Der KURIER hat bei Uni-Professor Christian Klein nachgefragt, warum in Grünen Fonds oft ganz etwas ganz anderes steckt, als unbedarfte Anleger vermuten würden und ob er sich manchmal den Spaß macht, sich von einem Bankmitarbeiter beraten zu lassen.
KURIER: Sie leiten in Kassel den Lehrstuhl für Sustainable Finance, also für nachhaltige Finanzwirtschaft. Klingt gut. Aber was kann man sich darunter genau vorstellen?
Christian Klein: Bei nachhaltigen Geldanlagen geht es nicht nur um Rentabilität, Sicherheit und Liquidität, sondern auch um Nachhaltigkeit.
Als Laie stelle ich mir also vor, dass es Ausschlusskriterien gibt. Keine Kohle, Waffen, Alkohol, Arbeitsrechtsverletzungen, Umweltzerstörung. Falsch gedacht?
Nicht ganz falsch. Historisch gesehen war das „nachhaltige Geldanlage 1.0“. Irgendwann haben Kirchenbanken festgestellt, dass es schwer zusammengeht, Frieden zu predigen und Waffen zu finanzieren. Leider ist nicht bekannt, wie die Vatikanbank vor 50 Jahren ihr Geld investiert hat. Ich fürchte, wir würden uns amüsieren, wenn wir wüssten, wo sie überall ihr Geld hatten.
Gar nicht zum Lachen ist unbedarften Anlegern, die ihr Geld in einen nachhaltigen Fonds stecken und irgendwann feststellen, dass sie dabei in Großkonzerne wie Amazon investiert haben ...
Es gibt heute zwei Herangehensweisen an die Frage, was nachhaltige Geldanlage ist. Bei der ersten schaut man sich an, was für Auswirkungen ein Unternehmen auf die Erreichung der Klimaziele, also CO2-Reduktion, hat.
Amazon schickt Waren rund um den Globus und wieder zurück. Welcher Teil davon ist nachhaltig?
Jener der CO2-Strategie des Konzerns. Amazon will bis 2040 klimaneutral wirtschaften.
Schön, aber ein Käufer des Fonds fühlt sich vielleicht trotzdem gepflanzt ...
Ziel des Fonds ist es, in Firmen zu investieren, die dazu beitragen, dass die Welt ihr Nullemissionsziel erreicht. Schaut man sich die großen Positionen großer US-Fonds an, sieht man, dass Anleger bei den immer gleichen Firmen landen: Alphabet, Amazon, Tesla. Diese Konzerne haben eben entsprechende Klimastrategien.
Uni-Professor
Christian Klein ist seit 2013 Professor für Nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel und einer der Vorreiter auf dem Themengebiet „Nachhaltige Finanzwirtschaft“. Er ist Mitglied in mehreren Nachhaltigkeitsbeiräten, u.a. ist er Chair des Nachhaltigkeitsbeirats der Bayer AG.
Risikomanagement
Als Mitbegründer der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance Deutschland berät Klein Unternehmen und Politiker. Vorige Woche war er Gastredner bei den Kommunalen Sommergesprächen in Bad Aussee
Entspricht die zweite Herangehensweise an grüne Investments mehr den Kundenerwartungen?
Allerdings. Man fragt, wie die Finanzwirtschaft zur CO2-Reduktion beitragen kann. Hier geht es beispielsweise um Investitionen in hochriskante Start-ups. Solche Produkte machen wahrscheinlich keine fünf Prozent der nachhaltigen Investmentangebote aus. Vermutlich würde kein Kleinanleger in sie investieren. Aber in den Köpfen der Kunden sind diese dunkelgrüne Start-ups. Oder sie glauben, dass mit ihrem Geld Solarpanels in Afrika aufgestellt werden und sind über Alphabet-Aktien im Portfolio enttäuscht.
Hat die Finanzbranche ein Kommunikationsproblem?
Natürlich. Wenn Sie im Werbefernsehen Menschen in weißen Gewändern vor Wasserfall-Kulissen durch die grüne Wiese hüpfen sehen, sehen sie ziemlich sicher Werbung für ein Finanzprodukt. Damit sind wir schnell beim Thema Greenwashing. Ich wette, Greenwashing wird das Schlagwort des Jahres.
Die größte Investmentgesellschaft der Welt, BlackRock, tut jetzt auch auf nachhaltig. Ein Werbeschmäh?
Nein, definitiv nicht. Denen geht es aber nicht um die Rettung der Welt, sondern um Rendite. Wenn der Klimawandel wirklich aufgehalten werden soll – und das ist politisch beschlossen, wäre es schlicht Wahnsinn, noch in Öl zu investieren. Deswegen schichtet auch BlackRock um. Das hat nichts mit Gutmenschentum und Wollsocken zu tun. Hier geht es um Risikominimierung. Wenn dann berichtet wird, dass BlackRock grün wird, nehmen das Manager dort gern in Kauf.
Laut einer Umfrage haben 60 Prozent der Konsumenten gar kein Interesse an nachhaltiger Geldanlage. Sind Sie enttäuscht?
Nein, das ist verständlich. Für viele ist Geldanlage ein Luxusproblem, sie haben nichts zu veranlagen. Dazu kommt die fehlende Finanzbildung. Übrigens geben 20 Prozent an, dass sie nachhaltig investieren. Es sind aber viel weniger, wie die Marktzahlen belegen.
Haben Sie sich mal den Spaß gemacht, sich in einer Bankfiliale beraten zu lassen?
(lacht) Gerüchteweise hört man da die abenteuerlichsten Sachen. Übrigens müssen Bankberater seit August ihre Kunden fragen, ob sie nachhaltig investieren wollen. Wie man dann der Tante Erna, die 500 Euro veranlagen will, in einem 20-minütigen Beratungsgespräch die Taxonomie und die Ausschlusskriterien aller Fonds erklären will, ist spannend.
Wird man Unternehmern bald erklären müssen, dass ihre Kreditkonditionen an Nachhaltigkeitsziele geknüpft werden?
Das wird gerade Thema und wird vielen weh tun. Das muss jetzt niemanden überraschen. Würde es nichts kosten, die Welt zu retten, hätte es schon längst jemand getan. Hier werden noch viele Branchenverbände Amok laufen.
Brände, ausgetrocknete Flüsse, Unwetter: Weltweit schlagen die Folgen der Klimakrise voll zu und zwingen die Politik zum Handeln. Zur Erreichung des Nullemissionsziels bis zum Jahr 2050 sind weltweit Investitionen in Höhe von 275 Billionen Dollar nötig, rechnet der Unternehmensberater McKinsey vor.
Dass diese Summen weder von leeren Staatskassen, noch von Unternehmen allein gestemmt werden können, ist klar. „Partnerschaften zwischen Unternehmen und Financiers sind wichtiger denn je“, betonte unter anderem Birgit Brinda von der Kommunalkredit bei den Kommunalen Sommergesprächen vorige Woche in Bad Aussee. Aktuell investiert die Kommunalkredit unter anderem mit der OMV in die Produktion von grünem Wasserstoff in der OMV Raffinerie Schwechat.
Investiert wird derzeit auch unter Hochdruck in den Glasfaserausbau in Österreich. Geschätzte sechs Milliarden Euro dürften in den nächsten Jahren in diesen Bereich fließen. Aus Sicht von Nikolaus Roessner, Direktor des Infrastrukturinvestors Infracapital, eine Chance, den ländlichen Raum aufzuwerten, also Betriebe aus der Stadt zu holen und am Land anzusiedeln.
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