Totgesagte leben länger

Helmut Brandstätter über Brenners Rücktritt.
Alle reden vom Zeitungssterben. Der KURIER eröffnet die Diskussion über die Neuordnung der österreichischen Medienlandschaft. Weitere Beiträge sind erwünscht.
Totgesagte leben länger
Abschiedsworte am Grab sind meist ehrend, aber nicht immer ehrlich. Wer will schon einem Toten Böses hinterherrufen? An der offenen Grube derFinancial Times Deutschland(FTD) geht es nicht anders zu. Andrew Gowers, der erste Chefredakteur des Blattes, gibt sich zwar britisch-sportlich: „Als Wirtschaftsjournalist muss ich an die Kräfte des Marktes glauben (...). Zeitungen seien eben eine niedergehende Industrie“.
Gowers weiß es besser. DieFinancial Times Deutschlanderscheint am kommenden Freitag zum letzten Mal, weil ein ehrgeiziger Plan nicht aufging. DieFTDwurde im Jahr 2000, am Höhepunkt eines Wirtschaftsbooms, gegründet, um dem Platzhirschen der deutschen Wirtschaftszeitungen, demHandelsblatt, Leser und Werbekunden wegzunehmen. Aber zwölf Jahre lang gab es nur Verluste, rund 250 Millionen Euro. Andere Print-Produkte wie die AnlegerzeitungTelebörsewurden schon vor zehn Jahren eingestellt, weil nach dem Börsehype die Leser nichts mehr von ihren Aktien wissen wollten.

Ein falsches Investment macht noch keine Zeitungskrise aus. Ja, es muss überall gespart werden, in anderen Branchen übrigens auch. Die Lust von Journalisten, die eigene Branche totzureden, wirkt aber befremdlich. Sprechen Ölfirmen ständig vom Ende fossiler Brennstoffe oder Autoproduzenten vom Nachteil des Individualverkehrs? Reden wir also über die grundlegenden Veränderungen der Medien und die Auswirkungen auf unsere Arbeit und die Konsumenten.

1.Vorsicht bei Vorhersagen zur Zukunft der Medien.
Glauben wir den Zukunftsforschern nichts. Sie haben uns vor zehn Jahren erzählt, dass wir bald Dutzende TV-Kanäle täglich konsumieren und interaktiv fernsehen wollen. Falsch. Also warum soll es richtig sein, dass bald die letzten Zeitungen gedruckt werden? Im Gegenteil: Die Unübersichtlichkeit des Internets verlangt geradezu nach Klärung und Einordnung. Das ist und bleibt die Aufgabe von Journalisten. Noch machen wir das auf bedrucktem Papier, gleichzeitig entwickeln wir Lösungen, wie wir auf Tablets Zeitungen anbieten. Gerade das Internet mit seinen Zillionen Seiten braucht Zusammenfassung, Einordnung, Analyse und Kommentierung. Und das werden immer Redaktionen mit hoffentlich gut geschulten Journalisten machen.

2. Klären wir die Rolle des Journalismus in Österreich.
Die Verwirrung ist nicht neu und historisch bedingt. Nach dem Krieg hat die Regierung Radio und TV fest in ihre Hand genommen und nur für ein paar Jahre, durch die von Hugo Portisch angestoßene Rundfunkreform 1967, in Freiheit entlassen. Die Zeitungslandschaft war lange durch Parteiorgane und den Boulevard dominiert. Geblieben ist nicht nur der Boulevard, sondern die Überzeugung der Parteien, dass man sich Medien gefügig machen muss. Beim ORF durch direkten Zugriff auf das Führungspersonal, bei den Zeitungen durch Inserate in Millionenhöhe. Machtgierige und schwache ORF-Manager haben da ebenso mitgespielt wie geldgierige Verleger. Aber es funktioniert nicht mehr wie gewohnt. Die „Zeit im Bild“, nach der früher jeder Haushalt das Abendessen einteilte, sendet für deutlich weniger, überwiegend ältere Menschen. Der Boulevard hat mit seinen Kampagnen keinen Erfolg mehr, das Medientransparenzgesetz verhindert die ganz offensichtlichen Formen des Kaufs von Zeitungen durch Steuergeld, und die neuen sozialen Medien machen die Politiker so ratlos wie die Anleitung zum Betrieb eines chinesischen Atomkraftwerks. Nur Frank Stronach macht einen Salto rückwärts, wenn er Inserate davon abhängig macht, dass die Zeitungen wohlgefällig über ihn berichten. Er spendiert wenigstens eigenes Geld. Aber er verhält sich genau so schädlich für die Demokratie wie Politiker, die sich mit Steuergeld freundliche Berichte erkauft haben.

3.Journalismus lebt von Unabhängigkeit, Furchtlosigkeit und guten Geschichten.
Ausgerechnet der PR-Berater Dietmar Ecker zieht die österreichischen Medien an den Ohren, wenn er im FORMAT beklagt, dass „nicht selten Journalisten willfährige Berichterstattung gegen sogenannte Kooperationen anbieten“. Als Experte weiß er , dass sich „Wirtschaftskapitäne gewogene Berichterstattung kaufen wollen“. Er schreibt aber auch von „Exponenten der Wirtschaft, die zu Recht von diesen Sitten angewidert sind“. Gut, dass es sie gibt.
Wir müssen die momentane Lage als Sinnkrise der Medien nutzen und noch deutlicher den käuflichen Journalismus brandmarken. Die Wirtschaft muss verstehen, dass ihre Werbung ein seriöses, wahrhaftiges Umfeld braucht. Dann wird es auch die Politik noch begreifen.

4. Wir brauchen eine neue Medienförderung.
Der ORF macht Radio, Fernsehen und Internet. Die Verlage produzieren Zeitungen, Radio, Internet und ein bisschen Fernsehen. Warum bitte bekommt der ORF rund 600 Millionen Gebühren pro Jahr, die Zeitungen hingegen nur rund 10 Millionen Presseförderung? Alle Beteiligten sind ja Konkurrenten auf dem selben Werbemarkt. In Zeiten der medialen Konvergenz müssen alle Zugang zu Gebühren haben – oder keiner.
Christian Rainer warnt im profil dieser Woche vor einer staatlichen Presseförderung. Das sei wie „bombing for peace“ schreibt er mit flotter Feder. Deshalb muss ja eine neue Form von Medienförderung entwickelt werden, die allen zugute kommt, wo der Staat keinen Einfluss auf die Verteilung haben darf.
Stellen wir uns einmal vor, es gäbe in diesem Land nur mehr den ORF und keine Zeitungen. Wer wird dann die Skandale aufklären? Traditionell waren das in Österreich (fast) immer nur die Printmedien, vom AKH bis zum Eurofighter. Ohne die Arbeit von Zeitungsleuten wäre heute noch so mancher Übeltäter im Amt.
Zeitungen müssten zusätzliches Geld für mehr Qualität ausgeben, etwa Auslandskorrespondenten, ein Beitrag gegen die zunehmende Verzwergung des Landes.

5. Starke Marken werden noch stärker werden.
Das Internet ist ein Segen, weil wir dort alles finden können, aber auch ein Fluch, weil die Übersicht verloren geht. Das ist die Chance des Journalismus. Aufdecken, einordnen, analysieren. Das muss man auch erst lernen. Deshalb sollen künftig nur Medienunternehmen von einer neuen Form der Abgabe profitieren, die junge Leute ausbilden und gesetzeskonform beschäftigen. Und wir werden unsere Geschichten elektronisch und auf Papier anbieten, nach Wunsch der Konsumenten. Dann stimmt der alte Satz ganz sicher: Totgesagte leben länger.

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