Buhlen um Fachkräfte aus der Ukraine hat begonnen
Noch ist völlig unklar, wie viele Flüchtende aus der Ukraine wie lange überhaupt in Österreich bleiben werden. Derzeit kommen vor allem Mütter mit ihren Kindern und Pensionisten über die Grenze, während Männer im Erwerbsalter einberufen wurden und das Land nicht verlassen dürfen.
Fest steht bereits, dass ukrainischen Staatsbürgern in der EU und damit auch in Österreich ein Sonderaufenthaltstitel gewährt wird, der mit einer befristeten Arbeitsbewilligung verbunden ist. Details für eine entsprechende Verordnung werden gerade verhandelt. Die Wirtschaft bereitet sich bereits auf einen Fachkräfte-Nachschub vor. Bei aktuell 119.000 offenen Stellen ist der Bedarf groß.
„UA Talents“
In Berlin haben daher zwei ukrainische Unternehmer die Initiative ergriffen und eine europäische Jobplattform „UA Talents“ für Geflüchtete aus der Ukraine gegründet. Unternehmen aus ganz Europa sind aufgerufen, hier ihre Stellen in ukrainischer Sprache anzubieten. Bereits am ersten Tag gingen 5.000 offene Stellen online. Erste Partner-Firmen an Bord sind etwa Stepstone, Zalando, Meta (Facebook), Bolt und der Axel Springer Verlag.
Pflegekräfte gesucht
In Österreich gibt es beim AMS bereits erste Anfragen von Betrieben. Der Pflegeheimbetreiber Senecura stellt aktuell Unterkünfte für Flüchtlinge zur Verfügung und möchte gleich auch Deutschkurse und eine Ausbildung zur Heimhilfe anbieten. „Wenn die Eignung dafür vorliegt, ist nach einer Phase als Heimhilfe in einer unserer Pflege-Einrichtungen eine Weiterqualifizierung zur Pflegeassistenz möglich“, sagt Anton Kellner, Vorstandschef der Senecura-Gruppe, zum KURIER. Im Gesundheits- und Pflegesektor ist der Personalbedarf derzeit besonders hoch.
Hohe IT-Kompetenz
Wegen der guten technisch-akademischen Ausbildung sind vor allem ukrainische IT-Fachkräfte in ganz Europa begehrt. „Das Land hat sich zu einem wichtigen IT-Standort entwickelt. Viele westliche Technologiefirmen haben dorthin ihre Programmier-, Forschungs- und Entwicklungsleistungen ausgelagert“, weiß Olga Pindyuk, Arbeitsmarktexpertin beim Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Um IT-Fachkräfte, darunter viele Frauen, herrsche längst ein „Wettbewerb um die besten Köpfe“.
6.000 in Österreich
Österreich war bisher kein Zielland, die ukrainische Community ist überschaubar. Laut offizieller Statistik waren Ende Jänner in Österreich 5.350 ukrainische Staatsbürger unselbstständig beschäftigt, knapp 500 waren arbeitslos gemeldet. 592 gingen einer selbstständigen Beschäftigung nach, etwa als 24-Stunden-Betreuerin.
Pindyuk schätzt, dass Tausende weitere nicht in der Statistik aufscheinen, weil sie entweder nur projektbezogen für wenige Monate oder informell hier arbeiten. Insgesamt lebten in Österreich im Vorjahr etwa 12.000 ukrainische Staatsbürger.
„Ukrainische Fachkräfte können gut in Österreich integriert werden“, sagt Pindyuk, die selbst aus der Ukraine stammt, „die größte Hürde ist aber die Sprache und die Anerkennung der erworbenen Qualifikationen“. Österreich habe hier bei den Ukrainern keinen guten Ruf.
AMS bereitet sich vor
Das AMS hat unter ukraine@ams.at eine eMail-Adresse eingerichtet, an die sich Ukrainer auf Jobsuche wenden können. Bezüglich der Modalitäten müsse man erst die Verordnung abwarten, heißt es auf Anfrage. Um die Qualifikationen festzustellen, wird das AMS wieder Kompetenzchecks durchführen. Auch die Anerkennung der Ausbildung und Sprachkurse stünden im Fokus.
Die stärkste Arbeitsmigration findet nach Polen statt, wo zuletzt zwischen ein und eineinhalb Millionen Ukrainer als Gastarbeiter beschäftigt waren. Seit der russischen Invasion mussten Hunderttausende ihren Arbeitsplatz in Polen verlassen, um die Heimat zu verteidigen. In der Baubranche und bei Lkw-Fahrern habe sich seither der Personalmangel extrem verschärft, berichten Medien. Auch Tschechien, Slowakei und Ungarn waren zuletzt wichtige Zielländer. Entsprechend groß sind auch die Flüchtlingsströme in diese Staaten.
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