Milliardär Carlos Slim, Eigentümer des mexikanischen Telekom-Giganten America Movil, ist bekannt dafür, mit seinen Investments hohe Renditen zu verfolgen. Jetzt hat sein Konzern, der auch Mehrheitseigentümer der teilstaatlichen A1 Telekom Austria ist, das Geschäft mit den Mobilfunksendemasten im Fokus.
Am Donnerstag holte sich Slim auf einer außerordentlichen Hauptversammlung das Einverständnis seiner Aktionäre für die Ausgliederung des Tower-Business in Lateinamerika. Bis Jahresende soll die neue Gesellschaft Sitio Latinoamerica stehen, mit vorläufig 36.000 Funktürmen in ganz Lateinamerika.
Dabei wird es nicht bleiben. Auch bei der A1 Telekom laufen die Vorbereitungen für die Ausgliederung der insgesamt 15.000 Funktürme, davon 7.900 in Österreich, bereits auf Hochtouren. Der Wert der Masten wird von Experten aus bis zu vier Milliarden Euro geschätzt. In allen Konzernländern haben die nationalen A1-Töchter (außer in Weißrussland) schon eine Tower Company gegründet. In Österreich hängt diese direkt an der Konzernholding. Die Sonderkonstruktion hat arbeitsrechtliche Gründe, wegen der Dienstzuteilung von beamteten Mitarbeitern.
Ausgliederung und Verkauf von Sendemasten sind in der Telekom-Industrie nichts Ungewöhnliches mehr. Funktürme erzielen wesentlich höhere Preise als der Betrieb der Netze. Telekom-Unternehmen verkaufen ihre Türme meist, um Schulden abzubauen oder den teuren 5G-Ausbau zu finanzieren.
Funkmasten sind allerdings als kritische Infrastruktur für den Betrieb von Mobilfunknetzen unerlässlich. Sind sie einmal weg, muss der Netzbetreiber für die Nutzung hohe Mieten berappen.
In Insiderkreisen werden die Befürchtungen immer größer, America Movil plane, mit den A1-Towers Kasse zu machen, der KURIER berichtete bereits.
Und zwar gleich doppelt. Zuerst kaufen die Mexikaner die Tower-Gesellschaften, dann holen sie sich über eine Sonderdividende einen großen Teil des Verkaufserlöses wieder zurück. Die Republik Österreich bekäme davon entsprechend ihres Telekom-Anteils nur 28 Prozent. Hat aber in der Vergangenheit lange vor dem Einstieg der Mexikaner den Mobilfunk-Ausbau mitfinanziert. Slim würde von langfristigen, üppigen Mieteinnahmen aus der A1 Telekom profitieren, die dank der Staatsbeteiligung als erstklassiger Zahler eingestuft ist.
Bei der A1 Telekom versichert man, es gebe noch keine Entscheidungen, ob die Tower-Companys verkauft werden oder nicht. Für Edith Hlawati, künftige neue Chefin der Staatsholding ÖBAG und Aufsichtsratsvorsitzende der A1 Telekom, ist ein Masten-Deal politisch hochgefährlich. Während man in der ÖVP die Brisanz des Themas noch nicht realisiert hat, würden Grüne und Opposition mit Sicherheit den Deal als Verschleuderung kritischer, staatlicher Infrastruktur thematisieren und dazu einen U-Ausschuss einberufen.
Bulgarien
Die Mexikaner machen über ihren Statthalter im Konzernvorstand, Alejandro Plater, außerdem massiv Druck auf die Verlegung ganzer Bereiche zur Billiglohn-Tochter in Bulgarien. Von 400 bis 500 Arbeitsplätzen insgesamt ist im Unternehmen die Rede, diese Größenordnung wird von Konzernsprecherin Livia Dandrea-Böhm vehement dementiert. Sie spricht nur von 24 Arbeitsplätzen aus Buchhaltung und Einkauf, die bis Ende März 2022 in Bulgarien gebündelt würden.
Es dürften allerdings wesentlich mehr Jobs nach Bulgarien abwandern. A1-Finanzvorständin Sonja Wallner soll von einem „ersten Schritt“ gesprochen haben.
„Nearshoring“ nennt man die Zentralisierung von Tätigkeiten in Konzernländern mit den niedrigsten Lohnkosten. A1-Technikvorstand Alexander Stock kündigte kürzlich im monatlichen Update mit der Belegschaft die Verlagerung von 150 bis 200 Jobs an, bis Ende 2022 und ebenfalls ins bulgarische Business-Kompetenzzentrum.
Die Übersiedlung des Network Management Center wurde bereits vor einem Jahr geprüft, aber wieder verworfen. Dort ist die Netzsteuerung angesiedelt, das dürfte politisch doch zu heikel sein. 50 Arbeitsplätze aus der Netzüberwachung sollen aber schon in Bulgarien sein.
In einem internationalen Konzern arbeite man eben über die Landesgrenzen hinweg zusammen, kalmiert Dandrea-Böhm. Man wolle Freiräume schaffen, um sich auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Belegschaftsvertreter Christian Reiseneder sieht das naturgemäß anders. Das Management nutze die Digitalisierung zur Verlagerung in Billiglohnländer, anstatt österreichische Mitarbeiter entsprechend ihren Qualitäten einzusetzen. Und die Personalvertretung „hat die ganze Thematik verschlafen“, kritisiert der Vorsitzende der Fraktion A1 United. Er stellt die interessante Frage, ob das Vorgehen von America Movil überhaupt dem Syndikatsvertrag mit der ÖBAG entspricht, der 2024 ausläuft.
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