Touristische Fachkräfte aus Kroatien sind in den Ferienregionen heiß begehrt. Die Ausbildung in Kroatien wird von der Österreichischen Hoteliersvereinigung (ÖHV) im Rahmen der EU-geförderten Erasmus Hotel Academy unterstützt.
Keine Schranken mehr
Ab Juli haben kroatische Staatsbürger freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Das heißt, der Arbeitsmarkt steht nicht nur gesuchten Fachkräften, sondern auch Hilfskräften und wenig qualifiziertem Personal offen. Neben
Österreich haben nur noch die Niederlande, Slowenien und Malta die volle siebenjährige Übergangsfrist seit dem EU-Beitritt Kroatiens ausgeschöpft. Deutschland öffnete den Arbeitsmarkt bereits 2015. Österreich bat die Kroaten aus Angst vor einem zu starken Zustrom um zwei weitere Jahre Geduld.Ganz geschlossen waren die Grenzen freilich schon jetzt nicht. Fachkräfte in 60 Mangelberufen – vornehmlich in der Industrie – durften schon jetzt in Österreich arbeiten, auch Familienzusammenführung war möglich. Seit dem EU-Beitritt 2013 gab es daher einen jährlichen Zuzug von 2.500 bis 3.000 Arbeitskräften. Die Zahl der unselbstständig Erwerbstätigen hat sich seither auf 36.000 nahezu verdoppelt (siehe Grafik).
Damit verzeichnen die Kroaten als Ausländergruppe derzeit das stärkste prozentuale Wachstum und liegen in absoluten Zahlen nur noch knapp hinter den Polen und Slowaken, und schon vor den Serben. Am häufigsten finden die Kroaten Beschäftigung im Tourismus, aber auch in der Industrie, im Einzelhandel und am Bau. Dazu kommen 6.800 Selbstständige, die vor allem im IT- und Gesundheitssektor tätig sind.
Arbeitsmarkt-Experten gehen davon aus, dass die vollständige Öffnung im Sommer einen zusätzlichen Schub an Arbeitskräften bringen wird, wenn auch weniger als bei einer Öffnung 2018. Das
Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) rechnet bis 2023 im Jahresdurchschnitt mit 5.400 zusätzlichen Migranten. Der Gesamtbestand an kroatischen Migranten wird bis 2023 auf 103.800 geschätzt.
„Eine exakte Schätzung der Migration ist schwierig“, sagt WIIW-Expertin
Hermine Vidovic zum KURIER. „Nach der vollständigen Freigabe des Arbeitsmarktes werden sicher mehr kommen. Nach einiger Zeit dürfte aber wieder eine Abschwächung eintreten.“ Österreich zählt neben Deutschland, Irland und der Schweiz zu den Top-Zielländern. Wie die Touristiker glaubt auch Vidovic, dass viele Arbeitskräfte bereits nach Deutschland gegangen sind. Das AMS selbst verfügt über keine aktuelle Prognose.
Befürchtet wird von Experten auch ein Anstieg der Arbeitslosigkeit, da weniger Qualifizierte häufiger labile Arbeitsverhältnisse haben. Schon jetzt ist die Arbeitslosenquote bei den Kroaten mit 14,4 Prozent doppelt so hoch wie die allgemeine. Darunter sind jedoch vor allem schon länger in Österreich lebende kroatische Staatsbürger.
Hauptmotive der Kroaten für den Zuzug nach Österreich sind laut WIIW-Studie neben höheren Löhnen der Wunsch nach besserer Lebensqualität und Karrierechancen, aber auch Unzufriedenheit mit der politischen Situation im Land. Auch Netzwerke durch Familienmitglieder, Verwandte und Freunde in Österreich spielen eine Rolle.
Die meisten Auswanderer sind im Haupterwerbsalter, etwa die Hälfte in der Altersgruppe zwischen 20 und 44 Jahren. Gestiegen ist der Anteil der unter 19-Jährigen, was einerseits auf Familienzusammenführung hinweist, aber auch darauf, dass ganze Familien Kroatien in den vergangenen Jahren verlassen haben. Laut offizieller Statistik ist die Bevölkerung Kroatiens seit 2008 um 230.000 gesunken, inoffiziell sollen es fast doppelt so viele sein.
Vidovic spricht mit Verweis auf die seit dem EU-Beitritt verbesserten Wirtschaftsdaten von einem paradoxen Phänomen: „In Kroatien entwickelt sich die Wirtschaft gut, aber trotzdem nimmt die Migration zu. Es hat scheinbar niemand ein Mittel, wie die Menschen zu halten sind.“
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