Wie Hypnose die Angst vorm Bohrer nehmen kann

Angstpatienten trauen sich oft trotz Schmerzen nicht zum Zahnarzt.
Allein der Gedanke an den nächsten Zahnarztbesuch treibt manchen Patienten Schweißperlen auf die Stirn. Wie Hypnose helfen kann.

Wenn der sterile Praxisgeruch, das säuselnde Geräusch des Bohrers und der nackte Behandlungssessel beim Menschen nicht leichtes Unbehagen, sondern eine tiefgreifende Panik, ja gar eine Phobie, auslösen, dann spricht man von einem Angstpatienten. Dabei ist es unerheblich, wie alt man ist. Traumatisiert ist eben traumatisiert.

Aus der Angst vorm Zahnarzt speist sich nahezu immer ein striktes Vermeidungsverhalten. In besonders extremen Fällen entwickeln Patienten eine derartige Todesangst, dass sie Zahnschmerzen lieber jahrelang in Kauf nehmen und den Zahnarztbesuch so lange hinausschieben, bis die Schmerzen unerträglich werden. Dass eine normale zahnärztliche Behandlung bei diesen Patienten undenkbar ist, liegt auf der Hand.

Mittels Hypnose kann Kindern, Frauen und Männern mit panischer Angst vorm Zahnarzt geholfen werden. Dabei wird nicht nur eine akute Schmerzbehandlung, sondern auch ein Durchbrechen der oft jahrelang bestehenden Angstspirale möglich gemacht. Bei medizinischer Hypnose handelt es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Methode, die an Universitäten gelehrt wird und deren Wirksamkeit durch zahlreiche Studien belegt ist. Zahnärzte können eine derartige Zusatzausbildung unter anderem über die Österreichische Gesellschaft für ärztliche und zahnärztliche Hypnose (ÖGZH) erwerben.

Konträr zur Annahme vieler Menschen hat die Hypnose zu medizinischen Zwecken nichts mit der aus Medien bekannten Bühnen- oder Show-Hypnose zu tun. "Moderne klinische Hypnose ist ein Mittel ganzheitlich orientierter (zahn-) ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung mit dem Ziel, Menschen zu selbstbestimmter geistiger und körperlicher Gesundheit zu verhelfen", heißt es dazu auf der Website der ÖGZH.

Der Mund als "intime Zone"

Ein Großteil der Hypnosepatienten bei demensprechend ausgebildeten Zahnärzten sind Kinder. Verantwortlich für die zunächst ganz natürliche Abneigung gegen den Zahnarzt ist der als unangenehm empfundene Eingriff in den Mundraum. "Der Mundbereich ist eine sehr intime Zone. Besonders sensible Kinder zeigen daher von frühester Kindheit an, eine gewisse Abwehrreaktion auf Manipulationen, die auch bis zur Angst reichen können", so Dr. Lydia Pia Busenlechner, Mitgründerin und Zahnärztin in der Zahnklinik Sleep & Smile, die neben Zahnbehandlung mit Lachgas und Sedierung auch Behandlungen mit Hypnose anbietet. Andere Kinder erwerben die Zahnarztangst meist durch Erlebnisse in der frühen Kindheit, bei denen sie sich hilflos gefühlt haben oder großem Stress ausgeliefert waren. "Diese Furcht entsteht in der Amygdala, einem speziellen Bereich des Gehirns, die durch diese Erlebnisse programmiert wurde, überempfindlich auf den Zahnarztbesuch zu reagieren", so die Expertin.

Die erworbene Angst äußert sich auf vielfältige Weise. Meist steigt Betroffenen bereits vor dem Betreten der Praxis oder Klinik der Angstschweiß auf, wie Busenlechner erläutert. Im Behandlungsstuhl kämen häufig auch noch weitere Symptome wie Magendrücken, Herzrasen und Schwindel oder auch Würgereiz hinzu. "Kinder weinen, klammern sich an ihre Bezugsperson fester, je nach Temperament schlagen sie auch um sich, schreien und strampeln mit den Beinen."

Kein Hokuspokus

Ziel der Hypnose ist es, den Patienten in einen Zustand der vollkommenen Entspannung zu versetzen - und ihn die Anspannung und Angst quasi vergessen zu lassen. Das Bewusstsein des Patienten wird dabei in eine andere Richtung gelenkt, sodass der Schmerz nicht mehr wahrgenommen wird. Dabei arbeitet man in der Regel mit Geschichten als hypnotische Technik. "Ich frage den Patienten etwa nach seinen Hobbys, wo er am liebsten seinen Urlaub verbringt, oder wo er sich am besten entspannt. Dann erzähle ich eine Geschichte und führe den Patienten in Gedanken weit weg von dem Behandlungsstuhl, hinaus aus der Praxis, in ein fernes Land, zum Beispiel zu einem Strandspaziergang", erklärt Busenlechner. Bei den jüngsten Patienten kann auch die sogenannte Konfusionstechnik Erfolge bringen. Dabei wird das Kind mit Informationen überladen und dadurch beschäftigt beziehungsweise abgelenkt.

Empathie als Schlüssel

Der grundlegende Vorteil der empathischen Hypnosebehandlung liegt nicht zuletzt darin, dass der Zahnarzt den Patienten rasch, therapeutisch effizient und völlig nebenwirkungsfrei behandeln kann. Das Selbstheilungspotential wird dadurch ebenfalls angeregt. Auch wenn durch Hypnose bei vielen Patienten eine Behandlung überhaupt erst möglich wird, reicht sie bei einem gewissen Prozentsatz nicht aus, um die Angst unter Kontrolle zu bringen. In diesen Fällen sind Busenlechner zufolge Behandlungen unter Lachgas, mit diversen Sedierungen oder einer Vollnarkose nötig.

Da viele Zahnärzte es bedingt durch die Hektik des Arbeitsalltages verabsäumen bereits bei der ersten zahnärztlichen Behandlung eines Kindes des Grundstein für eine gute Vertrauensbasis zu legen, kommt der Hypnose beim Zahnarzt immer größere Bedeutung zu. Ein besonders einfühlsamer, geduldiger Umgang sowie ein Kontakt auf Augenhöhe sind Busenlechner zufolge die wichtigsten Elemente eines empathischen Arzt-Patienten-Verhältnisses. "Empathie ist ein ganz besonders wichtiger Schlüssel für den Erfolg jeder medizinischen Behandlung."

Weitere Infos:

- Informationen über Zahnärzte, die Hypnose anbieten, bekommen Sie über die jeweiligen Landeszahnärztekammern oder die Österreichische Gesellschaft für ärztliche und zahnärztliche Hypnose (ÖGZH).

- In Wien bietet unter anderem das Sleep & Smile Center Hypnosebehandlungen an.

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