RunNa: Der herabschauende Schweinehund

Der herabschauende Hund wurde zum Schweinehund
Von übermotivierten Vorsätzen und dem Hapern an der Umsetzung.

Es gibt ihn also wirklich. Bisher kannte ich ihn nur vom Hörensagen und nun hat er sich tatsächlich erstmals lautstark zu Wort gemeldet: Nein, brauchst du nicht. Wozu denn auch? Bisschen quälen? Geh bitte, es geht dir doch viel besser, wenn du es nicht machst. Du kannst stattdessen jetzt shoppen gehen. „Sale!“ wird überall plakativ geschrien. Das muss doch genützt werden. Oder einfach auf der Couch liegen. Der Arbeitstag war anstrengend genug...

Da war er: der innere Schweinehund. Und entgegen aller Euphorie und guten Vorsätze in den letzten Wochen war der Frontalangriff des kleinen Teufelchens in den vergangenen Tagen höchst erfolgreich. Nicht beim Laufen. Da halten selbst nach der ausgelassensten Partynacht die Beine nicht still. Dafür braucht es kein Engelchen auf der Schulter das mir sagt, wie toll laufen ist und wie gut ich mich danach fühlen werde. Weil es da gar kein Teufelchen gibt.

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Anders ist es bei Dingen, die ich nicht so gerne mache. Und – eh scho wissen – Yoga steht da im Ranking auf meiner Unbeliebtheitsskala ziemlich weit oben. Jedenfalls war das vor meinerChallengeso. Danach? Naja, nach den22 Klassen in 30 Tagenhatte ich jedenfalls voller Euphorie den Entschluss gefasst, nicht mehr ohne Yoga leben zu wollen. Sprich: Ich bin seither mehr oder weniger stolze Besitzerin einer Jahreskarte, um damit wirklich zur Yogini zu werden. Sauteuer, damit es auch wirkt. Denn irgendeinen Druck brauche ich um am Ball zu bleiben. War es während der Challenge die 20 Klassen in 30 Tagen zu schaffen, soll es danach zumindest finanziell weh tun, damit ich nicht doch wieder die Matte in die Ecke schmeiße und Namaste auf Wiedersehen sage. Das war vor rund fünf Wochen. Und heute?

Dann kam der Schlendrian

„Feigheit, Trägheit gegenüber einem als richtig erkannten Tun“ lautet die Definition des inneren Schweinehunds im Duden. Ich soll Yoga machen – richtig. Ich soll mich mit herabschauenden Hunden quälen und das Kriegsbeil mit dem Krieger begraben, um an meiner Beweglichkeit zu arbeiten – richtig. Soweit so gut. Die Feigheit lasse ich mal beiseite – der Bammel zu Beginn der Challenge, dass ich unter lauter Yoga-Grazien auffalle, wie ein Elefant unter lauter Ameisen ist mittlerweile Geschichte. Die Trägheit hat in den vergangenen Tagen dafür umso mehr an Bedeutung gewonnen.

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Begonnen hat alles in der Weihnachtszeit. Der Klassiker eben. Da gibt es Feste, die gefeiert werden müssen, wie sie fallen. Dabei hatte ich auch da noch alles gut in Griff. Selbst nach nur drei Stunden Schlaf schaffte ich es, mich abends zu Flip the Dog zu motivieren. Es fehlte zwar ein bisschen an der nötigen Balance, dennoch wurde stolz ein Hakerl bei „durchgezogen“ gemacht. Ich fühlte mich gut. Und dann, tja, dann kam der Schlendrian.

Die Weihnachtsfeiertage brachten es mit sich, dass ich zum ersten Mal seit 1. November (dem Beginn der Challenge) eine neuntägige Yoga-Pause einlegte. Zuerst weil es sich nicht vermeiden ließ – sprich, weil ich nicht in Wien war – danach, weil es sich vermeiden ließ – sprich, eine Ausrede die nächste ablöste. Es ist gerade so gemütlich auf der Couch. Mit Schnupfen soll man (also ich) kein Yoga machen. Die Hitze ist sicher zu anstrengend. Der Abverkauf ruft nach Schnäppchenjagd. Der Tratsch mit einer Freundin... Und das eigentliche Grundübel daran: Es ging mir null ab!

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Nach neun Tagen schaffte ich es schließlich dann doch wieder auf die Matte. Fazit: Es war die Hölle. Und schneller als gedacht, mutiere ich wieder zur unbeweglichsten Frau auf diesem Planeten. Denn auch die nächsten Tage stand es um meine Motivation nicht gerade zum Besten. Lieblingsausrede Nummer Eins: Morgen ist auch noch ein Tag. Dabei hatte ich ja bereits Feuer gefangen. Naja gut, zumindest einen Funken zum Glühen gebracht. Warum geht das dann wieder so schnell?! Warum tue ich mir gerade wieder so schwer, meinen Vorsatz aufrecht zu erhalten und zur dauerhaften Hot Yogini zu werden?

Wie dranbleiben?

Wie mir beim Yoga geht es dieser Tage wahrscheinlich vielen. Jänner ist DIE Zeit der guten Vorsätze. „Ich werde“, lautet die Standardansage. Doch was braucht es, damit aus diesem „ich werde“ ein „ich tue“ wird. Und, endlich ins Tun gekommen, wie schafft man es, damit sich dieses nicht wieder in ein „morgen ist auch noch ein Tag“ verwandelt?

„Die Frage ist, auf welcher Grundlage die Vorsätze gefasst wurden“, sagt Andrea Engleder, Sportpsychologin in freier Praxis und Koordinatorin beim Österreichischen Bundesnetzwerk Sportpsychologie. „Macht es für mich persönlich Sinn, aus innerer Überzeugung, diesen Vorsatz umzusetzen? Habe ich mir überlegt, wie das in die Gestaltung meines Alltags reinpasst? Oder ist es ein spontaner Vorsatz, der sich im Moment gut anfühlt, aber nicht an meine Lebensgestaltung angepasst ist. Problem ist oft, dass gerade an freien Tagen die Vorsätze wie Sport machen und bewusster ernähren sehr gut gelingen, aber dann im Alltag, gar nicht mehr so leicht umzusetzen ist, weil die Zeit bzw. genaue Planung nicht passt.“ Es brauche daher eine kluge Planung für den Alltag und es muss Sinn machen, warum man es weiter tun soll.

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Sinn macht das Verbiegen ja. Vom Verstand her. Dennoch matchen sich derzeit Engelchen und Schweinehund auf das sprichwörtliche Teufel komm raus. Dieser knockt das Engelchen in letzter Zeit bereits in der ersten Runde aus. Und das, obwohl der Funke bereits übergesprungen war.Wie also das Engelchen gewinnen lassen?

„Eine Möglichkeit ist z.B. in einen inneren Dialog mit dem Schweinehund zu kommen, der vielleicht sagt: ‚Puh, heute ist es so kalt und windig draußen, jeder würde verstehen, wenn ich heute nicht laufen gehe!‘ Und die gute innere Stimme antwortet: ‚Ja, möglich, aber wenn du jetzt doch rausgehst und deine Bewegung machst, wirst du richtig stolz auf dich sein, wenn du zurück bist, weil du es doch gemacht hast!’ usw. Ziel ist es immer in einem guten Dialog zu sich bleiben. Was wäre das Wertvolle daran, doch laufen zu gehen? Wer dies regelmäßig macht/trainiert verkürzt mit der Zeit diesen Dialog und der innere Schweinehund sagt dann vielleicht nur mehr 'Hm, es wäre....' Aber die innere Stimme beschwichtigt schon und weiß wofür es sich lohnt es doch zu tun.“

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Und wie schaut das nach Pausen aus? Wenn der Wiedereinstieg, z.B. nach einer Verletzung, schwerfällt?

„Das mentale Problem von (erzwungenen) Pausen ist, dass man auch den Alltag umstellt bzw. anpasst und auch schnell Gefallen daran findet, dass man nun für andere Dinge Zeit hat, z.B. sich lieber mit Freunden trifft, ein spannendes Buch liest oder ein neues Hobby entdeckt hat, welchem man nun auch Zeit widmen möchte. Um den Wiedereinstieg z.B. nach Verletzungen zu erleichtern, macht man im Leistungssport viel Visualisierungen, also gedankliche Vorstellungen des Bewegungsablaufs, um zumindest den Kopf zu trainieren, wenn schon nicht der Körper die Bewegung ausüben kann. Dies führt auch dazu, dass der Muskelabbau aufgrund der Ruhestellung verlangsamt wird, weil auch die Vorstellung der Bewegung im Kopf zu leichten Muskelkontraktionen führt und der Umstieg ins 'echte' Training dann leichter gelingt. Es hilft auch die Vorstellung, wie es sich damals angefühlt hat, wie man den Sport gemacht hat, welche positiven Emotionen damit einhergegangen sind, um wieder Lust darauf zu bekommen.

Ein letzter Tipp für den ganz hartnäckigen Schweinehund?

Da kann man sich die Frage stellen, wofür es wert wäre den Sport zumindest wieder für einmal auszuprobieren? Indem es wieder ausprobiert wird, wird eine neue positive Erfahrung gemacht, die dann (hoffentlich) eine Motivation auslöst, dies zu wiederholen. Wenn nicht, dann ist es vielleicht nicht mehr die richtige Sportart.“

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Nicht die richtige Sportart? Yoga und ich, soll es mit uns nicht sein? Hm, nein. Ich glaube das kann schon was werden. Bis der Funke wirklich dauerhaft übergesprungen ist, halte ich es mit dem Dichter Miguel de Cervantes Saavreda„In der Überwindung liegt die Freude“. Zumindest im Nachhinein.

Autorin Natascha Marakovits finden Sie auch auf Instagram.

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