Zugegeben, auf den ersten Blick schauen die Zahlen nicht schlecht aus. Die Handelsumsätze in Österreich sind im Vorjahr um 15,3 Prozent über das Vorkrisen-Niveau 2019 gestiegen. Nominell. Inflationsbereinigt haben die Händler aber um 3,6 Prozent weniger umgesetzt als noch im Jahr 2019. „Einzelne Sparten, wie der Modehandel, liegen aktuell auf dem Niveau von 2015“, erläutert Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands. Parallel dazu sind die Kosten – von Energie bis Personal – gestiegen, unter dem Strich bleibt vielen Händlern damit immer weniger in der Kassa.
Laut der KMU Forschung Austria lag die Neugründungsquote (6,2 Prozent) im Vorjahr dennoch über der Schließungsquote (4,5 Prozent). Klingt nach Erfolg, ist aber relativ. Schließlich handelt es sich bei den Neugründungen oft um Ein-Personen-Unternehmen, während viele mittlere und kleinere Betriebe von Insolvenzen (im Vorjahr gab es in der Branche 900 Fälle) betroffen sind – und damit oft viele Mitarbeiter.
Kürzere Öffnungszeiten
Apropos. Die Kombination aus weniger Umsatz und zu wenig Personal sorgt mittlerweile schon für kürzere Öffnungszeiten der Geschäfte, sagt Will: „Nicht in Shoppingcentern, in denen die Geschäfte Betriebspflichten haben. Aber in der Peripherie und im Ortskern ist das bei vielen Geschäften de facto schon der Fall. Etwa bei Sportartikelhändlern.“
Aber nicht nur in den Einkaufsstraßen läuft das Geschäft nicht mehr wie geschmiert, selbst Onlinehändler meldeten zuletzt sinkende Umsätze. Das wiederum wirkt sich auf die Papierindustrie aus, die laut Will bereits um 20 Prozent weniger Verpackungsmaterial für den Versandhandel produziert.
Was gekommen ist um zu bleiben, ist das Personalproblem. 2022 waren im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel knapp 22.000 Stellen beim AMS gemeldet, dazu kamen 2.700 offene Lehrstellen. Parallel zu jenen Betrieben, die Mitarbeiter suchen, plant laut einer Umfrage des Handelsverbands jeder vierte befragte Händler Kündigungen. „Wenn einem das Ergebnis davonläuft, muss man trotz allem an der Personalschraube drehen. Der akute Personalmangel darf nicht verwechselt werden mit der Jahresplanung“, kommentiert Rainer Will.
Vollzeit versus Teilzeit
Von den mehr als 625.000 unselbstständig Beschäftigen in der Branche sind laut KMU-Forschung-Austria übrigens mehr als die Hälfte (55 Prozent) Frauen, 27 Prozent der Mitarbeiterinnen haben Migrationshintergrund und mehr als ein Drittel (36 Prozent) arbeiten Teilzeit. Den Vorwurf, dass Händler kaum Vollzeitstellen anbieten, weist Will zurück.
Oft sei es gar nicht möglich, Vollzeitstellen zu besetzen, sagt er. So würden laut der Befragung zurzeit ein Drittel der Händler offene Stellen als Teilzeit ausschreiben, obwohl sie Vollzeit-Mitarbeiter bevorzugen würden. simone hoepke
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