Viel Einfalt ergibt keine Vielfalt
Demokratische Gesellschaften sind auf Medien angewiesen, damit ernsthafte gesellschaftliche Debatten überhaupt stattfinden können. Und Medien sind es, die öffentlich machen können und müssen, wenn im System von Wirtschaft und Politik etwas faul ist. Medien gehören damit zum, wie es in der Schweiz so hübsch heißt, „service public“.
Als einst unter Bruno Kreisky in Österreich die Presseförderung eingeführt wurde geschah dies zeitgleich mit der Einführung der Parteienförderung. Die Presseförderung ist seither kontinuierlich immer weniger geworden, die Parteienförderung kräftig mehr. Nicht einmal jene, die das als Gesetzgeber beschlossen haben, können jedoch wirklich ernsthaft glauben, dass die demokratiepolitische Bedeutung der Medien besonders ab- und die der Parteien sehr zugenommen hat.
Eine anständige Medienförderungsreform müsste also eher selbstverständlich sein. Dabei ist allerdings genau zu klären, was eigentlich förderungswürdig ist. So ist etwa immer wieder von „Medienvielfalt“ die Rede, wobei nicht selten auch die Verbreitung von möglichst viel Einfalt als Vielfalt gilt. Und die rasanten Entwicklungen der Medienlandschaft haben auch immer mehr Medienbetreiber hervorgebracht, für die Medienmachen bloß ein Geschäftszweig wie jeder andere ist. Warenhandel aller Art.
Verluderung
Von davon geprägten Medien kann aber kaum Anständigkeit, das Ernstnehmen ethischer Kriterien, das Funktionieren von Selbstkontrolle etc., also all das, was die demokratiepolitische Bedeutung von Medien ausmacht, erwartet werden.
Das trägt zur weiteren Verluderung verluderter Sitten bei, sichert aber nicht den ökonomischen Erfolg. Und geht’s einem Unternehmen nicht gut, wird an die Mitarbeiter appelliert, „in eigenem Interesse“ auf Skrupel zu verzichten. Bei Journalisten kann das leicht zum Verzicht auf journalistisches Rückgrat werden. Oder mit anderen Worten: journalistische Freiheit, samt der Freiheit zu Anständigkeit, muss man sich – auch ökonomisch – leisten können.
Bei einer sinnhaften Fixierung von Medien-Rahmenbedingungen geht es also nicht um Wettbewerbsregeln, da geht’s um eine – den spezifischen Bedingungen eines kleinen Landes entsprechende – gesellschaftspolitische Richtungsentscheidung zwischen „Public Value“ und „Sharholder Value“, den beiden Polen der globalisierten Medienwelt. Welcher Mehrwert da mehr wert ist, ist eine Frage des Wertekanons. Keine ernsthaften Zweifel dürfte es aber jedenfalls daran geben, wofür es öffentliche Mittel geben kann und muss und wofür nicht.
Medienförderungsmittel sind u. a. zu verknüpfen mit dem Bekenntnis zu einem Medienehrenkodex und dem Vorhandensein von Redaktionsstatuten, die journalistische Unabhängigkeit sichern. Und mit der Akzeptanz arbeitsrechtlicher Mindeststandards, denn es geht um wirklich professionellen Journalismus. Den braucht es u. a. auch um Alternativen und Einordnungen bieten zu können zu sintflutartigem Nonsens, der über im world wide web Surfende hinwegschwappt.
Das setzt voraus, endlich zu akzeptieren, dass professioneller Onlinejournalismus kein Copy-and-paste- Nebenprodukt ist und die viel beschworene Medienkonvergenz nicht als Rationalisierungsinstrument taugt, sondern Kompetenzausbau sein kann und muss. Das heißt aber auch Abschied nehmen von der Internetgratiskultur, wobei zum erfolgreichen Etablieren kostenpflichtiger journalistischer Inhalte im Internet sicherlich ein breiterer Branchenkonsens ebenso notwendig ist, wie die Einführung des Leistungsschutzrechtes, das verhindert, dass google&Co. mit von anderen erbrachten und bezahlten journalistischen Leistungen gigantische Profite machen.
Gebühren
Und endlich Abschied zu nehmen ist auch von der unsinnigen Theorie, eine Schwächung des ORF nütze den österreichischen Zeitungen. Z.B. die Werbebeschränkungen, die vor einem Jahrzehnt ein schwarz-blaues ORF-Gesetz verhängte, kosteten zwar den ORF Geld, das floss aber nicht in heimische Medien, sondern in Werbefenster großer deutscher Privat-TV-Veranstalter, bescherte denen Marktvorteile für ihre mediale Verantwortungslosigkeit. Mit dem Nebeneffekt, dass es auch noch zu Preisdumping kam, das dann allen heimischen Medien schadet(e).
Die Konfrontation lautete nicht öffentlich-rechtlich gegen privat, sondern gesellschaftspolitisch verantwortungsvoller Qualitätsjournalismus gegen medialen Müll.
Und wer von den Möglichkeiten und der Notwendigkeit der Medien als „Vierte Gewalt“ überzeugt ist, für den kann öffentlich-rechtlicher Rundfunk gar nicht stark und sicher genug sein als unabhängiges, nationales Leitmedium. Wobei die Gebührenlegitimation (bzw. Haushalts-/Medienabgabe) mit wirklicher Unabhängigkeit des ORF verknüpft ist. Was die betrifft, haben wir seit einiger Zeit das Phänomen, dass eine breite Öffentlichkeit (unlängst auch Peter Michael Lingens an dieser Stelle) der ORF-Berichterstattung, den ORF-Journalistinnen und -Journalisten, echte Unabhängigkeit bescheinigt, das Unternehmen ORF jedoch mit extremen Parteienabhängigkeiten assoziiert. Nicht unberechtigt. Schließlich wurden rund um die Wiederbestellung des Generaldirektors im Vorjahr von Stiftungsräten Personalabsprachen ungeniert öffentlich gemacht und sorgt die Geschäftsführung mit bis in diese Tage andauernden Personalentscheidungen für einschlägig schlechten Ruf.
Reform
Immerhin haben es die ORF-Journalistinnen und -Journalisten mit entschiedenem öffentlichem Auftreten aber geschafft, dass der Bundeskanzler vor einigen Monaten in einem Interview mit die-ser Zeitung eine ORF-Reform ankündigte, der Vizekanzler am Tag darauf eine „gewaltige Reform“ versprach und der Bundeskanzler auch noch sagte, „die Österreicher wollen in erster Linie einen unabhängigen ORF, das werden wir wohl hinkriegen.“
Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, wie die ORF-Journalistinnen und -Journalisten seit Jahren immer wieder fordern, ein Aufsichtsgremium, dem nur – nach transparenten Kriterien bestellte – Leute angehören dürfen, die über einschlägige Qualifikationen verfügen und nicht wie bisher bloß Fraktionsvorgaben erfüllen. Darüber berät seit einigen Monaten eine Arbeitsgruppe, der ich angehöre, im Bundeskanzleramt unter Vorsitz von Staatssekretär Ostermayer. Zumindest was deutliche Anlehnung an AG-Aufsichtsräte und eine Verkleinerung von derzeit 35 Mitglieder auf 12 bis maximal 15 betrifft herrscht (auch unter allen gehörten internationalen Experten) Einigkeit. Wie die geplante ORF-Reform (noch vor der Nationalratswahl?) dann wirklich ausschauen wird, wird die Nagelprobe sein, ob es gelingt, dass hierzulande Medienpolitik nicht weiterhin mit Klientelpolitik verwechselt wird.
Das gilt auch für die Neuordnung der Presseförderung, die weg muss vom Gießkannenprinzip der allgemeinen Vertriebsförderung, die nur für Qualitätsjournalismus, für dessen Sicherung und Weiterentwicklung gerechtfertigt ist. Womit wir wieder beim service public wären: Welche Möglichkeiten und Aufgaben den Medien – ganz besonders öffentlich-rechtlichen – eingeräumt werden, zeigt wie eine Gesellschaft mit Grundrechten umgeht.
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