Autoflaute: Wieso Sie bis zu ein Jahr lang auf einen neuen Pkw warten müssen
Wer sich einen Neuwagen zulegen will, muss Geduld haben, denn die Situation am Automarkt bleibt angespannt. Die Lieferzeiten sind lange, und daran wird sich nicht so bald etwas ändern, berichtet Günther Kerle, Sprecher der Automobilimporteure Österreichs.
Es gibt ein paar Modelle, die prompt lieferbar sind, doch hier handelt es sich nur um eine begrenzte Stückzahl und auch die gibt es nur in bestimmten Ausführungen. Bis zu zwölf Monate muss man derzeit im Durchschnitt auf einen Neuwagen warten, sagt Kerle. „Ich rechne erst nächstes Jahr im ersten Halbjahr mit ein bisschen Entspannung.“
Der Höhepunkt der Halbleiter-Krise sei überschritten, die Lage bessere sich. Allerdings gebe es auch andere Probleme, wie den Mangel an Lkw-Fahrern. Händler würden auch deshalb keine Autos bekommen, weil schlicht und einfach keine Fahrer da seien, um sie zu liefern.
Verärgerte Kunden
Was die Situation verschlimmert: Bereits jetzt werden Autos verkauft, die erst Ende des Jahres oder im Jänner beziehungsweise Februar ausgeliefert werden können und dem Handel dann fehlen. Dass auch immer wieder Autos verkauft werden, die noch gar nicht gebaut wurden und dadurch noch längere Lieferzeiten entstehen, verärgert viele Kunden.
Rabatte gibt es derzeit nur in geringen Maßen. Wenn sich die Lieferzeit deutlich verlängert, kann der Kunde vom Kaufvertrag zurücktreten – was ihm aber in der gegenwärtigen Situation wenig bringt, da er ohnehin kein anderes Auto bekommt. „Immerhin hat er eine Preisgarantie“, sagt Kerle. Denn wenn die Preise eines Modells während der Wartezeit steigen, bleibt für den Käufer der Preis, den er beim Vertragsabschluss unterschrieben hat, bestehen.
Zum Beginn der Halbleiterkrise waren Verbrenner rar, aber E-Autos noch lieferbar. Das hat sich inzwischen geändert, auch bei E-Autos gibt es Wartezeiten von bis zu zwölf Monaten. All das wirkt sich auch auf den Gebrauchtwagenmarkt aus. Das Angebot wird dort immer geringer, was die Preise in die Höhe treibt. Im Vergleich zum Vorjahr sind sie bereits um 15 bis 20 Prozent gestiegen. Kunden fahren ihre Gebrauchtwagen länger, deshalb fehlen sie am Markt.
Viele Teile fehlen
Klaus Edelsbrunner, Bundesgremialobmann des Fahrzeughandels Österreich, sieht die Situation düsterer als Kerle. „Die Lieferzeiten dauern von null bis eineinhalb Jahren. Man kann nicht festnageln, woran es hapert.“ Es fehle nicht nur an Chips, auch andere Teile, wie Außenspiegel, seien oft nicht verfügbar. Das liege an den unterbrochenen Lieferketten von China nach Europa.
Außerdem würden nicht immer die selben, sondern ständig verschiedene Teile fehlen, was die Sache noch schwieriger mache. Die Lieferzeit ist inzwischen fixer Bestandteil eines Verkaufsgesprächs geworden, sagt Edelsbrunner. „Bei dem Modell warten sie zwei Monate, bei dem vier bis sechs Monate und bei dem ein Jahr“, erzählt er aus der Praxis.
Ein Ende der Flaute ist für ihn nicht in Sicht. Er fürchtet ein Eskalieren der Taiwan-Krise, „dann wird es ganz schlimm“, sagt Edelsbrunner. Aus Taiwan würden 80 Prozent aller Chips kommen, wenn es zu einer Blockade käme, würde alles stillstehen.
Stark eingebrochen
Tageszulassungen sind laut Edelsbrunner wegen des Automangels enorm eingebrochen. Lagen sie früher im Jahr bei 60.000, so sind es heuer bis Ende Juli lediglich 4.000 gewesen.
Warum es heuer noch schwieriger ist, einen Neuwagen zu ergattern, hat einen weiteren Grund: „Grundsätzlich sind die Lager nicht mehr so gefüllt wie noch vor einigen Jahren. Damals waren viele Fahrzeuge vorbestellt und der Kunde hatte eine größere Auswahl an Lagerfahrzeugen“, sagt Sebastian Obrecht, Sprecher des Autofahrerklubs ARBÖ.
Die Preise würden auch deshalb getrieben, weil vor allem Fahrzeuge mit höheren Ausstattungen angeboten würden, Standardfahrzeuge beziehungsweise Einstiegsvarianten gebe es derzeit kaum.
Kaum Entspannung
Bei E-Fahrzeugen hängt die Lieferdauer davon ab, wo sie produziert werden. Fahrzeuge aus europäischer Produktion sind eher verfügbar als Überseeproduktionen, sagt Obrecht.
Er geht davon aus, das sich die Situation am Automarkt in den kommenden ein bis zwei Jahren kaum entspannen wird. Am Gebrauchtwagenmarkt beobachtet Obrecht derzeit Kurioses: „Teilweise werden Gebrauchtwagen zum Händler-Verkaufspreis zurückgenommen und noch teurer verkauft.“
Unterschiede zwischen einzelnen Marken sieht Obrecht nicht, alle würden mit Problemen kämpfen und hätten Modelle, die früher oder später lieferbar seien. Autos aus Europa seien eher rascher verfügbar als jene aus Asien oder den USA. Hier handle es sich meist um Logistikproblemen innerhalb der Schifffahrt und wegen gesperrter Häfen in China.
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