Förderung von Qualität zulasten des Boulevards

Förderung von Qualität zulasten des Boulevards
Ein Gastkommentar von Kurt Bergmann über die geplanten Reformen bei der Presseförderung und beim ORF. Es geht um politische Unabhängigkeit, Qualitätsjournalismus und Orientierungshilfe.

Zugegeben, Politiker und Parteien, die glauben, der Zugriff auf die Medien könne ihre fehlende Attraktivität oder ihre fehlende Kompetenz ersetzen, haben es nicht leicht. Da sind bereits vor einigen Jahren die meisten Parteizeitungen eingegangen und ein Volksbegehren mit mehr als 800.000 Unterschriften setzte dem rot/schwarzen Proporz in den 60er-Jahren bei Radio und Fernsehen ein Ende.

Die Politik hat sich damit allerdings nie abgefunden und versucht ständig Einfluss zurückzugewinnen. Bei den Printmedien, wenn auch erfolglos, mit der aus dem Steuertopf finanzierten „Presseförderung“ und neuerdings mit der gezielten Vergabe von ebenfalls aus Steuergeldern finanzierten politischen Inseraten vor allem an „Nahestehende“. Beim ORF wurde das Rundfunkgesetz sogar fünf Mal geändert, um ihn wieder dem Einfluss der Parteien zu unterwerfen.

Reformkommission

Nun könnte vieles anders werden. Am Donnerstag tagt im Bundeskanzleramt (siehe Bericht weiter unten) die im Vorjahr eingesetzte ORF-Reformkommission, der ich die Ehre habe anzugehören. Neben den sechs Klubobleuten der Parlamentsparteien, Peter Huemer und Fritz Wendl.

Wenn man die jüngste Erklärung von Medienstaatssekretär Josef Ostermayer aber auch von VP-Klubchef Karlheinz Kopf liest, dann zeichnet sich ein hoffnungsvoller Paradigmenwechsel ab, der endlich der von vielen längst erkannten Binsenweisheit zum Durchbruch verhelfen könnte: Eine gute Politik kann von Medien nicht schlecht, eine schlechte Politik nicht gutgeredet werden. Die gescheiterte Kampagne von Krone, Heute und Österreich, bei der Volksbefragung am vergangenen Sonntag ist der beste Beweis dafür.

Die Evaluierung der derzeit geltenden Presseförderung ist im Grunde abgeschlossen. Alles deutet auf eine verstärkte Unterstützung der Qualitätszeitungen und des Qualitätsjournalismus, zulasten des Boulevards hin.

Kein Polit-Einfluss

Beim ORF geht es um eine Änderung der Strukturen (Verkleinerung des Stiftungsrates) und um die Stärkung der finanziellen Basis (Medienabgabe?), um so die Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme erheblich zu reduzieren. Zwei Problemkreise stehen an:

Förderung von Qualität zulasten des Boulevards
Zeitungsstapel, Fernsehapparat, Show
Reform der Presseförderung: In den letzten Monaten häuften sich die Nachrichten von den finanziellen Schwierigkeiten angesehenster internationaler Printprodukte (Financial Times Deutschland, Newsweek, in Spanien wurden seit Beginn der Krise fast 200 Kommunikationsmedien geschlossen etc.). Auch in Österreich läuft die Printwelt bereichsweise unrund. Grund? Einerseits allgemeine wirtschaftliche Probleme und andererseits die zunehmende Fragmentierung der Medienkanäle und Plattformen. Beide Entwicklungen führen zum Sinken von Werbeeinnahmen, die durch neue Angebote auf Handy, PC, Tablet und iPad nicht ersetzt werden können.

Peter Michael Lingens hält die Tageszeitungen „am stärksten vom Aussterben“ bedroht. Nun, so dramatisch wird es nicht kommen, denn die Printmedien wird es noch sehr lange geben, weil die Menschen angesichts der riesigen elektronischen Informationslawine und der Berge an elektronischem Informationsschrott seriöse Orientierungshilfen brauchen. Die Frage ist also nicht, wie lange es die gedruckten Zeitungen noch gibt, sondern wohin sie sich entwickeln.

Daher: Wenn man nicht will, dass der österreichische Printmedienmarkt und seine Leser voll dem Boulevard ausgeliefert werden, dann muss einiges geschehen.

Auf der Agenda zur Sicherung der Zukunft stehen daher drei Themen: 1. Das Leistungsschutzrecht, da ist ein Gesetzentwurf in Vorbereitung, und 2. ein neuer Kollektivvertrag, da laufen die Verhandlungen wie erwartet zäh und 3. eine massive Aufstockung sowie eine umfassende Reform der Presseförderung.

Förder-Schieflage

Die Presseförderung und die sogenannte Parteienförderung wurden in den 1970er-Jahren eingeführt und waren damals dem Parlament gleich viel wert. In den letzten Jahren wurde jedoch die Presseförderung immer wieder gekürzt und beträgt heute € 10,8 Millionen, die Parteienförderung wurde im Gegensatz dazu nahezu verdoppelt (von 15,2 auf 29,13 Millionen Euro).

Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) forderte jüngst eine Aufstockung auf 50 Millionen. Dem kann man sich durchaus annähern, wenn die ganze Aktion mit einer grundlegenden Reform des derzeit praktizierten Systems Hand in Hand geht. So wird seit vielen Jahren von Experten die Sinnhaftigkeit der sogenannten Vertriebsförderung hinterfragt. 2012 betrug sie € 3,9 Millionen und wurde an 14 Tages- und 36 Wochenzeitungen nach dem Gießkannenprinzip vergeben.

Das Groteske: Die ohnehin gut verdienende Kronen-Zeitung erhielt aus diesem Titel exakt € 162.988. Auf den Cent genau so viel wie die der SPÖ nahestehende Kärntner Tageszeitung oder das ÖVP Organ Neues Volksblatt in Oberösterreich. Für die einen unbedeutend, für die anderen zu wenig. Übrigens, auch der KURIER erhält aus diesem Topf € 130.390,90.

Das Thema „Leseförderung“ (derzeit € 371.416) kommt hingegen viel zu kurz (Stichwort PISA!) aber hier stellt sich die Frage ob dies mit Hilfe der Presseförderung geschehen soll? Hier ist wohl eher das Unterrichtsressort mit seinem Milliardenbudget in der Pflicht. Dass unter diesem Titel auch die Murtaler Zeitung € 32.- (in Worten zweiunddreißig Euro) erhielt und ein Forschungsprojekt „Neue Integrationsprozesse in Tageszeitungs-Newsrooms im internationalen Vergleich“ mit € 20.000,- subventioniert wird, unterstreicht nur zu deutlich die Notwendigkeit einer tief greifenden Neugestaltung.

Bei der Reform der Presseförderung muss es daher ausschließlich um die Festlegung von Qualitätsnormen, gehen: Qualität des Mediums und Qualität der journalistischen Ausbildung, journalistische Ethikverpflichtungen.

Das ist für den Gesetzgeber gar nicht so leicht, weil ein solches System auch klare Spielregeln, sachliche Entscheidungen und mitunter ein „Nein“ bedeuten.

Nur wenn die Printmedien sich als „faire Führer durch den Informations-Dschungel des Internets“ etablieren, werden sie auch lebens- und überlebensfähig sein.

Dasselbe gilt auch für die Rahmenbedingungen unter denen der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk arbeiten muss.

Da können sich die Journalisten noch so um Objektivität und Seriosität bemühen, die Öffentlichkeit hält das ORF-Radio und das ORF-Fernsehen nach wie vor für parteiabhängig. Kein Wunder bei einem Aufsichtsgremium in dem unter 35 Mitgliedern nur vier als unabhängig gelten, kein Wunder nach den Affären Pelinka und Weinzettl. 61 Prozent der Österreicher sind nach einer jüngsten Umfrage der Meinung, der ORF gehört der SPÖ, 1,6 Prozent glauben der ÖVP.

Reform-Agenda

Vier Themen stehen auf dieser Reform-Agenda:

1. Die Verkleinerung des Stiftungsrates auf 12 bis 15 Personen (Faymann:„das werden wir doch zusammenbringen“, Spindelegger: „gewaltige Reform“) und die Einsetzung von Fachleuten, die nicht von Regierungen und Parteien ernannt werden.

2. Adäquate Bestimmungen für die Online-Aktivitäten wie Facebook, etc.

3. Einführung einer Medienabgabe anstelle der bisherigen Rundfunkgebühren, aus der sowohl der ORF als auch öffentlich-rechtliche Programme privater Sender finanziert werden sollen.

4. Refundierung staatlich verfügter Befreiungen von Gebühren oder Abgaben.Da das Rundfunkgesetz wegen der Aufhebung der abstrusen „Fax-Wahl“ für den Publikumsrat durch den Verfassungsgerichtshof ohnehin bis Anfang 2014 geändert werden muss, könnte man die anstehenden Probleme gleich bis dahin erledigen.

Zum wechselvollen Verhältnis zwischen Politik und Medien ist eines gewiss: Erst wenn die Bürgerinnen und Bürger, die Wählerinnen und Wähler in Zukunft den Zeitungen und dem ORF ein hohes Maß an parteipolitischer Unabhängigkeit und Objektivität attestieren, werden auch die Politiker und die Politik wieder an Ansehen gewinnen.

Zur KURIER-Debatte "Zukunft der Medien"

Noch vor der Nationalratswahl im Herbst wollen SPÖ und ÖVP ein neues ORF-Gesetzes: Wie der KURIER berichtete, sorgt dabei vor allem die Besetzung eines verkleinerten Stiftungsrates für Zündstoff. Am Donnerstag, 24.1., tagt dazu eine Arbeitsgruppe inklusive der Mediensprecher der Parteien.

Josef Ostermayer (SP) und Karlheinz Kopf (VP) sind sich darin einig, dass ein neuer Stiftungsrat nur über 15 statt der derzeit 35 Mitglieder verfügen sollte: Fünf davon stellen die ORF-Betriebsräte, wer die restlichen zehn sein sollen, ist offen. Vertreter der Parlamentsparteien und der Bundesländer sollten nicht darunter zu finden sein. Statt dessen schwebt dem VP-Mediensprecher und Klubobmann Kopf eine Auswahl an Experten mit Hintergrund in der Wirtschaft vor – der neue Stiftungsrat solle schließlich wie ein Aufsichtsrat fungieren. Beschickt werden sollte das Gremium von Organen wie Nationalrat, Bundesrat und Bundesregierung.

Seitens der Opposition regte sich die Befürchtung, dass die Zusammensetzung des Gremiums einer Schräglage in Richtung der amtierenden Regierung zur Folge haben könnte; auch sollten die Betriebsräte kein Stimmrecht bei der Bestellung des Generaldirektors haben, forderte FP-Mediensprecher Harald Vilimsky.

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