Wo der Presse überall Fesseln angelegt werden

Wo der Presse überall Fesseln angelegt werden
Sie zensieren, verbieten, verfolgen: Die Liste der "Feinde der Pressefreiheit" wird länger. Österreich ist im Pressefreiheits-Ranking abgerutscht.

Wir konsumieren täglich wie selbstverständlich Medien und gehen davon aus, dass die Berichte in freien Verhältnissen zustande gekommen sind. Doch wie das Ranking von Reporter ohne Grenzen (ROG) zeigt, gibt es fast überall auf der Welt Einschränkungen für Journalistinnen und Journalisten - in verschiedenen Abstufungen. Daran erinnert am Freitag, 3. Mai, der Internationale Tag der Pressefreiheit.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte mehr Schutz für Journalisten. Auf der ganzen Welt würden Reporter wegen ihrer Arbeit bedrängt, eingesperrt, gefoltert und immer wieder auch ermordet, sagte Ban am Donnerstag vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. „Wir können mehr tun“, sagte er. Vor allem dürften Verbrechen gegen Medien nicht straffrei sein. Viel zu oft würden Morde an Journalisten aber nicht oder nur oberflächlich verfolgt.

Das Motto 2013 lautet "Gefahrlos sprechen: Das Recht auf freie Meinungsäußerung in allen Medien sichern". Es unterstreiche, "wie notwendig es ist, dass Journalisten ihre wichtige Arbeit leisten können", so Ban Ki-moon. Denn weltweit seien Medienleute "immer größeren Gefahren ausgesetzt".

Aktionsplan gegen Straflosigkeit

Wo der Presse überall Fesseln angelegt werden
epa03606066 United Nations Secretary-General, Ban Ki-moon, is seen during a press conference after the High-Level Segment of the 22nd Session of the Human Rights Council, at the European headquarters of the United Nations in Geneva, Switzerland, 01 March 2013. EPA/MARTIAL TREZZINI
"Wenn ohne Gefahr gesprochen werden kann, profitiert davon die gesamte Welt", erklärte Ban. Die UNO habe deshalb einen Aktionsplan für die Sicherheit von Journalisten und gegen Straflosigkeit entwickelt. Ziel sei es, für beide Bereiche "praktische Schritte zu entwickeln, damit Journalisten ungehindert und frei berichten können".

Der ukrainische Außenminister Leonid Kozhara, derzeit Vorsitzender der OSZE, betonte, dass Attacken auf Journalisten "inakzeptabel" seien. "Es kann keine Straflosigkeit für kriminelle Taten gegen sie geben", so Kozhara in einer Aussendung, der gleichzeitig betonte, dass Pressefreiheit zu den Prioritäten des ukrainischen OSZE-Vorsitzes zähle.

Österreich abgerutscht

Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) kritisierte anlässlich des Internationalen Tages für Pressefreiheit, dass sich die weltweite Situation für Journalisten zum 20. Mal nicht verbessert habe. Mord, Unterdrückung, Zensur und Bedrohung stünden in fast allen Ländern an der Tagesordnung, hieß es in einer Aussendung. "Besonders absurd" werde die Situation im kommenden Jahr im Europarat. 2014 soll die Organisation von Aserbaidschan, einem Land, "in dem alle Regeln der Pressefreiheit missachtet werden", geleitet werden. Die in Straßburg ansässige Institution solle deshalb "entsprechend Druck" ausüben.

Im letzten Jahrzehnt wurden mehr als 600 Journalisten weltweit getötet, 120 davon im vergangenen Jahr. Hunderte weitere sind nach UNO-Angaben inhaftiert worden. Auch in Österreich verschlechtere sich die Lage, ließ der ÖJC wissen. Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit (siehe: Ranking weiter unten) von Reporter ohne Grenzen (ROG/RSF) sei die Alpenrepublik abgerutscht und belegt zuletzt Platz 12 (Rang 5 im Jahr davor). Heimische Journalisten hätten zudem einen "sehr schlechten Ruf" in der Bevölkerung.

Ach Deutschland steht nicht an der Spitze der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit, sondern lediglich auf Platz 17, also innerhalb Europas im Mittelfeld. Und rutschte damit noch einen Rang im Vergleich zu 2012 ab. "Redakteure kämpfen täglich um ihre freie Berichterstattung. Die Einflussnahme durch Pressesprecher, PR-Agenturen und Prominente, die Interviews autorisieren und am liebsten noch dazu das komplette redaktionelle Umfeld kontrollieren wollen, wird immer schlimmer", schreibt etwa der deutsche Nordkurier.

Liste: 39 "Feinde der Pressefreiheit"

Wo der Presse überall Fesseln angelegt werden
Russian President Vladimir Putin (R) shakes hands with his Egyptian counterpart Mohamed Mursi during a meeting in Sochi, April 19, 2013. REUTERS/Mikhail Klimentyev/RIA Novosti/Pool (RUSSIA - Tags: POLITICS) ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit hat Reporter ohne Grenzen eine neue Liste mit "Feinden der Pressefreiheit" vorgestellt. Sie umfasst rund 40 Staatschefs, paramilitärische Gruppen und kriminelle Netzwerke, die unabhängige Journalisten verfolgen und versuchen, Medien gleichzuschalten. Wie bereits im vergangenen Jahr sind auf der Liste die Staatschefs Syriens, Russlands oder Weißrusslands - Bashar al-Assad, Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko - zu finden. Neu sind beispielsweise der neue chinesische Präsident Xi Jinping, die Muslimbruderschaft in Ägypten oder die syrische Rebellengruppe Al-Nusra-Front.

So tauschten die Muslimbrüder in Ägypten mithilfe ihrer Mehrheit im Parlament und ihrem Kandidaten Mohammed Mursi als Präsident die Herausgeber und Chefredakteure staatlicher Zeitungen aus und ersetzten sie mit Getreuen. Der von Mursi ernannte Generalstaatsanwalt Talaat Abdullah "überzieht kritische Journalisten mit Klagen wegen Verleumdung, Beleidigung des Präsidenten und Verunglimpfung des Islam", begründete Reporter ohne Grenzen in einer Aussendung. Ausländische Korrespondenten würden als Spione diffamiert, einheimische Kollegen mit Gewalt bedroht.

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epa03666145 A handout picture made available by the Syrian Arab News Agency (SANA), shows Syrian President Bashar Al Assad (R), speaking during an interview with Syrian news TV in Damascus, Syria, 17 April 2013. EPA/SANA / HANDOUT
In Syrien, wo seit Beginn des Krieges im März 2011 mindestens 23 Journalisten und 59 Bürgerjournalisten getötet wurden, zählt ROG Assad weiterhin zu den "Feinden der Pressefreiheit". Auf der aktuellen Liste stehen jedoch auch gegen ihn kämpfende Rebellen. Die im April 2011 gegründete, islamistische Al-Nusra-Front greift systematisch Mitarbeiter syrischer Staatsmedien an, entführt Journalisten und bedroht ausländische Korrespondenten, die die Rebellen kritisieren.

Neue Übeltäter

Neu hinzugekommen sind auf der Liste der "Feinde der Pressefreiheit" 2013 außerdem religiöse Extremisten auf den Malediven und bewaffnete Gruppen in Pakistan, die in der rohstoffreichen Provinz Baluchistan (Belutschistan) für mehr Unabhängigkeit kämpfen.

Die baskische Untergrundorganisation ETA, die Miliz der Hamas im Gazastreifen und die Sicherheitskräfte der Palästinenserbehörde sowie der burmesische Präsident Thein Sein wurden hingegen von der Liste gestrichen. Thein Sein habe im Zuge seiner innenpolitischen Reformen "etliche regimekritische Journalisten" freigelassen und die Vorzensur für Printmedien abgeschafft. Die ETA sei von der Liste entfernt worden, weil sie ihren bewaffneten Kampf "weitgehend einstellte" und ankündigte, sich aufzulösen. Auch der frühere somalische Minister für Information und Kommunikation, Abdulkadir Hussein Mohamed, findet sich heuer nicht mehr auf der Liste.

Seit Jahren auf der ROG-Liste befindet sich neben Putin und Lukaschenko auch Aserbaidschans Staatschef Ilham Aliyev (Alijew) oder Drogenkartelle aus Mexiko, Mafiagruppen aus Italien und Taliban-Chef Mullah Omar. Neu ist heuer die Form, in der ROG die "Feinde" präsentiert: Sie stellen sich in ironischen Selbstporträts vor oder werden in Form fiktiver Anklagen für ihre Verbrechen gegen die Pressefreiheit zur Rechenschaft gezogen.

Platz Land Region Veränderung (Vorjahresrang)
1 Finnland Europa/GUS 0 (1)
2 Niederlande Europa/GUS +1 (3)
3 Norwegen Europa/GUS -2 (1)
4 Luxemburg Europa/GUS +2 (6)
5 Andorra Europa/GUS -
6 Dänemark Europa/GUS +4 (10)
7 Liechtenstein Europa/GUS -
8 Neuseeland Ozeanien +5 (13)
9 Island Europa/GUS -3 (6)
10 Schweden Europa/GUS +2 (12)
11 Estland Europa/GUS -8 (3)
12 Österreich Europa/GUS -7 (5)
13 Jamaika Amerika +3 (16)
14 Schweiz Europa/GUS -6 (8)
15 Irland Europa/GUS 0 (15)
16 Tschechien Europa/GUS -2 (14)
17 Deutschland Europa/GUS -1 (16)
18 Costa Rica Amerika +1 (19)
19 Namibia Afrika +1 (20)
20 Kanada Amerika -10 (10)
21 Belgien Europa/GUS -1 (20)
22 Polen Europa/GUS +2 (24)
23 Slowakei Europa/GUS +2 (25)
24 Zypern Europa/GUS -8 (16)
25 Kap Verde Afrika -16 (9)
26 Australien Ozeanien +4 (30)
27 Uruguay Amerika +5 (32)
28 Portugal Europa/GUS +5 (33)
29 Großbritannien Europa/GUS -1 (28)
30 Ghana Afrika +11 (41)
31 Surinam Amerika -9 (22)
32 Vereinigte Staaten von Amerika Amerika +15 (47)
33 Litauen Europa/GUS -3 (30)
34 Organisation Ostkaribischer Staaten (OECS) Amerika -9 (25)
35 Slowenien Europa/GUS +1 (36)
36 Spanien Europa/GUS +3 (39)
37 Frankreich Europa/GUS +1 (38)
38 El Salvador Amerika -1 (37)
39 Lettland Europa/GUS +11 (50)
40 Botswana Afrika +2 (42)
41 Papua-Neuguinea Asien/Pazifik -6 (35)
42 Rumänien Europa/GUS +5 (47)
43 Niger Afrika -14 (29)
44 Trinidad und Tobago Amerika +6 (50)
45 Malta Europa/GUS +13 (58)
46 Burkina Faso Afrika +22 (68)
47 Taiwan Asien/Pazifik -2 (45)
48 Samoa Ozeanien +6 (54)
49 Haiti Amerika +3 (52)
50 Südkorea Asien/Pazifik -6 (44)
51 Komoren Afrika -6 (45)
52 Südafrika Afrika -10 (42)
53 Japan Asien/Pazifik -31 (22)
54 Argentinien Amerika -7 (47)
55 Moldawien Europa/GUS -2 (53)
56 Ungarn Europa/GUS -16 (40)
57 Italien Europa/GUS +4 (61)
58 Hongkong Asien/Pazifik -4 (54)
59 Senegal Afrika +16 (75)
60 Chile Amerika +20 (80)
61 Sierra Leone Afrika +2 (63)
62 Mauritius Afrika -8 (54)
63 Serbien Europa/GUS +17 (80)
64 Kroatien Europa/GUS +4 (68)
65 Zentralafrikanische Republik Afrika -3 (62)
66 Tonga Ozeanien -3 (63)
67 Mauretanien Afrika 0 (67)
68 Bosnien und Herzegowina Europa/GUS -10 (58)
69 Guyana Amerika -11 (58)
70 Tansania Afrika -36 (34)
71 Kenia Afrika +13 (84)
72 Sambia Afrika +14 (86)
73 Mosambik Afrika -7 (66)
74 Armenien Europa/GUS +3 (77)
75 Malawi Afrika +71 (146)
76 Republik Kongo Afrika +14 (90)
77 Kuwait Naher Osten/Nordafrika +1 (78)
78 Nicaragua Amerika -6 (72)
79 Benin Afrika +12 (91)
80 Dominikanische Republik Amerika +15 (95)
81 Lesotho Afrika -18 (63)
82 Bhutan Asien/Pazifik -12 (70)
83 Togo Afrika -4 (79)
84 Griechenland Europa/GUS -14 (70)
85 Kosovo Europa/GUS +1 (86)
86 Guinea Afrika 0 (86)
87 Bulgarien Europa/GUS -7 (80)
88 Madagaskar Afrika -4 (84)
89 Gabun Afrika +12 (101)
90 Osttimor Asien/Pazifik -4 (86)
91 Paraguay Amerika -11 (80)
92 Guinea-Bissau Afrika -17 (75)
93 Seychellen Asien/Pazifik -20 (73)
94 Nordzypern Europa/GUS +8 (102)
95 Guatemala Amerika +2 (97)
96 Elfenbeinküste Afrika +63 (159)
97 Liberia Afrika +13 (110)
98 Mongolei Asien/Pazifik +2 (100)
99 Mali Afrika -74 (25)
100 Georgien Europa/GUS +4 (104)
101 Libanon Naher Osten/Nordafrika -8 (93)
102 Albanien Europa/GUS -6 (96)
103 Malediven Asien/Pazifik -30 (73)
104 Uganda Afrika +35 (139)
105 Peru Amerika +10 (115)
106 Kirgistan Europa/GUS +2 (108)
107 Fidschi Ozeanien +10 (117)
108 Brasilien Amerika -9 (99)
109 Bolivien Amerika -1 (108)
110 Katar Naher Osten/Nordafrika +4 (114)
111 Panama Amerika +2 (113)
112 Israel Naher Osten/Nordafrika -20 (92)
113 Montenegro Europa/GUS -6 (107)
114 Vereinigte Arabische Emirate Naher Osten/Nordafrika -2 (112)
115 Nigeria Afrika +11 (126)
116 Mazedonien Europa/GUS -22 (94)
117 Venezuela Amerika 0 (117)
118 Nepal Asien/Pazifik -12 (106)
119 Ecuador Amerika -15 (104)
120 Kamerun Afrika -23 (97)
121 Tschad Afrika -18 (103)
122 Brunei Asien/Pazifik +3 (125)
123 Tadschikistan Europa/GUS -1 (122)
124 Südsudan Naher Osten/Nordafrika -13 (111)
125 Algerien Naher Osten/Nordafrika -3 (122)
126 Ukraine Europa/GUS -10 (116)
127 Honduras Amerika +8 (135)
128 Afghanistan Asien/Pazifik +22 (150)
129 Kolumbien Amerika +14 (143)
130 Angola Afrika +2 (132)
131 Libyen Naher Osten/Nordafrika +23 (154)
132 Burundi Afrika -2 (130)
133 Simbabwe Afrika -16 (117)
134 Jordanien Naher Osten/Nordafrika -6 (128)
135 Thailand Asien/Pazifik +2 (137)
136 Marokko Naher Osten/Nordafrika +2 (138)
137 Äthiopien Afrika -10 (127)
138 Tunesien Naher Osten/Nordafrika -4 (134)
139 Indonesien Asien/Pazifik +7 (146)
140 Indien Asien/Pazifik -9 (131)
141 Oman Naher Osten/Nordafrika -24 (117)
142 Demokratische Republik Kongo Afrika +3 (145)
143 Kambodscha Asien/Pazifik -26 (117)
144 Bangladesch Asien/Pazifik -15 (129)
145 Malaysia Asien/Pazifik -23 (122)
146 Palästinensische Gebiete Naher Osten/Nordafrika +7 (153)
147 Philippinen Asien/Pazifik -7 (140)
148 Russland Europa/GUS -6 (142)
149 Singapur Asien/Pazifik -14 (135)
150 Irak Naher Osten/Nordafrika +2 (152)
151 Birma Asien/Pazifik +18 (169)
152 Gambia Afrika -11 (141)
153 Mexiko Amerika -4 (149)
154 Türkei Europa/GUS -6 (148)
155 Swasiland Afrika -11 (144)
156 Aserbaidschan Europa/GUS +6 (162)
157 Belarus Europa/GUS +11 (168)
158 Ägypten Naher Osten/Nordafrika +8 (166)
159 Pakistan Asien/Pazifik -8 (151)
160 Kasachstan Europa/GUS -6 (154)
161 Ruanda Afrika -5 (156)
162 Sri Lanka Asien/Pazifik +1 (163)
163 Saudi-Arabien Naher Osten/Nordafrika -5 (158)
164 Usbekistan Europa/GUS -7 (157)
165 Bahrain Naher Osten/Nordafrika +8 (173)
166 Äquatorialguinea Afrika -5 (161)
167 Dschibuti Afrika -8 (159)
168 Laos Asien/Pazifik -3 (165)
169 Jemen Naher Osten/Nordafrika +2 (171)
170 Sudan Afrika 0 (170)
171 Kuba Amerika -4 (167)
172 Vietnam Asien/Pazifik 0 (172)
173 China Asien/Pazifik +1 (174)
174 Iran Naher Osten/Nordafrika +1 (175)
175 Somalia Afrika -11 (164)
176 Syrien Naher Osten/Nordafrika 0 (176)
177 Turkmenistan Europa/GUS 0 (177)
178 Nordkorea Asien/Pazifik 0 (178)
179 Eritrea Afrika 0 (179)

Quelle: RSF/ROG
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