Kroaten in Österreich: Es lockt nicht nur das Geld

Familie Jurčić verspürt kein Heimweh mehr: „Wir mögen Wien“
Porträt: Zwei Akademiker erklären ihre Gründe, warum ihre Familie von Zagreb nach Wien übersiedelte
Von Uwe Mauch

„Wir mögen Wien.“ Da sind sich Hrvoje Jurčić und Adrijana Markon Jurčić einig. Ganz besonder schätzen die beiden Akademiker, die in ihre Neubauwohnung beim Rennweg eingeladen haben, „das weltoffene Klima dieser Stadt und den respektvollen Umgang der Menschen miteinander“. Beide haben in der kroatischen Hauptstadt Zagreb studiert und grundsätzlich in schönen Berufen gearbeitet.

Beide sind Prototypen für die moderne Diaspora in ihrem Heimatland. Im Gegensatz zu den gastarbajteri der ersten Generation sind sie mit ihren beiden Söhnen Slaven und Jakov ausgewandert. Ihre Tochter Neva kam schon in Wien zur Welt.

Point of no Return

Die Chance, dass die junge Familie jemals in die Stadt, in der beide Eltern 37 Jahre lang gelebt haben, zurückkehrt, geht damit wie bei zigtausenden Landsleuten gegen null. Und das in einem kleinen Land, das ebenso wie Österreich seit Jahrzehnten mit dem Geburtenrückgang ringt.

Hrvoje Jurčić ist als gut ausgebildeter Geologe von der großen kroatischen zur österreichischen Mineralölgesellschaft gewechselt. Schon bald nach dem Studium hatte er überlegt, seiner Heimat den Rücken zu kehren. „Ich hatte keine Perspektiven, mich in meinem Beruf ernsthaft weiterzuentwickeln. Dazu kam die Korruption im Land und der unverändert raue Umgangston, der sich nach dem Ende des Jugoslawien-Kriegs nie verändert hat. Das alles hat mich dazu bewogen, mit meiner Familie die Koffer zu packen.“ Dass er mit seinem Know-how in Österreich vier Mal so verdienen kann wie in Kroatien, kam erleichternd hinzu. „War aber nicht mein wichtigster Beweggrund.“

Ähnliches erzählt seine Frau Adrijana. Die top ausgebildete und hoch motivierte Kroatisch-Lehrerin hat in einem angesehenen Gymnasium im Stadtzentrum von Zagreb unterrichtet: „Auch ich bin letztendlich an den Strukturen gescheitert. Meine Leidenschaft für den Beruf hat in dem behäbigen System schnell zu persönlichen Frustrationen geführt.“

Schulische Unterschiede

Behäbig ist auch das hiesige Schulsystem. Anders ist es nicht zu erklären, dass die mehrsprachige Akademikerin in Wien keinen regulären Lehrerposten findet. Vorerst hat sie im Kroatischen Zentrum der Burgenlandkroaten Beschäftigung gefunden: „Ich arbeite mit Kindern ab dem zweiten Lebensjahr und bringe ihnen meine Muttersprache näher.“

Die Schulen ihrer beiden Buben stellt die Pädagogin über vergleichbare Einrichtungen in Zagreb: „Der Lehrplan in Wien ist nicht so fordernd, dafür haben die Kinder mehr Optionen, um ihre Begabungen zu entwickeln.“ Nach fünf Jahren im Ausland scheinen die Würfel gefallen zu sein. Heimweh verspürt die Familie nicht. Hrvoje Jurčić erklärt das so: „Wenn wir unsere Familie in Zagreb besuchen, dann fühle ich mich als Fremder in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Die Straßen sind noch da, aber die Menschen sind heute andere.“

Seine Freunde von früher, aus der Schule, von der Uni, von der Arbeit, wirken entweder frustriert oder leben selbst nicht mehr in Kroatien. Ein Freund hat ihm kürzlich in Zagreb eröffnet, dass er seinen langjährigen Job kündigen musste. „Er wurde nicht schlecht bezahlt, aber die Arbeit hat in seit ewiger Zeit schon nicht mehr gefordert.“

300 Euro pro Monat

Selbstverständlich gibt es auch Kroaten, die wegen des Geldes auswandern. Zum Beispiel Verkäuferinnen, die mit 300 Euro bei vergleichbar hohen Lebensmittelpreisen wie in Österreich nicht mehr über die Runden kommt. In kroatischen Einkaufszentren werden indes die extrem langen Öffnungszeiten infrage gestellt. Weil man nur mehr schwer Personal findet. Aber das ist wirklich nicht mehr das Problem der Familie Markon Jurčić.

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