Weniger Geschäft bedeutet weniger Händler, weniger Standorte und weniger Verkaufsflächen. Sprich, die Branche schrumpft. Auch, weil Onlinehändler Umsätze abziehen. Die Folge: Laut ersten Schätzungen der KMU-Forschung Austria hat zwischen 2019 und 2022 jedes zehnte Schuhgeschäft in Österreich für immer geschlossen.
"Keine andere Branche ist in den vergangenen zehn Jahren so gebeutelt worden wie diese", meint Richter. "Und es zeichnet sich nicht ab, dass auf zehn dürre Jahre nun zehn fette Jahre folgen werden." Im Gegenteil. Schuhhandelsketten streichen ihr Filialnetz zusammen, mieten sich auf immer kleineren Flächen ein.
Die Gründe für das schleppende Geschäft sind "multikausal", wie es Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands und langjähriger Kenner der Branche, formuliert. Der KURIER fasst die wichtigsten fünf Gründe zusammen.
Pandemie, Lieferkettenprobleme und Inflation
Für viele kleine Schuhhändler haben die Probleme schon begonnen, als Corona in den Köpfen der Menschen bestenfalls als Biermarke bekannt war. Also lange vor den ersten Lockdowns, steigenden Energiepreisen, Indexmieten und dem Mangel an Mitarbeitern. Unter Druck kamen viele schon mit dem Einzug großer Schuhhandelsketten, die kleine Mitbewerber aus dem Markt gedrängt haben. Zur Größenordnung: Das deutsche Familienunternehmen Deichmann hat in Österreich mittlerweile rund ein Drittel Marktanteil, auf Platz zwei ist die Leder&Schuh-Gruppe (18 Prozent), analysiert RegioPlan.
Das Geschäft machen jetzt andere
Um Schuhe zu kaufen, muss man nicht mehr zum Fachhändler gehen. Der Bekleidungshandel hat zwar weniger Auswahl, aber eine hohe Drehung der Ware. Sprich, verkauft viele Paare eines Modells und gräbt damit den Fachhändlern Geschäft ab. Gleichzeitig hat der Onlinehandel Fahrt aufgenommen und damit allen voran Zalando. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin verschickt so viele Schuhe an österreichische Adressen wie kein Zweiter (28 Prozent Marktanteil im Onlinehandel). Mit Respektabstand folgen laut RegioPlan Amazon (6 Prozent) und die Leder&Schuh-Kette (3 Prozent).
Geändertes Konsumverhalten
Der Trend geht klar hin zum Sneaker. Nicht nur in der Freizeit, auch im Büro und selbst bei festlichen Anlässen. Teure Lederschuhe haben damit ein Stück weit ausgedient, sagt Mayer-Heinisch. Er sieht generell eine Kaufzurückhaltung. "Ob aus Sparzwängen oder weil viele Konsumenten nachhaltiger leben wollen – es wird weniger gekauft. Und wenn statt fünf nur noch durchschnittlich 2,5 Paar Schuhe im Jahr gekauft werden, ist das halt ein Minus von 50 Prozent."
Gehypte Modelle bekommt nicht jeder
Der Vertrieb gehypter Modelle ist längst eine Art Eliteprogramm geworden, weiß Achim Berg, Modeexperte des Beratungsunternehmens McKinsey. "Bestimmte Modelle werden nie in einem Standardgeschäft landen, der durchschnittliche Kunde wird sie nie bekommen." Das sei Teil der Verkaufsstrategie der großen Sneaker-Produzenten, deren Angebotspalette man sich wie eine Pyramide vorstellen kann.
"Ganz oben sind die limited editions, die es nur bei ausgewählten Händlern und beim Hersteller selbst gibt", erläutert Berg. Künstliche Verknappung, um die Begehrlichkeit und damit den Preis in die Höhe zu treiben, lautet das Marketingkonzept dahinter. Und es funktioniert – selbst am Sekundärmarkt würden prestigeträchtige Modelle zu Rekordpreisen gehandelt werden. Zur Größenordnung: Mode-Aficionados zahlen für Modelle der Marke Balenciaga 800 Euro und mehr.
Hersteller ziehen eigenen Vertrieb auf
Markenhersteller haben ihren eigenen Online-Vertrieb hochgezogen, eigene Flagshipstores eröffnet und ein exklusives Netz an Vertriebspartnern geknüpft. Viele kleine Händler werden schlichtweg nicht mehr beliefert. Aus Sicht von Achim Berg ist das auch verständlich. "Für Markenhersteller ist wichtig, dass nicht nur ihre Bestseller in den Standardgrößen und -farben im Geschäft stehen, sondern auch neue Modelle, von denen noch nicht klar ist, ob sie ein Verkaufsschlager werden."
Wer exklusiver Markenpartner ist, geht also Verpflichtungen ein, die oft über Dutzende Vertragsseiten hinweg festgeschrieben sind. Von Social-Media-Aktionen bis zur Warenpräsentation im Schaufenster. Aus dem Sportartikelhandel ist zu hören, dass der größte Sportschuh-Macher der Welt, Nike, sich das Ziel gesetzt hat, die Hälfte des Europaumsatzes mit eigenen (Online)-Shops und Franchisenehmern zu machen. Die Zahl der belieferten Händler wurde drastisch zurückgefahren, wer an Bord blieb, verpflichtete sich unter anderem zur Abnahme bestimmter Mindestmengen, sagt ein Insider: "Letztlich war das eine Win-Win-Situation für Nike und die verbliebenen Händler, die so ihre Umsätze gesteigert haben."
Kommentare