich vertreten, die für die Dokumentenmanagementsysteme des japanischen Konzerns verantwortlich zeichnet.
Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der japanische Konzern weltweit einen Umsatz von 4.181 Milliarden Yen (25,02 Mrd. Euro), den Großteil davon im Druck-(56 Prozent) und im Kamerageschäft (21 Prozent).
Die kaufen Highend-Geräte?
Es hat den Wechsel von Spiegelreflexkameras zu spiegellosen Systemkameras gegeben. Die Gehäuse sind kleiner und kompakter geworden, weil sie die Mechanik des hochklappenden Spiegels in der Gehäusetiefe nicht mehr brauchen. Das Kreativpotenzial im Gerät oder in der Nachbearbeitung ist extrem groß. Wir haben jetzt einen High-End-Markt, der Professionelle und anspruchsvolle Konsumenten bedient.
Wie drückt sich das in Zahlen aus?
Stückzahlenmäßig ist der Kameramarkt zweifellos extrem geschrumpft, wertmäßig natürlich auch. Aber wir machen noch immer mehr als 20 Prozent unseres weltweiten Umsatzes in dem Bereich.
Fast 40 Prozent der Umsätze im Kamerageschäft erwirtschaften sie mittlerweile mit Überwachungskameras. Auch in Österreich?
Ja, das ist dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis in Zeiten der erhöhten Terrorismusgefahr geschuldet. Aber auch der Wechsel von analogen zu digitalen Überwachungskameras bietet viel Wachstumspotenzial.
Sie unterstützen Unternehmen auch bei der Digitalisierung. Studien sehen bei heimischen Firmen viel Nachholbedarf. Woran hapert es?
Vor allem Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe sind zögerlich, wenn es um Digitalisierung geht. Es könnte also an der Struktur der Wirtschaft liegen. Es gibt jedenfalls aktiven und passiven Widerstand dagegen. In letzter Konsequenz verschließt man die Augen vor den Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet.
Worauf sollten Unternehmen bei Digitalisierung achten?
Es geht immer um Dokumente, um die Sicherheit und welche Kontrolle ich über die Dokumente habe. Der Lebenslauf eines Dokuments muss transparent sein. Die Digitalisierung macht nicht automatisch alles besser. Ein schlechter Prozess bleibt auch im Digitalen ein schlechter Prozess. Man sollte also zuerst die Prozesse optimieren. Erst dann macht es Sinn, sie zu digitalisieren.
Tausende heimische Firmen müssen sich ab Oktober durch die Umsetzung von EU-Vorgaben (NIS2) auch an schärfere Cybersicherheitsregeln halten. Sind die Firmen dafür gerüstet?
Die interessante Komponente daran ist, dass das nicht oder nur stichprobenartig überprüft wird. Die Frage ist, ob wir uns da nicht einer Fake-Sicherheit hingeben.
Künstliche Intelligenz hat im vergangenen Jahr einen regelrechten Hype erlebt. Wie arbeitet Canon mit KI?
In unserer technologiegetriebenen Zeit ist Künstliche Intelligenz ein notwendiger Teil der Produktkonzeption. Durch den Einsatz von KI kann man aus dem Wissen der Vergangenheit entweder Arbeitsabläufe oder Zustände vorhersagen. Das finden Sie in vielen unserer Produkte.
Canon ist auch im Medizingerätebereich und auch in der Industrie, etwa Maschinen zur Chipfertigung aktiv. Der von Canon entwickelten Nanoimprint Lithographie wird großes Potenzial zugeschrieben.
Die Nanoimprint Lithographie ist vereinfacht gesagt eine auf der Tintenstrahltechnologie beruhende Anwendung. Sie flexibilisiert die Möglichkeiten der Chipproduktion. Wir forschen seit 40 Jahren an dem Thema. In Japan bauen wir auch eine eigene Chipfabrik.
Seit einigen Jahren haben Sie auch Mikrosatelliten im Produktportfolio?
Auch hier setzen wir bestehende Technologien in einer neuen Anwendung ein. Die Mikrosatelliten sind koffergroß, fliegen in 500 Kilometer Höhe und sind mit EOS-Kameras bestückt. Sie sind eine kostengünstige Möglichkeit, um Gebiete zu überwachen, etwa für den Kastrophenschutz oder zur Klimabeobachtung.
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