In Österreich wird seit Langem wieder gestreikt. Der KURIER liefert dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum ist die Lage bei der Bahn und den Brauereien eskaliert?
Bei der Bahn gaben sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gegenseitig die Schuld. Die Arbeitgeber warfen der Gewerkschaft „unrealistisch hohe Forderungen“ vor, die Gewerkschafter sehen wegen vieler niedriger Löhne hingegen noch massiven Aufholbedarf. Die Bierbrauer verlangen ebenfalls mehr Geld. Bei Puntigamer wurden die Geldflüsse an Eigentümer Heineken in Amsterdam kritisiert: „Für die Aktionäre gibt es Krügerl, für uns bleiben nur Seidel übrig.“
Wie geht es mit diesen beiden Branchen weiter?
Am Dienstag sollen der Personen- und Güterverkehr laut ÖBB mit Betriebsbeginn wieder aufgenommen werden, vereinzelte Ausfälle oder Verspätungen könnte es aber noch geben. Die Verhandlungen wurden am Wochenende vorerst ohne neuen Gesprächstermin abgebrochen. Bei den Brauern soll mit den Warnstreiks Bewegung in die Verhandlungen kommen. Die nächste Runde findet am 9. Dezember statt. Wenn es da keine Einigung gibt, wird am 12. Dezember in einen unbefristeten Streik übergegangen.
Drohen weitere Streiks?
Ja, bei der A1 Telekom und im Handel. Bei der A1 finden heute, Dienstag, österreichweit Betriebsversammlungen statt. Die fünfte Verhandlungsrunde wurde am Montag ergebnislos abgebrochen. Die KV-Verhandlungen im Handel (430.000 Beschäftigte) sollen heute fortgesetzt werden. Sollte es zu keiner Einigung kommen, stehen Streiks am 2. und 3. Dezember im Raum. Die Arbeitgeber bestehen auf Einmalzahlungen, die Gewerkschaft verlangt eine Gehaltserhöhung, die über der Inflationsrate von 6,9 Prozent liegt. Die Gewerkschaft ist von ihrer Forderung von zehn Prozent mehr Entlohnung abgerückt und verlangt jetzt 8,5 Prozent plus einen Mindestbetrag, sodass niedrige Einkommen eine zweistellige Erhöhung bekommen. Im Schnitt würde das Gehaltsplus 9,37 Prozent betragen.
Laut dem Ökonomen Friedrich Schneider von der Johannes-Kepler-Universität in Linz schlägt sich der Bahnstreik „mit 100 bis 120 Millionen Euro Schaden“ zu Buche, dazu zählen Zuspätkommen und Produktionsausfälle. Laut Thomas Scheiber, vom Fachverband der Schienenbahnen in der WKÖ, kostete der Streik die Bahnbetreiber direkt rund 20 Millionen Euro.
Was kostet ein Streiktag die Gewerkschaft?
Das ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Republik. Die Gewerkschaft muss ab der ersten Minute für den Streik zahlen, allerdings nur für jene Beschäftigten, die sich beim Arbeitgeber abmelden und aktiv beim Streik mitmachen. Die Gewerkschaft hat einen Streikfonds, aus dem diese Kosten finanziert werden. Wie viel Geld da drinnen ist, verraten sie nicht, weil sich sonst die Arbeitgeber ausrechnen könnten, wie lange die Gewerkschaft einen Streik durchhält. Nur eines ist klar: Die Gewerkschaft würde keinen Streik beginnen, wenn sie nicht wüsste, dass er sich finanziell ausgeht.
Wer zahlt die Beschäftigten im Handel, wenn gestreikt wird?
„Wir zahlen ja den Gehalt für alle Mitarbeiter ganz normal, die nicht Teil der Streikmaßnahmen sind“, sagt Handelsverbandschef Rainer Will. „Aber die Geschäfte werden wegen des geplanten Streiks an einem Mangel an Kunden leiden, den alle spüren werden.“
Wenn im Handel gestreikt wird, streikt dann auch der Lebensmitteleinzelhandel?
Ja, der Lebensmitteleinzelhandel war auch schon früher von Streiks betroffen.
Was würde es kosten, wenn der Handel streikt?
Der zweite Einkaufsfreitag im Advent bringt laut Handelsverbandschef Rainer Will bis zu 300 Millionen Euro Umsatz, der zweite Advent-Samstag bringt dem Handel in der Regel 350 Millionen Euro Umsatz, der dritte und vierte Einkaufssamstag jeweils rund 400 Millionen Euro. Wird diesmal am zweiten Advent-Samstag im Handel gestreikt, fällt laut Handelsverband nicht der gesamte Umsatz weg, sondern dieser verschiebt sich großteils auf andere Einkaufstage und ins Internet.
Wer ersetzt die Kosten für ein für den Streiktag gelöstes Ticket?
Die Tickets, die für eine Reise am Streiktag gebucht wurden, sind laut ÖBB bis einschließlich 5. Dezember 2022 gültig. Sie können aber „bei Nichtantritt der Reise storniert und rückerstattet werden“. Bahnkunden können ihre Tickets in allen ÖBB-Reisezentren, Ticketschaltern und beim Kundenservice stornieren oder umbuchen. Stornos für die Reise am Streiktag können auch nachträglich geltend gemacht werden.
Bekomme ich eine Entschädigung, wenn ich ein Klimaticket habe?
Ein Klimaticket garantiert prinzipiell das Fahren mit den Bundesbahnen für 365 Tage im Jahr. Durch den 24-Stunden-Streik können Fahrgäste das Klimaticket jedoch nur noch 364 Tage im Jahr nützen. Wer eingewilligt hat, dass das zuständige Klimaministerium Daten für die Abwicklung der Fahrgastrechte verwenden darf, dann bekommt man die Entschädigung mit der Jahresrechnung. Die Einwilligung kann auch im Nachgang erteilt werden.
Wenn Bahnkunden wegen des Streiks in einer Stadt stranden, die nicht das Endziel ist, zahlen dann die ÖBB die Hotelkosten?
Ja. „Kosten für eine angemessene Hotelunterkunft und Taxifahrtkosten zum Hotel werden von den ÖBB übernommen“, so die Bahn.
Droht Arbeitnehmern arbeitsrechtlich Gefahr, wenn sie wegen eines Streiks zu spät zur Arbeit kommen?
Nein. Arbeitnehmer sind nur verpflichtet, sich beim Arbeitgeber zu melden und ihn über die Verspätung zu informieren.
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