Lebensmittelpreise: Absage an Mehrwertsteuer-Senkung
Hoch sind nicht nur die Preise am Bau, hoch sind aktuell auch viele Preise bei Lebensmitteln und sogenannten Inputs, also Gütern, die notwendig sind, um Agrargüter zu produzieren.
Da ist zum einen der Dünger. „Dünger ist sehr, sehr teuer. Er kostet aktuell das 2- bis 3-fache von dem, was vor 1,5 Jahren zu bezahlen war“, erklärt Wifo-Agrarökonom Franz Sinabell im Gespräch mit dem KURIER. Die Folge: Weniger Dünger wird eingesetzt, gibt weniger Ertragssicherheit, so Sinabell. Auch Sonnenblumenöl ist knapp, Getreide und Kartoffeln haben sich ebenso verteuert. „Auch Fleisch ist um bis zu 40 Prozent teurer geworden“, Milch rund 10 Prozent. Billiger wird es da und dort auch, etwa bei den Zwiebeln. „Das sind Güter, die im Lager liegen. Bis zur nächsten Ernte müssen die Lager freibekommen werden.“
Andere Faktoren
Werden Agrargüter teurer folgt mit einigen Wochen oder Monaten Zeitverzögerung auch ein Anstieg bei den Lebensmittelpreisen. Nur – umgekehrt tritt dieser Effekt nicht annähernd so automatisch ein. „Ein Grund dafür ist, dass in den Lebensmittelkosten sehr viel Energie drin ist, und sehr viel Arbeit. Lohnerhöhungen werden auf die Preise der Lebensmittel umgelegt. Agrargüterpreise sind also schon auch für die Lebensmittelpreise verantwortlich“, sagt Sinabell – den Großteil machen aber Faktoren wie Energie, Verpackung, Kühlung, Pasteurisierung und Arbeitskraft aus.
Die Versorgungssicherheit in Europa sei dennoch „nicht im roten oder gelben Bereich“ sagt Sinabell. „Weil wir sehr reich sind, können wir uns auch teure Lebensmittel leisten. Wir haben in Österreich außerdem eine Landwirtschaft, die bei vielen Produkten einen Großteil dessen selbst produziert, was verbraucht wird.“ Leidtragende an den globalen Preiserhöhungen sind arme Staaten.
Fokus auf die Ärmsten
Wie man die hohe Versorgungssicherheit langfristig absichert? Direkt bei der Agrarproduktion ansetzen, „die Resilienz der Agrarproduktion zu erhöhen“, also vor allem „in Agrarforschung und -entwicklung weiterzuinvestieren, um effizienter zu werden“, sagt Sinabell. Und wie jetzt den hohen Lebensmittelpreisen entgegentreten? „Es macht wenig Sinn, alle Lebensmittelpreise einzufrieren oder zu senken.“
Was die Politik stattdessen tun sollte? „Sicherstellen, dass der Wettbewerb funktioniert, dass Energie- und Agrarpreise sich stabilisieren.“ Und: Auf die Gruppen mit Unterstützungen fokussieren, die schwer in Bedrängnis kommen. Also: Bedarfsorientierte Mindestsicherung und Notstandshilfe anheben, so der Experte.
Verhalten anpassen
„Alle anderen Haushalte, die nicht armutsgefährdet sind, haben die Möglichkeit, den Konsum umzuschichten und ihr Verhalten anzupassen“, sagt der Wifo-Experte. Einer Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel, erteilt Sinabell eine Absage. „Der Staat nimmt zwar mehr ein, aber dieses Geld wird auch notwendig sein, um eben in Forschung und Entwicklung einer produktiveren Landwirtschaft und eine Krisenvorsorge für ärmere Haushalte zu finanzieren.“
Wie es in Zukunft weitergeht, ist angesichts des Ukraine-Kriegs schwer zu prognostizieren. Was die landwirtschaftlichen Güter angeht, wird aber jetzt vermutet, dass sich „der Preisauftrieb nicht fortsetzt“ – vorausgesetzt, es kommt nicht zu einem exogenen Schock wie einer großen Missernte.
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