Intoleranzen: Experten warnen vor unseriösen Angeboten
20 bis 25 Gramm Fruktose am Tag aus Obst oder Honig – darauf ist unser Darm optimiert. Und das war auch im Schnitt die Menge, die ein Erwachsener in den 60-er Jahren täglich aufgenommen hat. Aber seit zunehmend in vielen Fertigprodukten billige Maisstärke als Fruktosequelle eingesetzt wird, steigt der Fruktose-Gehalt in der Nahrung deutlich: "Heute beträgt der durchschnittliche tägliche Fruktose-Konsum mehr als 80 Gramm", sagt der Allergologe Stefan Wöhrl vom Allergiezentrum Floridsdorf: "Aber damit überlasten wir unseren Körper." Die Folge: Die Häufigkeit der Unverträglichkeit gegenüber Fruchtzucker ("Fruktose-Intoleranz") nimmt zu.
Das ist die eine Seite. Die andere: "Mit Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten kann man ein gutes Geschäft machen", betont Allergologe Gunter Sturm, Leiter des Allergieambulatoriums Reumannplatz, Wien. "Der Weg, bis man weiß, was die Probleme genau verursacht, ist oft lang und mühsam. Einfache Lösungen und Heilungsversprechen sind daher verlockend."
Problematisch seien die vielen unterschiedlichen und teilweise fragwürdigen Tests, die über das Internet angeboten werden. Barbara Bohle leitet das Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien: "Es gibt bis jetzt keine Studie, die gezeigt hat, dass ein erhöhter Wert von IgG-Antikörpern im Blut eine Rolle bei der Entstehung von Unverträglichkeiten spielt."
Keine Aussagekraft
Ein erhöhter IgG-Wert gegen bestimmte Nahrungsmittelbestandteile zeige nur an, was jemand gerne und oft isst: "Trinkt jemand viel Milch, so zeigt sich das auch in einem erhöhten IgG-Spiegel gegen Milcheiweiß – aber das ist kein Nachweis für eine Nahrungsmittel-Unverträglichkeit. Die IgG-Diagnose unterscheidet nicht zwischen Gesunden und Kranken." Anders ist das bei IgE-Antikörpern: "Sie spielen bei den meisten allergischen Reaktionen die tragende Rolle."
"Allergien löschen"
Aber es gibt noch ganz andere Sachen: Die Psychologin und Psychotherapeutin Ulrike Schiesser, in der Bundesstelle für Sektenfragen Expertin für Weltanschauungen, Esoterik und Verschwörungstheorien, weiß von "Harmonisierungsgeräten um 3000 Euro", die Allergien einfach "löschen" sollen. Unseriöse Angebote zu erkennen werde für Konsumenten immer schwerer: "Ist eine Internet-Seite professionell gestaltet und vermittelt sie Kompetenz und dazu simple Lösungen, wird ihr mehr Glaubwürdigkeit zugesprochen." Viele Menschen suchen nach leichten Erklärungen für komplexe Probleme. Die Ernährung muss dann als Ursache dafür herhalten, warum es ihnen generell nicht so gut geht. Es ist leichter, die Ernährung zu ändern, als den Job zu kündigen."
"In meinem Berufsstand sehen wir immer mehr Patienten, die ohne umfassende medizinische Abklärung sogenannte Auslass-Diäten halten", sagt die Diätologin Martina Fischl. "Als Ergebnis verschiedener Tests erhalten sie lange Listen mit Lebensmitteln, die sie weglassen sollen – und werden damit alleine gelassen. Im Extremfall kann das zu einem Nährstoffmangel führen." Auch wenn nach einer umfassenden medizinischen Diagnostik kein Hinweis auf eine Nahrungsmittelallergie oder Unverträglichkeit gefunden wurde, könne es trotzdem sinnvoll sein, dass eine Diätologin oder ein Diätologe den Ernährungsplan abklärt: "Ich sehe in der täglichen Arbeit, dass auch eine Ernährung, die nicht ausgewogen ist, Beschwerden verursachen kann, durch eine Überlastung des Darms." Und es sei ein Irrtum zu glauben, dass – wenn man keine Zöliakie hat – glutenfrei die bessere Wahl ist: "Glutenfreie Kost enthält weniger Ballaststoffe."
Eine neue Infobroschüre steht auf www.allergenvermeidung.org
Kommentare