Bürgerbeteiligung bei Energiewende hat noch viel Luft nach oben
Auf EU-Ebene startet nun die Platzierung der Anleihen für das gigantische Wirtschafts-Wiederaufbauprogramm nach Corona. Noch heuer werden über diese Schiene 80 Milliarden Euro eingesammelt. Bis zu 30 Prozent davon sollen so genannte Green Bonds werden, also Anleihen, mit denen klimafreundliche Projekte finanziert werden. Dass hier der Otto-Normalverbraucher zum Zug kommt, darf aber bezweifelt werden. Gedacht wird offenbar mehr an institutionelle Investoren.
Auch in Österreich steckt das Thema der Bürgerbeteiligung am Klimaschutz und an der Energiewende noch in den Kinderschuhen. Dabei wäre, über die Mobilisierung der Milliarden an schlecht bis gar nicht verzinstem Sparkapital in Österreich enorm viel zu bewegen. Doch über ein paar Einzelprojekte, an denen sich Bürger direkt finanziell beteiligen konnten, ist es bisher nicht hinaus gekommen.
Beim Windpark des Verbundes im niederösterreichischen Göttlesbrunn gab es so eine Möglichkeit bei der Errichtung der Anlage, doch das ist gute zehn Jahre her. Aktuell gibt es Gutschein- oder Abo-Modelle wie bei der Wien Energie oder im Burgenland, wo die Kunden nach Erwerb solcher Gutscheine ihren sauberen Strom etwas vergünstigt bekommen. Doch vergleichbar mit einem Eigentumserwerb wie bei einer Aktie samt lohnender Rendite ist das nicht.
Als Positiv-Beispiel sticht ein Projekt in Niederösterreich hervor. Da wurde im Vorjahr vom Land das „Sonnenkraftwerk NÖ“ gestartet.
50.000 Paneele
Das Konzept: Auf 150 Landesgebäuden in allen Bezirken Niederösterreichs sollen Fotovoltaik-Anlagen mit insgesamt 50.000 Paneelen und einer Leistung von insgesamt 20.000 MWh mit Bürgerbeteiligung bis 2024 errichtet werden. Jede Person kann bis zu fünf Paneele kaufen, ein Paneel kostet 900 Euro. Eine jährliche fixe Rendite von 1,75 Prozent ist garantiert, die Laufzeit beträgt zehn Jahre. Laut Homepage sonnenkraftwerk-noe.at sind derzeit alle Projekte ausfinanziert, 22 sind bereits angeführt.
Dennoch fristet die Bürgerbeteiligung insgesamt ein Schattendasein. Experten wie Uni-Graz-Professor Stefan Schleicher oder Christian Zwittnig, Sprecher vom Dachverband „Österreichs Energie“, wissen warum. Es gäbe vor allem keine freien Flächen. Einerseits aus Gründen der Raumordnung, andererseits aufgrund des oft großen Widerstands von Bürgerinitiativen, wenn etwa ein neuer Windpark errichtet werden soll, schildert Zwittnig.
Schleicher meint, privates Kapital werde noch viel zu zaghaft angezapft. Die Energieversorger hätten überhaupt keine Finanzierungsprobleme angesichts der Überliquidität der Banken und in der Politik sei das Thema auch noch nicht ausreichend angekommen.
Erster Schritt
Im Umweltministerium sieht man zumindest die geplanten Energiegemeinschaften als ersten richtigen Schritt in Richtung Bürgerbeteiligung. Dabei geht es um die gemeinsame Produktion und Nutzung von sauberer Energie in kleineren lokalen oder regionalen Einheiten – doch ohne damit Gewinn zu erzielen. Dieser fällt in Form der möglichen Stromkostenersparnis nur indirekt an.
Doch das nötige neue Gesetz, das EAG, verzögert sich. Auch das ein Grund, so Kritiker, warum es aktuell nicht viele Bürgerbeteiligungsprojekte gibt. Der NÖ-Energieversorger EVN zum Beispiel setzt aktuell zwei Projekte – eines in Wiener Neustadt, eines in St. Pölten – um. „Viele andere Projekte warten auf die Möglichkeiten, die das neue EAG bringt“, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach. Denn oft hängt es von Förderzusagen ab, ob Projekte realisiert werden oder nicht.
Vollgas geben hierzulande nur die Banken im boomenden Fonds-Markt, der immer „grüner“ und „nachhaltiger“ wird. So will etwa die Erste Bank die Anzahl ihr Nachhaltigkeitsfonds von derzeit 11 bis Ende 2023 auf 17 steigern. Aktuell werden 3,4 Mrd. Euro in nachhaltigen Fonds verwaltet, das seien rund 5 Prozent vom gesamten veranlagten Vermögen. Ob da jedoch alles grün ist, wo grün drauf steht, muss im Einzelfall geprüft werden.
Politisch läuft die heikle Debatte, welches Finanzprodukt sich tatsächlich das Mäntelchen „Green Finance“ umhängen darf. Der einzelne Anleger muss derzeit noch für sich entscheiden: Ist die OMV nun ein „böser“ Konzern, der mit den fossilen Energieträgern Erdöl und Erdgas sein Geld macht? Oder anerkennt der Anleger die Bemühungen der OMV, sich in einen Chemiekonzern zu verwandeln und mehr und mehr in den Umwelt- und Klimaschutz zu investieren?
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