Brunner und Kocher wollen hohe Inflation "nicht überbewerten"

Brunner und Kocher wollen hohe Inflation "nicht überbewerten"
Minister beruhigen nach Expertenkritik: "Der entscheidende Faktor ist nicht die Inflationsrate, sondern die Kaufkraft." Und die sei in Österreich gut.

Warum hat Österreich eine deutlich höhere Inflation als andere EU-Staaten? Laut Statistik Austria lag Österreichs Inflation im Februar bei 11 Prozent, während sie im EU-Schnitt 8,5 Prozent beträgt. Kritiker monieren: Die türkis-grüne Bundesregierung habe Wirtschaftshilfen mit der "Gießkanne" verteilt, weshalb zu viel Geld im Umlauf sei.

Finanzminister Magnus Brunner und Wirtschaftsminister Martin Kocher (beide ÖVP) haben sich am Donnerstag bei einer Videokonferenz vor Journalisten gegen diese Erzählung gewehrt. Brunner sieht folgende zentrale Preistreiber, die für die Inflation verantwortlich seien: hohe Energiekosten durch den Ukraine-Krieg, Lohnabschlüsse sowie Wirtschaftswachstum "über dem EU-Schnitt". Wissenschaftlich gesichert ist das nicht. Brunner will aber eine Studie in Auftrag geben.

Das sehen nicht alle Experten so. Die hohe Inflation in Österreich sei auf politische Entscheidungen zurückzuführen, sagte zuletzt Ökonom Kurt Bayer im Ö1-Mittagsjournal. Österreich habe sich für den teureren, aber politisch einfacheren Weg entschlossen, Geld aufzunehmen und an Unternehmen und Haushalte auszuschütten, so der Ökonom und frühere Weltbank-Direktor. Es sei eine Frage der politischen Konfliktfähigkeit, wie man mit Krisensituationen umgehe, ergänzte Bayer.

Kaufkraft gut, alles gut?

Das real verfügbare Einkommen - die Kaufkraft - sei in Österreich 2022 jedenfalls stabil geblieben, sagt Brunner mit Verweis auf Erhebungen des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria. In Österreich gebe es keine versteckte Inflation: "In Spanien sind die Einkommen um sechs Prozent eingebrochen, in Frankreich um fast zwei Prozent." Ziel war es, die Einkommen zu sichern und die Basis für ein starkes Wachstum und eine hohe Beschäftigung zu legen", sagt Brunner.

Kocher betont ebenso: "Der entscheidende Faktor ist nicht die Inflationsrate an sich, sondern die Kaufkraft. Mit der Inflation müssen wir jetzt aufgrund der exogenen Faktoren leben."

Nur eine "Momentaufnahme"

Dass die Inflation hierzulande über dem Eurozonen-Durchschnitt liege, sei eine "Momentaufnahme", versuchen Kocher und Brunner zu beruhigen. Man solle "einzelne Monate nicht überbewerten". Heuer werde die Inflation laut Schätzungen in Österreich auf 6,6 Prozent zurückgehen und damit nur mehr gering über dem Euro-Durchschnitt von 6,4 Prozent liegen, verwies der Wirtschaftsminister auf eine Prognose der EU-Kommission.

Österreichs Inflationsrate sei im Vorjahr auch unter dem Durchschnitt gelegen. Zudem spiele die Berechnungsart eine Rolle. Im Tourismus-Land Österreich würden Preiserhöhungen in der Gastronomie und Hotellerie besonders stark einfließen. Viele in Österreich hätten auch längerfristige Energietarife, wo die Preiserhöhungen später durchschlagen würden als in anderen Staaten. Die Preissteigerungen seien in der Alpenrepublik später spürbar geworden und seien daher länger messbar als anderswo.

Hilfen sollen genauer werden

Den Vorwurf, Hilfen mit "der Gießkanne verteilt zu haben", weist Brunner zurück: "Während die einen sagen, die Regierung tut zu wenig, kritisieren die anderen, dass wir zu viel tun. Tatsache ist, dass es immer eine Abwägung und ein Fingerspitzengefühl zwischen schnellen und treffsicheren Maßnahmen." Aber: Digitalisierungsstaatsekretär Florian Tursky (ÖVP) arbeite an einer besseren Datenverschneidung, damit Hilfen künftig treffsicherer ausbezahlt werden können. Brunner spricht sich abermals gegen Maßnahmen wie Preisdeckel auf Lebensmittel oder Sprit aus, die etwa die SPÖ gefordert hat: "Nicht alles, was auf den ersten Blick populär klingt, ist auch sinnvoll."

Direkte Hilfen wie der Energiekostenzuschuss hätten bisher nur sehr gering zur Inflation beigetragen, zeigten erste Untersuchungen, Studien würden aber noch erarbeitet, so Kocher. Womöglich gebe es hier aber Zweit- und Drittrundeneffekte. Die Menschen und Betriebe, die besonders unter der momentanen Kostensteigerung litten, müssten weiter unterstützt werden.

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