Mindestens 150 Tote bei Massaker
Während der Rest Syriens in Chaos und Krieg versinkt, war es bisher relativ ruhig geblieben entlang der syrischen Mittelmeerküste, dem Kernland der Assad-Unterstützer – bis dieser Tage. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) starben bei Razzien und Militäraktionen nahe Tartus mindestens 150 Menschen. Die ersten Meldungen waren am Donnerstag gekommen. Erst war von einem Dutzend Toten die Rede. Später von 50. Dann von 100. Am Freitag hieß es, Hunderte Menschen seien getötet worden. 150 seien identifiziert. Passiert ist das alles im Dorf Al-Baida.
SOHR bezieht sich auf Schilderungen Überlebender. Und die berichten von regierungstreuen Milizen und Armeeeinheiten, die von Haus zu Haus gezogen seien, Menschen aus Häusern gezerrt und sofort exekutiert sowie ganze Straßenzüge gesprengt hätten, ohne die Bewohner zu warnen.
Laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA hieß es, man habe in der Region Terroristen getötet und in mehreren Dörfern Waffenverstecke ausgehoben. Auch am Freitag wurden aus der Region Razzien gemeldet – und auch Gefechte.
Die syrische Küstenregion ist Kernland der alawitischen Minderheit, einer Religionsgruppe, die wahlweise als eigenständige Konfession oder Untergruppe des schiitischen Islam bezeichnet wird. Präsident Bashar al-Assad ist Alawit – ebenso wie ein Großteil seiner Entourage. Während sich der Aufstand längst zu einem Aufstand der Sunniten im Land entwickelt hat, ist es vor allem die syrische Küstenregion, die als möglicher Zufluchtsort der Führung angesehen wird, sollte Damaskus fallen.
Rebellen versteckt
Aber Al-Baida und einige Dörfer rundum sind sunnitisch. Und auf einer regimenahen Webseite hieß es, Rebellen hätten in Al-Baida 40 Soldaten in ihre Gewalt gebracht. Die Armee sei daher in das Dorf eingerückt. Verifizieren kann das allerdings niemand.
Die politische Opposition, die Nationale Syrische Koalition, bezichtigt derweil die internationale Gemeinschaft, tatenlos zuzusehen, wie Syriens Regime Kriegsverbrechen verübe. Fakten auf den zahllosen Schlachtfeldern Syriens wiegen aber längst mehr als verbaler Protest. Und daher denken jetzt auch die USA laut über eine mögliche Bewaffnung syrischer Rebellen nach. Eine „Option“ nannte das US-Verteidigungsminister Chuck Hagel. US-Präsident Barack Obama sagte zu diesem Thema: „Wir sollten sichergehen, dass wir hinschauen, bevor wir springen, und sichergehen, dass das, was wir tun, auch tatsächlich hilfreich ist.“
Helfen würde das freilich den Rebellen, die derzeit in der Defensive sind: Aleppo droht ihnen zu entgleiten, in Homs erlitten sie eine empfindliche Niederlage, während die Lufthoheit der Armee ungebrochen ist. Die Frage ist: Wer sind die Rebellen? Der bewaffnete Arm der international anerkannten Opposition ist die Free Syrian Army (FSA). Die aber hätte keine Chance ohne die Hilfe islamistischer Milizen, etwa der El-Kaida-nahen Al-Nusra-Front.
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