Rekordverdächtig: Gebrauchtwagen fast um ein Drittel teurer
Die Angebote am österreichischen Gebrauchtwagen-Markt haben sich massiv ausgedünnt. So werden bei den stationären Händlern als auch auf den Internet-Plattformen von Händlern viel weniger Fahrzeuge angeboten als vor zwei Jahren.
Die Situation hat sich nicht nur wegen der Corona-Pandemie und der langen Wartezeiten am Neuwagenmarkt aufgrund des Chipmangels, sondern aktuell auch wegen des Ukraine-Krieges und der daher fehlenden Kabelbäume weiter zugespitzt, heißt es seitens des Autofahrerclubs ÖAMTC.
„Seit vergangenem Herbst haben wir ein Drittel weniger Autos online im Angebot“, bestätigt Alexander Vysek von der Internet-Plattform autoscout24.at, zu der auch gebrauchtwagen.at gehört. Die Bestände seien nachhaltig gesunken.
„Weil die Händler keine Neuwagen nachbekommen, verlängern die Leute oft die Leasingfahrzeuge. Das heißt, es kommen auch keine Jungwägen in die Vermarktung“, sagt Vysek.
Zu wenig Autos auf Lager
Die Internet-Plattform autogott.at ist noch stärker betroffen. „Im Vergleich zum Vorjahr haben wir 54,1 Prozent weniger sofort verfügbare Fahrzeuge online. Das betrifft Vorführwagen, Jungwagen, Lagerfahrzeuge (ohne Kilometer) und Gebrauchtwagen“, sagt Stefan Novotny von autogott.at.
Auch Klaus Edelsbrunner, Bundesgremialobmann des Fahrzeughandels in der Wirtschaftskammer Österreich, bestätigt die Misere. „Wir haben momentan zu wenige Autos auf dem Lagerplatz. Normal kommt ein Rücklauf von Gebrauchtwagen, wenn ich neue Autos ausliefere. Doch bei den Neuwagen sind die Lieferzeiten schleppend, sie betragen sechs Monate bis zu eineinhalb Jahre“, sagt Peugeot-Händler Edelsbrunner, der seine Autos auf zehn Online-Plattformen anbietet. „Die Gebrauchtwagen, die eingetauscht werden, sind bereits verkauft, wenn sie beim Händler hereinkommen.“
Der Engpass schlägt sich massiv auf die Preise nieder. „In den vergangenen eineinhalb Jahren sind die Preise für Gebrauchtwagen gute zehn bis 15 Prozent gestiegen“, sagt Edelsbrunner.
Laut Wolfgang Pfeffer, Gerichtssachverständiger für Unfallanalyse und Kfz-Bewertung, haben sich die Gebrauchtwagenpreise von 2020 auf 2021 im Durchschnitt um circa 20 Prozent erhöht, bei einzelnen Modellen lag die Steigerung noch deutlich darüber.
Laut Berechnungen von Autoscout24 ist der Durchschnittspreis eines Gebrauchtwagens von Jänner 2019 bis April 2022 sogar um 28,6 Prozent bzw. 5.655 Euro gestiegen (siehe Grafik).
„Es ist eine Ausnahmesituation. Es ist auch die interessante Ware vom Markt verschwunden“, sagt Vysek. „20.000 Euro sind beim Autokauf so eine psychologische Barriere. Angebote für Autos unter 20.000 Euro werden seltener.“ Die leicht gängigen günstigen Autos verschwinden vom Markt, die teuren Autos bleiben übrig.
„Umso beliebter die Modelle, umso höher ist die Nachfrage und umso stärker ist auch die Preissteigerung“, sagt Gutachter Pfeffer. Besonders betroffen seien beliebte Modelle, die ausgelaufen sind, wie der VW Sharan oder der VW Beetle Cabrio, für die es keine konkrete Nachfolgemodelle gebe.
Auch Modelle, die schwer lieferbar sind, wie nachgefragte Autos im E-Fahrzeugbereich, etwa Fahrzeuge von Tesla oder der Hyundai Ionic 5, sind laut Pfeffer am Gebrauchtwagenmarkt manchmal sogar über den Listenneupreis gestiegen.
Teuerung flacht sich ab
Was die Preise betrifft, so dürften diese laut Vysek mittlerweile den Plafond erreicht haben. Von März auf April 2022 gab es erstmals wieder einen leichten Rückgang.
„Die Teuerung wird sich weiter abflachen, wenn die Lieferketten wieder zunehmend geschlossen werden können“, meint Pfeffer. „Die Gebrauchtwagenpreise werden sich meiner Einschätzung nach auf einem hohen Niveau stabilisieren, erst wenn die Lieferzeiten von Neuwagen sinken und die Unsicherheiten bei den E-Fahrzeugen und Spritpreisen zurückgehen, wird sich wieder ein marktüblicher Wertverfall ergeben.“
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