37 Fälle: Ungewollt schwanger wegen unsicherer App

Symbolbild
In Schweden steht eine Zyklus-App in der Kritik, weil 37 Nutzerinnen binnen drei Monaten ungewollt schwanger wurden.

Immer mehr Frauen nutzen Zyklus-Apps nicht nur, um ihre Periode zu verfolgen, sondern auch zur Verhütung – oder um gezielt schwanger zu werden (mehr dazu hier).

In Schweden wurden 37 Frauen dabei ungewollt schwanger. Spannendes Detail: Die Frauen verließen sich alle auf die App "Natural Cycles". Bekannt wurden die Fälle, weil sich ungewöhnlich viele Frauen an einem großen Klinikum in Stockholm nach Abtreibungen erkundigten. Von 668 Frauen, die im Zeitraum zwischen September und Dezember 2017 im Södersjukhuset Krankenhaus eine Abtreibung durchführen ließen, verhüteten 37 mit der App. Das Spital informierte daraufhin die schwedische Arzneimittelbehörde, wie der schwedische öffentlich-rechtliche Sender SVT berichtet. "Es ist eine neue Methode und wir beobachten eine hohe Zahl an ungewollten Schwangerschaften, deshalb haben wir es der Arzneimittelbehörde gemeldet", sagte Carina Montin, Sprecherin des Södersjukhuset Krankenhauses, laut Business Insider.

600.000 Userinnen

Brisant ist diese Nachricht deshalb, weil die App weltweit sehr beliebt ist. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sollen global rund 600.000 Frauen ihren Zyklus mittels "Natural Cycles" beobachten. Die Popularität der Applikation, die es seit 2016 gibt, erklärt sich nicht zuletzt dadurch, dass die Erfinder den Algorithmus zur Berechnung der Fruchtbarkeit an einer großen Zahl von Frauen testeten. Die technische Funktionstüchtigkeit wurde zudem vom TÜV überprüft.

"Natural Cycles" selbst wird von den Entwicklern als "effektive Methode der Empfängnisverhütung" beschrieben, die "leicht anzuwenden" ist und "keine Nebenwirkungen" hat. Die Grundlage für die Berechnung der fruchtbaren Tage bildet die Körpertemperatur der Nutzerinnen, die regelmäßig gemessen und eingetragen werden muss. Damit ist die Applikation quasi eine moderne Weiterentwicklung der Temperaturmethode, eine Methode der natürlichen Empfängnisverhütung, bei der man durch Messung der zyklischen Schwankungen der Körpertemperatur den Zeitpunkt des Eisprungs der Frau ermittelt.

Kritik an der Ungenauigkeit dieser Methode gibt es seit jeher. So können Infektionen, Fieber, Alkoholkonsum, Jetlag, Schlafmangel, Schichtarbeit oder unterbrochener Schlaf zu Schwankungen der Köpertemperatur und somit zu verfälschten Ergebnissen führen.

Nicht überraschend

Dass "Natural Cycles" nicht zu 100 Prozent verlässliche Ergebnisse liefert, gibt auch ein Sprecher der App zu. "Natural Cycles hat einen Pearl Index von 7, was bedeutet, dass sie bei richtiger Anwendung zu 93 Prozent effektiv ist, das kommunizieren wir auch so", sagte der Sprecher zu Business Insider. Studien hätten wiederholt gezeigt, dass die App, die sich an Frauen über 18 Jahre richtet, einen hohen Schutz biete, der mit etablierten Verhütungsmethoden vergleichbar sei. Über die hohe Zahl der ungewollten Schwangerschaften sei man nicht überrascht: "Weil unsere Userschaft sich vergrößert, erhöht sich auch der Anteil an ungewollten Schwangerschaften. (...) Das ist eine unvermeidbare Realität", so der Sprecher. Man habe dennoch eine interne Untersuchung in die Wege geleitet.

Lieber Hormonfrei

"Natural Cycles" ist freilich nicht die einzige Zyklus-App, die bei Frauen, die auf natürliche Weise verhüten wollen, beliebt ist. Grund dafür ist nicht zuletzt, dass immer mehr Frauen bei der Verhütung auf Hormone verzichten wollen. In Österreich ist bereits seit geraumer Zeit ein Trend weg von hormoneller und hin zu nicht-hormoneller Verhütung beobachtbar. So wenden laut Verhütungsreport mittlerweile 15 Prozent der Frauen nicht-hormonelle Methoden an. Der Großteil vermeidet Hormone wegen befürchteter Nebenwirkungen. Die Hälfte der Frauen, die hormonelle Methoden ablehnen, ist überzeugt, dass Hormone nicht gesund sind. Eine große Rolle spielen negative mediale Berichte über die Pille, die von Todesfällen durch ein erhöhtes Thromboserisiko handeln. Bei gesunden Frauen, ohne erhöhtes Thromboserisiko, die nicht rauchen oder übergewichtig sind, ist die Pille Experten zufolge aber unbedenklich (mehr dazu hier).

Einig ist sich der Großteil der Mediziner auch, dass intensiv über mögliche Alternativen aufklärt werden muss. Am Markt gibt es derzeit drei Arten hormonfreier Spiralen. Die Kupferspirale, das Kupferkettchen und das Kupferbällchen werden zur Langzeitverhütung in die Gebärmutter eingesetzt. Die Annahme, dass Spiralen nur für Frauen geeignet sind, die bereits ein Kind geboren haben, ist überholt. Vorteilhaft sind diese Produkte unter anderem auch, weil sie eine Kostenersparnis bedeuten.

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