Hans K. Reisch ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand der Salzburger Spar-Gruppe.
Im Lebensmitteleinzelhandel und bei Shoppingcentern ist das Handelshaus laut eigenen Angaben Marktführer in Österreich.
KURIER:Konkurrenten wie MPreis erwägen Standortschließungen. Auch bei Spar haben in Kärnten in kurzer Zeit mehrere Märkte zugesperrt. Ein Trend in Zeiten hoher Energiekosten und geringer Margen?
Hans Reisch: In Kärnten fallen bei uns ein paar Dinge zeitlich zusammen. Einerseits Kaufleute, die in Pension gehen und keinen Nachfolger haben. Andererseits Kaufleute, die Standorte zusammenlegen. Das hat jetzt weniger mit dem Kostendruck zu tun. Kärnten ist überhaupt ein Spezialfall.
Warum?
Weil der Bevölkerungsschwund natürlich auch Auswirkungen auf die Nahversorger vor Ort hat. An manchen Standorten rechnen sie sich einfach nicht mehr.
Die hohen Energiekosten treffen Spar gar nicht?
Doch, natürlich. Von 2021 auf 2022 sind die Energiekosten bei uns im Konzern (Anmerkung: inklusive der Spar European Shopping Center) um 247 Millionen Euro gestiegen, davon entfallen allein 150 Millionen auf Österreich. Das schlägt sich natürlich in unserem EBT (Vorsteuerergebnis, Anm.) bzw. in unseren Spannen nieder, weil wir diese Preissteigerungen nicht an die Kunden weitergeben können.
Auch für Konsumenten wird alles teurer, etwa im Supermarkt. Sehen Sie eine Entspannung an der Preisfront?
Die Rohstoffpreise entwickeln sich derzeit nach unten. Wie sehr sich das auf die Preisgestaltung der Lebensmittelproduzenten durchschlagen wird, bleibt abzuwarten. Nur weil die Rohstoffpreise sinken, werden die Produkte nicht automatisch billiger. Das ist nur ein kleiner Puzzlestein im Gesamtbild. Neben gestiegenen Zinsen, Transport-, Energie und Arbeitskosten ...
Sehen Sie Änderungen im Konsumverhalten?
Ja, viele sparen, wir sehen es bei den Zuwachsraten unsrer Marke S-Budget. 2022 haben wir unter dieser Marke um 72 Prozent mehr Wurst produziert und verkauft als noch ein Jahr zuvor. Über alle Produktkategorien hinweg erreicht die Preiseinstiegsmarke ein Umsatzplus von
24 Prozent. Interessanterweise haben die Premiummarken aber keine Einbrüche. Ich denke, das liegt daran, dass viele Konsumenten weniger ins Gasthaus gehen, sich aber dafür etwas Gutes für daheim leisten.
Wie viel ist das AMA-Gütesiegel nach den jüngsten Skandalen in der Fleischwirtschaft noch wert?
Grundsätzlich viel, wenn lückenlos kontrolliert werden würde. Das fordern wir auch von der AMA ein. Bei den Sonderprogrammen, bei denen auch unsere eigene Qualitätssicherung kontrolliert, wie zum Beispiel dem Murbodner Rind, gibt es solche Skandale nicht.
Sie importieren aber auch Billig-Geflügelfleisch aus Italien. Hört sich beim Preis die Bekenntnis zum „Made in Austria“ auf?
Unser Geflügel kommt zu 95 Prozent aus Österreich, nur fünf Prozent sind aus Italien. Dabei handelt es sich um hauchdünn geschnittenes Schnitzelfleisch, das in Österreich niemand in dieser Qualität liefern bzw. schneiden kann.
Um wie viel billiger ist das Fleisch aus italienischen Fabriken?
Man kann die Preise gar nicht vergleichen, weil es sich um eine andere Verarbeitung handelt. Quasi um einen anderen Produktionsschritt. Die Kunden wollen dieses Produkt haben.
Spar-Gruppe
Die SPAR Österreich-Gruppe ist in Österreich und 7 Nachbarländern im Lebensmittelhandel, Sportfachhandel (Hervis) und Shoppingcenter-Bereich (SES) tätig. Der Brutto-Verkaufsumsatz der Gruppe stieg 2022 um +7,3 % auf 18,63 Milliarden Euro
Lebensmittelhandel
In Österreich ist der Spar-Verkaufsumsatz erstmals auf über 9 Milliarden Euro gestiegen (+4,7 Prozent)
91.300 Beschäftigte
hat Spar, davon 50.600 in Österreich
Die EU plant eine Nährwertkennzeichnung für Lebensmittel (Nutri-Score, Anm.). Was gesund ist, bekommt bei dieser Ampelkennzeichnung einen grünen Punkt, Ungesundes einen roten. Was ist schlecht daran?
Die Kennzeichnung ist so vereinfacht, dass sie Konsumenten fehlleiten kann.
Wie meinen Sie das?
Es beginnt damit, dass die Grundlagen für die Bewertungen nicht den neuesten Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft entsprechen.
Zum Beispiel?
Künstliche Süßstoffe, wie Saccharin oder Aspartam, sind zwar kalorienarm, aber mittlerweile weiß man, dass sie schädlich sind. Zudem wird Nutri-Score immer auf 100 Gramm oder 100 ml eines Produktes berechnet. Kein Mensch isst nur 100 Gramm Pizza oder trinkt 100 Milliliter Olivenöl. Olivenöl wird übrigens mit rot gekennzeichnet, obwohl es sogar gesundheitsfördernde Eigenschaften hat.
Diskutiert wird auch über ein Werbeverbot für zu Salziges, zu Süßes und zu Fettiges ...
Statt so einer Überregulierung sollte man besser in den Schulen auf das Fach Ernährungserziehung setzen, das würde mehr am Ernährungsverhalten ändern. Mit vielen Verboten und Regulierungen wird genau das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen wollte.
Zum Beispiel?
Die Einführung der Zuckersteuer hat dazu geführt, dass Produzenten in den betroffenen Ländern statt Zucker künstlichen Süßstoff verwendet haben, der nach den neuesten Erkenntnissen noch schädlicher ist.
Was halten Sie von der Forderung nach einer Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel?
Gar nichts. Das wäre eine Geldverteilung mit der Gießkanne ohne jegliche Treffsicherheit.
Bremsen die jetzt wieder steigenden Zinsen die Spar-Investitionspläne?
Nein, wir haben zu einem guten Teil Fixzinsen und ausreichend Liquidität. Wir sind, Gott sei Dank, seit 1954 ein Familienunternehmen und können Entscheidungen frei von der Börse treffen.
Kommentare