A1 Telekom Austria: Knallharter Poker um die Funktürme
Die Sache unterliegt höchster Geheimhaltung, bei den Playern steigt die Nervosität. Es geht um einen maßgeblichen Teil der kritischen Infrastruktur Österreichs. In Wirtschafts- und Politkreisen mehren sich die Sorgen über einen Verkauf der 15.000 Funktürme der teilstaatlichen A1 Telekom. Die Situation spitzt sich zu, denn die mexikanischen Mehrheitseigentümer wollen, wie man hört, den Verkauf mit der Verlängerung des 2024 auslaufenden Syndikatsvertrages junktimieren.
Schon vor einem Jahr ventilierte Carlos Moreno, Finanzvorstand von America Movil und Vize-Aufsichtsratschef der A1 Telekom, erstmals Ausgliederung und Verkauf der Funktürme bei der Staatsholding, die noch 28,4 Prozent hält. Der Schwiegersohn von Carlos Slim, Milliardär und Gründer von America Movil, tritt zwar diplomatisch auf, ist aber in der Sache knallhart.
Im Sommer besuchte ÖBAG-Aufsichtsratschef Helmut Kern mit Interims-Chefin Christine Catasta und Edith Hlawati (Telekom-Aufsichtsratschefin und designierte neue ÖBAG-Alleinvorständin) Moreno auf dessen Landgut in Mexiko. Alejandro Plater, Statthalter von America Movil im Telekom-Vorstand, war schon vor Ort. Dass ausgerechnet der österreichische Telekom-CEO Thomas Arnoldner in der Runde fehlte, war sicher nur ein Zufall. Die ÖBAG-Truppe machte keine Zusagen, aber auch keine Absage.
Von einem Verkauf würde, wie der KURIER bereits berichtete, vor allem America Movil profitieren. Investoren reißen sich weltweit um in Tower Companies ausgegliederte Funktürme, die als Infrastruktur wesentlich mehr wert sind als die Netzbetreiber. Der mögliche Verkaufserlös der Telekom-Towers wird auf bis zu vier Milliarden Euro kalkuliert.
Doch das Unternehmen wäre sein wertvollstes Asset los und müsste geschätzte 270 Millionen Euro im Jahr Miete an den neuen Eigentümer bezahlen. Und die Republik hätte keinen Zugriff mehr auf diese Infrastruktur.
In der Telekom wird betont, man evaluiere die Szenarien und habe noch keine Entscheidung getroffen. Die ÖBAG hat wieder einmal ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Frage ist, ob die Staatsholding einen Verkauf der längst gegründeten Tower-Gesellschaft überhaupt selbst entscheiden dürfte. Die ÖBAG ist im Gegensatz zur Vorgängerin ÖIAG keine Privatisierungsagentur, sondern muss den Standort fördern und Unternehmensbeteiligungen des Staates halten, statt abzuverkaufen. Für eine Privatisierung bräuchte es einen Regierungsauftrag. Der Verkauf des Kerns der Telekom wäre wohl eine Privatisierung.
Die ÖBAG beantwortete keine einzige der Fragen des KURIER. Sagt auch etwas aus.
Die Staatsholding ist gut beraten, die Politik einzubinden, Stichwort Infrastruktur. Nicht anzunehmen, dass die Grünen mit einem Verkauf einverstanden wären. In der ÖVP dürfte die Bedeutung von Infrastruktur unter Kanzler Karl Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner heute höher eingeschätzt werden als unter Kurz & Co. Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck warnte bereits, Infrastruktur dürfe nicht Gegenstand von Spekulationen sein. Als ehemalige A1-Chefin lernte sie die Mexikaner kennen, nicht immer von der kooperativen Seite.
Auch in der Industrie, sonst auf Privatisierungslinie, gibt es Bedenken. „Infrastruktur ist das Rückgrat des Industriestandortes. Das betrifft Schiene und Straße, aber in Zukunft noch mehr leistungsfähige Datennetze, sowohl im Glasfaser- als auch im Mobilfunk-Bereich“, heißt es im Infrastruktur-Ausschuss der Industriellenvereinigung.
2024 läuft der Syndikatsvertrag aus, quasi der Ehevertrag, der das Zusammenleben zwischen den Mexikanern und der ÖBAG regelt. Juristisch war im April 2014 die Wirtschaftsanwältin Hlawati für das damals schon umstrittene Regelwerk verantwortlich, verhandelt hatte der glücklose ÖIAG-Chef Rudolf Kemler. America Movil hielt beim Abschluss erst knapp 27 Prozent, heute sind es 51 Prozent.
Genau da liegt das Problem. Österreich verhandelte für sich den CEO und den Aufsichtsratsvorsitz heraus, die Mexikaner versprachen große Investitionen. Der starke Mann im Vorstand ist aber Plater, der beste CEO kann nicht gegen einen Mehrheitseigentümers agieren.
Österreich abgeschlagen
Auf die großen Investitionen wartet Österreich heute noch. Die Mitbewerber rüsten bei 5G und Glasfaser auf, doch America Movil steht auf der Bremse und in der ÖBAG scheint man die Brisanz (noch) nicht erkannt zu haben. Dabei ist der Bedarf hierzulande enorm, Industrie 4.0 ist ohne Digitalisierung unvorstellbar. Im monatlichen Speedtest Global Index liegt Österreich aktuell im Mobil-Bereich auf Platz 27 und bei Breitband auf Rang 59, hinter der Ukraine und Kolumbien.
Also braucht es einen neuen Syndikatsvertrag überhaupt? Als Aktionär mit Sperrminorität hätte die Republik einige Rechte und könnte den Mexikanern das Leben erschweren.
„Grundsätzlich hat sich der Syndikatsvertrag bewährt, weil er das größtmögliche Mitspracherecht ermöglicht, obwohl die Republik nicht mehr Mehrheitseigentümer ist. Eine Verlängerung scheint, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sind, eine sinnvolle Option. Die konkreten Verhandlungen wird die ÖBAG als Eigentümervertreterin für die Republik führen“, meint dazu Finanzminister Brunner. Man beachte die Einschränkung „entsprechende Rahmenbedingungen“.
Kommentare